Die Qual

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Benni atmete erleichtert auf, als er und Eva endlich aufgegessen hatten und er die Rechnung mit einem lächerlich geringen Betrag darauf vorgelegt bekam. Die ganze Zeit über hatte er überlegt, wie er mit Irina in Kontakt kommen könnte, aber ihm war schlicht und ergreifend kein Weg eingefallen, der Eva nicht in irgendeiner Art und Weise beunruhigt hätte.
Jedenfalls nicht hier und heute Abend.

Erst als er dann, kurz bevor sie das Restaurant endlich verlassen wollten, sein Portemonnaie zum zahlen der paar Kröten öffnete, fiel ihm ein Grund förmlich in die Hände.
Eigentlich war er ja früher am Tag ins Bordell gegangen, um bei Ronny die Mädels für die Release-Party zu bezahlen, was er dann aber in der Hektik vollkommen vergessen hatte.
Er könnte es sich natürlich leicht machen und den fehlenden Betrag einfach überweisen, aber er wollte nun unbedingt mal mit Irina reden, sofern diese nicht sofort das Sicherheitspersonal rief, wenn er wieder an ihrem Zimmer aufschlug.
Die Frage, warum so ein junges Mädchen solch einen Job machte, ließ ihn einfach nicht mehr los und er wollte sich auch irgendwie bei ihr entschuldigen. Denn entgegen der Meinung, die so einige Leute von ihm hatten, war er eben nicht aus Stein. Er zeigte seine nachdenkliche, sensible Seite nur nicht so gerne. Diese bekamen nur ausgewählte Menschen zu sehen, und das dann auch nicht besonders oft.

„Benni, also irgendwie gefällst du mir heute gar nicht", sagte Eva, als sie wieder auf dem Heimweg waren.
Sie fuhren durch die Berliner Innenstadt und zum ersten Mal fiel Benni so richtig auf, wie viele einschlägige Örtlichkeiten es hier gab, wo man mit ein paar Scheinen seine Lust befriedigt bekam.
„Wieso?", fragte er, während er zum zweiten Mal versehentlich fast eine rote Ampel überfuhr und eine amtliche Vollbremsung hinlegen musste.
„Du bist überhaupt nicht richtig da", sagte Eva, als sie sich an ihrem Sitz festkrallte. „Woran denkst du denn die ganze Zeit?"
„Eva, es ist nichts. Ich bin einfach nur im Stress. Ich hab jetzt mittlerweile ziemlich viel als Manager zu tun und so, und diese ganzen Finanzdinge nehmen mich viel mehr ein, als ich vorher gedacht hätte."
„Achso, na dann", sagte sie gähnend und schaute in die klare Berliner Nacht hinaus.
Irgendwas war faul an seinem Verhalten. Aber Eva wollte einfach nichts einfallen, was ihn so beschäftigen könnte. Vielleicht nahm ihn ihr Streit vorher am Abend doch mehr mit, als er zugeben wollte, was sie dann doch ziemlich süß fand.

Zuhause angekommen, beschloss Eva, ihren Benni ein wenig mit Sex aufzuheitern. Direkt im Aufzug hatte sie schon damit begonnen, ihn stürmisch zu küssen. Er wehrte sich erst ein wenig, da er angeblich müde war, aber Eva wollte das natürlich nicht auf sich beruhen lassen.
Sie hatte heute extra ein wenig mehr Zeit als sonst im Bad verbracht, bevor sie losgegangen waren und außerdem trug sie die rote Spitzenunterwäsche, die ihm eigentlich immer am besten an ihr gefallen hatte. Also ließ sie sich nicht von seinen halbherzigen Versuchen der Gegenwehr beeindrucken und zerrte ihn direkt mit sich ins Schlafzimmer, wo sie ihm sofort einen Schubs aufs Bett gab.

„Eva, ich bin total müde... können wir nicht einfach...", protestierte Benni und versuchte, sie etwas von sich weg zu schieben. Er lag mit dem Rücken auf seinem himmlischen Wasserbett und wollte jetzt nichts weiter tun, als völlig unter der Bettdecke zu verschwinden, in der Hoffnung, damit die Welt und seine eigenen Gedanken aussperren zu können. Er war sich ziemlich sicher, dass er nach einem langen Schlaf die Dinge morgen wieder anders sehen würde. Am nächsten Tag war doch eigentlich immer alles halb so dramatisch, wie man am Vortag noch gedacht hatte. Vielleicht wäre es mit dieser Angelegenheit hier ja genau so.

„Pssst", zischte sie und hielt ihm die Hand vor den Mund, während sie sich auf ihn drauf setzte. „Das heitert dich doch sonst auch auf. Was immer mit dir los ist mein Schatz, danach geht es wieder", säuselte sie dann, während sie ihm die Hose runter zog.

Benni beschloss, die Sache über sich ergehen zu lassen. Erstens hatte er keinen Bock auf eine Diskussion, und zweitens würde ihn der Sex vielleicht so sehr erschöpfen, dass er direkt einschlief und den Tag erst mal hinter sich lassen konnte.
Außerdem war es mit Eva ja in der Regel doch ziemlich gut und als sie kurz darauf tatsächlich seinen Schwanz bis zum Anschlag in ihrem rot geschminkten Mund hatte, war die Angelegenheit dann doch ganz schön okay.

„Geht doch", murmelte sie, als sie sich zufrieden seinen Ständer anschaute.
Doch als Eva dann ihr Kleid auszog und ihm ihre rote Spitze präsentierte, ging auf einmal gar nichts mehr.
Eigentlich brachte ihn dieses Dessous immer und ausnahmslos verlässlich in Fahrt, doch so sollte es heute nicht sein. Sofort schoss ihm das Bild von einer Nutte in den Kopf, die sich vorhin ebenfalls in der Bar des Bordells aufgehalten hatte. Sie hatte Unterwäsche getragen, die fast genau so aussah, wie diese hier.
Sofort fühlte Benni sich wieder schlecht und er konnte unmöglich mit seiner Freundin schlafen, die gerade seinen Schwanz, der ein paar Stunden zuvor noch im Mund einer anderen steckte, zwischen den Lippen hatte. Er hatte sich danach nicht mal gewaschen und vermutlich kam Eva jetzt mit irgendwelchen Bakterien von der Hure in Kontakt. Der Gedanke ließ ihn erschaudern und es fehlte nicht mehr viel dazu, dass er sich übergeben müsste.

Warum beeinflusste so ein dämlicher Puffbesuch auf einmal sein Leben? Er fühlte sich unwohl und wollte sich jetzt nur noch anziehen. Er konnte unmöglich in Stimmung kommen, wenn er in Gedanken eine Nutte, die gleich angezogen war wie Eva, vor sich sah.
Er konnte das jetzt nicht durchziehen, wenn er daran dachte, dass er sie fast mit so einer Nutte betrogen hatte.
Denn auch, wenn die Beziehung bei weitem nicht perfekt war, war sie für ihn immer noch gut genug, um daran festzuhalten. Auch, wenn er es oft selbst nicht verstand, konnte er sich doch noch kein Leben ohne Eva vorstellen.

„Benni?", fragte Eva etwas irritiert, als sie Bennis Erektion beim kontinuierlichen Schrumpfen zusah. Sie unternahm noch ein paar verzweifelte Versuche, ihn wieder hochzubekommen, dann ließ sie jedoch ratlos von ihm ab.
Was war denn heute bloß los mit ihm? Das musste sie unbedingt herausfinden.
„Ich hab doch gesagt, ich bin einfach nur gestresst", sagte er leise und peinlich berührt.
Er konnte ihr ja wohl nicht den wahren Grund für sein kleines Versagen verraten. Und jetzt dachte sie bestimmt, er bekäme in seinem zarten Alter schon die ersten Erektionsprobleme.

Benni sah Eva noch dabei zu, wie sie wortlos das Schlafzimmer verließ. Er sollte sich einfach nicht so viele Gedanken machen, fand er. Im Grunde war doch gar nichts gelaufen, da im Bordell.
„Ach fuck", stöhnte er verzweifelt in sein Kissen, als ihm die Bilder wieder in den Kopf kamen. Natürlich war da was gelaufen. Irina hatte seinen Schwanz im Mund gehabt. Wenn auch nur kurz, aber er war dort. Das war eindeutig Betrug. Er selbst sah ja schon rot, wenn er sich vorstellte, dass seine Freundin einen anderen küssen würde. Eigentlich war für ihn sogar anzügliches Flirten per Handy schon inakzeptabel.
So ruppig er sich manchmal auch verhielt, aber untreu war er in seinen paar bisherigen Beziehungen noch nicht gewesen. Und dass das nun nicht mehr so war, setzte ihm mehr zu, als er je für möglich gehalten hatte. Es war die reinste Qual.

Eva kam wieder ins Schlafzimmer zurück und hatte ihren dicken, flauschigen Schlafanzug an. Diesen trug sie immer nur, wenn sie niedergeschlagen war. Umso beschissener fühlte er sich dabei, als er ihr jetzt sagte, dass er nochmal weg müsse.

„Wo willst du denn jetzt noch hin?", nuschelte sie in ihr Kissen.
„Sorry, aber ich muss noch zu Lukas. Der hat morgen ein Interview, das hat er ja bisher noch nicht so oft gemacht und das hab ich total vergessen. Ich muss noch ein paar Fragen mit ihm durchgehen, weil... er ist immer so aufgeregt und weiß nicht, was er spontan sagen soll. Deshalb machen wir vorher oft untereinander so etwas wie ein Probeinterview und ich muss ihm dann sagen, ob seine Antworten einigermaßen gehen", stotterte er hektisch herunter.
„Aha", meinte Eva nur und drehte sich auf die andere Seite.
„Es dauert bestimmt nicht lange, okay?", sagte er, während er sich schon wieder die Jacke anzog.

Als er aus der Tiefgarage herausfuhr, hatte er einzig und alleine die Hoffnung, dass Eva nicht irgendwie herausbekam, wo er jetzt in Wahrheit hinging.

Mädchen, mach die roten Lichter aus!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt