Die Verzweiflung

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„Na, wie läuft es mit Eva?", fragte Timi an Benni gerichtet, als sie ein paar Tage später zusammen auf dessen Dachterrasse die letzten warmen Sonnenstrahlen des Jahres auf ihre Körper scheinen ließen.
„Ist okay", antwortete Benni und schnipste seine Zigarette auf den Boden, zu faul, um zum Aschenbecher rüber zu gehen, der vielleicht zwei Meter weit weg von ihm auf einem kleinen Glastisch stand. Die Putze würde sowieso morgen früh wieder kommen und eigentlich war die Wohnung gerade so sauber, dass sich ihr Kommen ohnehin kaum rentierte.

Nachdem Benni vor wenigen Tagen so übereilt aus dem Schlafzimmer gestürmt war, um ins Bordell zu gehen, war Eva im Anschluss eine ganze Weile über ganz schön zickig gewesen. Aber wie so oft zuvor schon konnte er sie mit einem Armband wieder ein bisschen beruhigen und statt ihn bei jeder Gelegenheit dumm anzumachen, ignorierte sie ihn nun stattdessen. Da Benni derzeit sowieso eine Menge zu tun hatte, machte ihm das sogar gar nicht mal so viel aus.

„Ja wie, ist okay?", fragte Timi nach, völlig irritiert darüber, wie man so von seiner Beziehung sprechen konnte. „Sag mal, ich will jetzt nichts falsches sagen, aber... hat das noch so viel Sinn mit euch zwei? Wenn man euch zusammen sieht, wirkt das nicht besonders liebevoll. Und du redest auch nie von ihr, wenn sie nicht da ist."
Benni seufzte und goss sich einen großzügigen Schluck des teuren Vodkas, der vor den beiden auf dem Tisch stand, in sein Wasserglas.
„Ach Timi, weißt du... wenn man schon so lange zusammen ist, ist das eben so."
Timi nahm sich ebenfalls noch ein bisschen Vodka nach und kippte den schnell runter, während er schon fieberhaft überlegte, was er schönes für seine Sophie machen könnte, sobald er wieder in Bielefeld war. Er wollte nämlich auf keinen Fall, dass seine Beziehung nach zwei oder zweieinhalb – Benni konnte den genauen Zeitraum nicht einmal benennen! - auch nur im entferntesten so aussehen würde.

„Na, aber so lange seid ihr doch noch gar nicht zusammen", murmelte Timi vorsichtig vor sich hin.
Benni schlug mit seiner Faust auf den Tisch, sodass die Gläser gefährlich zu wackeln begannen. „Hör mal, ich bin zufrieden mit meiner Beziehung, okay?", blaffte er.
„Sieht aber anders aus", sagte Timi und hielt sein Glas fest, damit es nicht runter fiel.
„Reden wir jetzt über Business oder willst du weiter den Hobby-Domian spielen? Nur weil du seit ein paar Wochen mit so ner Ollen zusammen bist, brauchst du dich hier jetzt nicht zum Liebesexperten ernennen, okay?"
Timi stand empört auf und spürte seine Halsschlagader pochen. „Sophie ist keine Olle, okay? So kannst du meinetwegen über deine Freundin sprechen, aber nicht über meine!"

Benni sah der kleinen Zicke Timi noch nach, wie sie beleidigt durch sein Schlafzimmer stapfte, dann stand er ebenfalls auf und lehnte sich mit dem Bauch ans Geländer, um seinen Blick über das herbstliche Berlin schweifen zu lassen.
Eigentlich wusste er ja selbst, dass seine Beziehung nicht mehr die beste war. Vielleicht war sie das ja sogar noch nie gewesen.
Die Blätter, die da so bunt von den Bäumen fielen, waren wohl das Sinnbild für seine Liebe mit Eva. Sie hatte sich recht schnell entwickelt und auch eine Zeit lang wunderschön geblüht, doch nach und nach löste sich alles auf. Irgendwann würde sie, genau so wie diese Herbstblätter, in einem Straßengraben liegen und vor sich hin faulen, bis nur noch ein undefinierbarer Matsch übrig blieb. Sie würde irgendwann ganz weg sein und ihn so leer zurücklassen, genau so wie die Blätter im Winter die Bäume kahl zurückließen.

Benni fühlte sich ziemlich beschissen und das gefiel ihm so gar nicht. Zum einen war da der immerwährende Stress mit Eva, von dem er selbst nicht wusste, warum zur Hölle er sich den noch immer antat. Zum anderen war da noch immer das schlechte Gewissen, das er im Bezug auf Irina hatte. Doch er wusste in beiden Fällen nicht, was er dagegen tun könnte.
Er wollte sich nicht von Eva trennen. Wenn sie sauer war, war sie ein unangenehmer Mensch, das war schon wahr. Doch auch, wenn ihm das keiner so recht glaubte, liebte er sie doch noch genug, um sie nicht rauswerfen zu können. Er konnte nur nicht so recht erschließen, ob das wirklich noch Liebe war, oder bloß Gewohnheit, die ihn mit ihr zusammenhielt.
Er war nie ein Mensch gewesen, der an die alles verzehrende, romantische Liebe geglaubt hatte. Eine Frau war für ihn höchstens eine Ergänzung, aber niemals ein Lebensinhalt, ohne den er nicht mehr konnte. Und so sollte es doch auch im Idealfall sein, fand er.

Mädchen, mach die roten Lichter aus!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt