Die Eintönigkeit

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Berlin, im April 2012


„So, dann wollen wir mal", murmelte Benni, während er die Wohnungstür aufschloss. Eva kam ihm direkt in einem knallengen, knallroten Cocktailkleid und bis an die Schmerzgrenze aufgestylt entgegen gestöckelt.
„Wir wollten um einundzwanzig Uhr fahren, wie immer", sagte sie mit einem nicht zu überhörenden, giftigen Unterton in ihrer schrillen Stimme.
Konnte diese Frau nicht einfach mal normal reden? Wer sagte denn schon „einundzwanzig Uhr", wenn es neun Uhr am Abend war? Er warf einen Blick auf seine neueste Rolex und stellte fest, dass diese gerade mal drei Minuten nach NEUN zeigte.
„Na komm schon mit, Weib", sagte er aber so sanft, wie möglich.

Beim gleichen Italiener wie immer angekommen, saß Benni Eva gegenüber und schaute ihr innerlich bebend beim Studieren der Karte zu. Er hatte sich bereits vor einer guten viertel Stunde für sein Steak entschieden und sie blätterte immer noch mit spitzen Fingern in der Karte herum. Und blätterte und blätterte und blätterte.
Sie würde wie immer die gleiche Pizza Funghi nehmen. So war es ja schließlich jedes einzelne Mal, wenn er mit der gleichen Frau zur gleichen Zeit in das gleiche Restaurant ging. Sogar der gleiche Kellner wie bei den letzten vier Malen stand nun vor dem gleichen Tisch, an dem sie schon unzählige Stunden gesessen hatten.
Während Benni sich seine Freundin so betrachtete, wurde sein Kopf so rot, wie das Kleid, das diese anhatte. Sollte das denn wirklich das Leben sein? Er sollte als Mitglied von Plan B auch privat ein aufregendes Leben führen, fand er. Das bedeutete für ihn Saufen, Drogen, Partys! Jeden Tag ein anders Weib ficken, mit Geld um sich schmeißen, eben den Herrn einen guten Mann sein lassen!
Stattdessen drohte er, in einem Meer aus Gleichheit zu versinken.

Der Kellner, bei dem Benni schon mit geschlossenen Augen hätte aufzählen können, wo genau in seinem Gesicht er Leberflecke hatte, riss ihn aus seinen Gedanken, die ihm das Gefühl gaben, in Treibsand zu stehen. In Treibsand, der aus lauter symmetrischen und absolut gleichen Sandkörnern bestand, die ihn gänzlich zu verschlucken drohten.

„Haben sie gewählt?", fragte der Kellner ihn mit nasaler Stimme.
„Steak mit Pommes. Kein Salat. Sie nimmt die Pizza Funghi."
„Ach Schatz, du kennst mich zu gut", säuselte Eva lächelnd und drückte seine Hand, mit der er sich an der Tischkante abstützte.
Die Bestellung wurde mit dem immer gleichen Stift auf den immer gleichen Block geschrieben und der Kellner verschwand durch die gleiche Tür... wie immer.

In Gedanken ging Benni ein paar Sätze durch, die er jetzt gerne zu Eva sagen würde: Du Schatz, ich habe nachgedacht... Eva, ich muss dir was sagen... Ey, hör mal... Wir haben uns auseinander gelebt... Ich will nicht mehr mit dir zusammen sein ...Ich halte diese Scheiße nicht mehr aus... Es wäre wohl besser, wenn wir einen klaren Schnitt machen... Sorry, ist halt so... Du kotzt mich an!

Wieder wurden seine Gedanken unterbrochen. Diesmal von Evas schriller Stimme. „Wie dein Tag war, hab ich gefragt!"
„War okay", gab er zurück und verfiel wieder ins Schweigen.
„Geht es nicht noch ausführlicher? Kannst du vielleicht langsamer sprechen? Ich komme ja kaum mit", stichelte sie.
Benni lächelte sie so freundlich an, wie er konnte. In früheren Zeiten hätten sie sich jetzt einen kleinen aber feinen Schlagabtausch geliefert und am Ende sogar darüber gelacht. Sie war eigentlich gar nicht so zickig, wie ein Beobachter das jetzt denken würde. Irgendetwas hielt ihn davon ab, sie einfach abzuschießen. Könnte eventuell diese Sache sein, die man Liebe nannte.
„Ich war mit den Jungs im Puff, die Schnallen für die Release-Party aussuchen", sagte er.
„Gott", stieß sie aus und patschte ihre Hand auf ihr Herz. „Rede doch noch etwas lauter!"
„Uns hört doch eh keiner zu. Willst du jetzt wissen, wie mein Tag war, oder nicht?"
„Ja, will ich. Aber rede leise!"

Rede leise, kau leise, stöhn nicht so laut, mach die Zahnpastatube zu, nicht mit den Schuhen aufs Sofa, klapp die Klobrille runter, kotz nicht vom Balkon, zieh kein Kokain vom Couchtisch...
Jedes. Mal. Das. Gleiche.




Mädchen, mach die roten Lichter aus!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt