Der Zweifel

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Berlin, im März 2012

Benni ging seufzend in die Wohnung hinein und streifte sich direkt seine neuen Schuhe ab, die er fein säuberlich in dem hölzernen Schuhregal platzierte, das in seinem hellen, weitläufigen Flur stand. Dann zog er sich seinen Mantel aus, den er zu all den anderen Mänteln und Jacken teurer Labels an die Garderobe hing. Abschließend streifte er seine Rolex vom Handgelenk und legte sie in eine kleine Schale, die unter einem großen Spiegel stand. Er ging nicht an diesem Spiegel vorbei, ohne einen kurzen, selbstverliebten Blick hinein zu werfen.

„Bist du auch schon da?", fragte Eva trocken und warf ihm einen missbilligenden Blick zu, als er nach seinem kleinen Ritual das große, modern eingerichtete Wohnzimmer betrat. „Wir wollten essen gehen, klingelt da was?"
Es klingelte in der Tat nicht wirklich bei ihm. Er konnte sich zwar noch dunkel daran erinnern, dass sie irgendwas gemeinsam geplant hatten, aber dass sie essen gehen wollten und das auch noch heute, sagte ihm gerade nichts. Warum ärgerte sie sich jetzt so darüber? Dann würden sie eben morgen gehen. Hatte sie vielleicht Geburtstag oder so was?
Wegen sämtlicher Kleinigkeiten schrieb sie ihm auch ständig Nachrichten, dann hätte sie ihn eben früher am Tag daran erinnern sollen, wenn es ihr so wichtig war, dachte er sich schulterzuckend. Damit war das Thema auch schon für ihn erledigt.

„Sorry, habs halt vergessen", meinte Benni gleichgültig und setzte sich neben sie aufs Sofa.
„Dass ich die ganze Wohnung aufgeräumt und geputzt habe, fällt dir wohl auch nicht auf", sagte sie wie beiläufig und in einem sehr schnippischen Ton.
Benni lagen allerhand Antworten auf der Zunge, er verkniff sie sich jedoch alle. Schon tausend mal hatte er ihr gesagt, dass er für solch niedere Tätigkeiten eine Putzfrau anstellen wollte, aber sie hatte es jedes mal abgelehnt. Dann war sie ja wohl selbst daran schuld, dass sie das Gefühl hatte, sie müsse hier für Ordnung sorgen. Warum bestand sie dann darauf, für etwas gelobt zu werden, was er nie von ihr verlangt hatte?

„Ich frage mich manchmal echt, warum ich überhaupt noch mit dir zusammen bin", sagte sie und verschränkte beleidigt die Arme. Das wäre jetzt einer der Zeitpunkte gewesen, um die Sache endlich beenden zu können. Aber nicht heute. Nicht nach diesem erfolglosen Tag.
„Weil du mich liebst", antwortete er ihr, griff nach der Fernbedienung und schaltete den Schnulzenfilm weg, den sie sich gerade angesehen hatte.
„Liebst du mich denn überhaupt noch?", fragte sie und begann plötzlich, zu schluchzen. Auch wenn Benni das nicht zugeben wollte, aber auf weinende Frauen kam er so gar nicht klar und er wollte stets, dass sie ganz schnell wieder damit aufhörten. Darum rutschte er zu ihr rüber und legte ihr seinen Arm um die Schultern.
„Natürlich lieb ich dich, ich bin heute einfach nur scheiße gestresst, okay?", antwortete er in einem butterweichen Ton, der sie jedes mal aufs Neue in sekundenschnelle wieder in ein zartes, schnurrendes Kätzchen verwandelte.

„Was hat dich denn so gestresst?", fragte sie und wischte sich schnell die letzte Träne aus dem Augenwinkel.
„Wir überlegen gerade, was wir auf der „Ab 18"-Party abziehen sollen, aber es fällt keinem was vernünftiges ein. Scheiße ey, wir hätten uns das vorher überlegen und erst dann ankündigen sollen, dass etwas total krankes passiert. Ändern können wir das jetzt wohl nicht mehr, ist schon alles online", seufzte er und stützte seinen Kopf mit einer Hand ab.
„Euch fällt schon noch was ein", meinte sie aufmunternd. „Hast du Hunger?"
Was war denn das schon wieder für eine Frage? Natürlich hatte er Hunger. Er hatte immer Hunger.
„Rate mal."
Von ihrem kleinen, zickigen Anfall gerade war nichts mehr zu sehen oder zu hören. Stattdessen stand sie auf und lächelte ihn zuckersüß an. „Ich mach dir was, bleib einfach hier sitzen", flötete sie und verschwand in der Küche.
Als ob er irgendetwas anderes vorgehabt hätte.

Einen kurzen Moment später kam sie mit einem kühlen Bier wieder ins Wohnzimmer zurück und drückte ihm dieses in die Hand. Er nahm es mit einem leichten Nicken entgegen und widmete sich weiter dem Fußballspiel, welches auf dem Großbildfernseher lief. Erst, als er in der Küche die Töpfe klappern und das Fett brutzeln hören konnte, entspannte er sich vollends.
Vielleicht hatte das Leben mit einer Frau ja doch mehr Vor- als Nachteile? Er wollte sich das mit der Trennung definitiv nochmal durch den Kopf gehen lassen, bevor er es zu überstürzt durchziehen würde.
Während er sein Bier trinkend auf den Bildschirm starrte, dachte er für einen kurzen Moment darüber nach, vielleicht mal etwas netter zu ihr zu sein. Das wäre ja schon irgendwie fair, denn sie gab sich schon ziemlich viel Mühe, um ihm das Leben schön zu machen. Das musste er ihr schon lassen. Auf der anderen Seite hatte sie ihn nicht anders kennengelernt, als er heute war. Es hatte sie damals offenbar nicht gestört, dann musste er sich doch jetzt nicht den Umstand machen, sich für sie zu verbiegen.
Als er wieder bewusst auf das Fußballspiel achtete, fiel ihm auf, dass er verpasst hatte, wie ein Tor gefallen war. Genervt knallte er die Flasche auf den Couchtisch. Das hatte man also davon, wenn man sich zu viele Gedanken um diesen bescheuerten Gefühlskram machte!

Mädchen, mach die roten Lichter aus!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt