Kapitel 47

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Als am nächsten Morgen der Alarm ertönte und mich unsanft aus dem Schlaf riss stöhnte ich genervt und stand auf. Ich löste meinen Zopf und richtete meine Haare bevor ich sie wieder zusammen band.

"Hi", hörte ich jemanden hinter mir sagen.
Ich drehte mich um und sah zum oberen Bett, auf dem ein kleines Mädchen saß, dass mir ziemlich bekannt vorkam.

"Hey", gab ich nur zurück und setzte mich auf den Tisch. Ich betrachtete das Mädchen noch ein bisschen eh ich wieder das Wort ergriff.
"Du siehst ziemlich jung aus. Was machst du in Arkham?", fragte ich.

Sie lächelte ein bisschen. "Meine Zeit absitzen"
"Wie alt bist du, wenn du mir die Frage gestattest?", fragte ich überhöflich.
"Vierzehn"
"Du kommst mir irgendwie bekannt vor. Wie heißt du?"
"Sag mir erst, wie du heißt"
Ich grinste ein bisschen und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Clarke", sagte ich und sah wieder zu ihr.
"Jill"
"Kann es sein, dass wir uns schonmal begegnet sind?"

Jill nickte und sprang vom Bett.
"Die Aktion ist ein wenig nach hinten losgegangen aber trotzdem danke, dass du versucht hast, mir zu helfen", sagte sie und bestätigte meine Vermutung.

"Bist du schon lange hier?"
"Zwei Wochen"
"Schon Feinde und Freunde?"
"Nein, ich verbringe die meiste Zeit in der Zelle, weil ich mit den meisten Häftlingen eher wenig zu tun haben will"

Ich nickte und ging zur Tür.

Jill und ich gingen schnell duschen und danach wieder zur Zelle.

"Was ist mit deinem Rücken?", fragte sie mich als die Tür wieder zu war.

Ich drehte mich zu ihr. "Halb so wild"

"Halb so wild? Du siehst aus als wärst du in Farbe gefallen"

"Ich wurde nur zusammengeschlagen"

"Nur", sagte sie sarkastisch.

"Ein gut gemeinter Rat meinerseits. Misch dich lieber nicht in anderer Leute Angelegenheiten ein"

Jill nickte vorsichtig und sah etwas beunruhigt aus.

"Komm, wir gehen essen", sagte ich und ging zur Tür. Jill folgte mir.
Zusammen gingen wir zur Kantine und nahmen uns was zu essen.

Wir setzten uns an einen Tisch in der Mitte des Raumes, an dem bereits ein muskulöser Mann mit Bart und langen Haaren saß.

Jill wirkte etwas nervös, weshalb ich mich neben den Mann setzte und sie sich gegenüber von mir.

Nach dem Essen gingen wir nach draußen und setzten uns auf eine Bank in der Nähe des Basketballfeldes.

"Eigentlich fragt man sowas nicht, aber wieso bist du in Arkham?", fragte ich.

"Ich erzähl's dir, wenn du mir sagst, wieso du zusammengeschlagen wurdest"

Ich seufzte lächelnd. Jill war zwar jung, aber nicht dumm.

"Ich hab Stress mit Twoface und wurde auf der Straße von ein paar Killern angegriffen. Gestern hatte mir dann noch jemand in den Rücken getreten, was das ganze wahrscheinlich noch ein bisschen verschlimmert hat, aber es ist aushaltbar. So, und jetzt du"

"Du weißt ja noch, damals, Scarecrow hatte uns in ein altes Krankenhaus gebracht. Später kamen ein paar Polizisten und haben uns geholfen und du konntest flüchten, ja? Als ich dort war hatte ich dieses Gas einatmen müssen. Er wollte testen wieviel ich aushalte und hat gleich mit einer hohen Dosierung angefangen. Als Polizisten den Raum stürmten, war er schon weg und ich wurde nach unten zu einem der Streifenwagen gebracht. Nur Minuten später hatte ich dich auf dem Dach gesehen. Ich wurde ins Krankenhaus gebracht und musste ein paar Wochen dort bleiben und zu Therapiestunden gehen. Als ich dann nachhause kam hatte ich mir vorgenommen, mich an Scarecrow zu rächen. Ich hab angefangen Informationen über ihn zu sammeln und hab jeden Zeitungsartikel an die Wand geklebt. Ich hab, ohne dass meine Eltern es wussten, angefangen Kämpfen zu lernen. Ein paar Monate später hatte ich dann eine Chance, mich an ihm zu rächen, aber das war ein bisschen schiefgegangen. Zwei von seinen Leuten hatten mich angegriffen. Ich hab bei der Auseinandersetzung die Waffe von einem der beiden genommen und ihn erschossen. Der zweite versuchte mir die Waffe abzunehmen aber ich hatte ihn im Affekt auch erschossen. Danach hatte ich die Waffe fallen lassen und lief weg. Zuhause wusch ich mir das Blut vom Körper und den Klamotten und ging in mein Zimmer. Am nächsten Morgen kam die Polizei zu uns. Sie hatten die Fingerabdrücke von der Waffe abgeglichen. Ich hab nichts abgestritten. Erst haben die mich einen Monat später in den Jugendknast geschickt. Nach ein paar Wochen kam ich dann frei, als ich einwilligte zu Therapiestunden zu gehen. Durch diese Aktion hatte ich aber Crane auf mich aufmerksam gemacht. Vor ein paar Monaten hatte ich einen erneuten Versuch gestartet. Das hatte auch nicht geklappt, aber diesmal hatte ich niemanden umgebracht. Ich bin geflohen und hab im Park übernachtet. Dort fanden mich ein paar Polizisten und brachten mich nachhause. Sie wollten wissen, wieso ich dort war, aber diesmal habe ich nichts gesagt. Ich hab alles abgestritten, aber als die Beweise nach ewig langer Zeit dann doch zu erdrückend wurden wurde ich verurteilt und nach Arkham gebracht. Seitdem bin ich hier"
"Du willst Scarecrow umbringen?"

Jill seufzte und schloss kurz die Augen.
"Ich weiß es nicht. Er hat's verdient, aber.."
"Du kannst es einfach nicht, ne?"
"Nein, ich mein.. Hast du schonmal jemanden getötet?"

Ich schüttelte den Kopf.

"Jede Nacht hab ich deren Gesichter deutlich vor Augen. Die haben sich in mein Gedächtnis gebrannt und ich werd sie nicht los. Schuldgefühle hab ich nicht mehr, aber.. Ach man.."

"Ich weiß, was du meinst.. Wenn er hier und jetzt vor uns auf dem Boden liegen würde und du hättest eine Pistole in der Hand, würdest du abdrücken?"

"Würdest du?"

"Genau, würdest du?", fragte jemand hinter mir, wodurch ich zusammenzuckte und mich schnell umdrehte.

Hinter uns stand der Mann, neben dem ich beim Essen saß.

"Was geht dich das an?"

"Man darf ja wohl mal fragen"

"Heißt nicht, dass ich antworte"

"Ich könnte ja raten"

"Da gibt's nicht viel zu erraten. Entweder töte ich ihn oder ich lasse ihn leben"

"Und wie tötest du ihn? Messer, Pistole, Ertränken, Erwürgen?", fragte er. Langsam wurde mir etwas mulmig zumute.

"Ich habe nie gesagt, dass ich ihn umbringe"

"Aber du willst es"

Mittlerweile sahen ein paar mehr Häftlinge zu uns und verfolgten die Konversation.

"Dass ich mich an ihm rächen will, bestreite ich nicht, aber das heißt nicht gleich, dass ich ihn umbringe", sagte ich und stand auf, wodurch ich fast auf Augenhöhe mit dem Mann war.

"Du hast ihn fast umgebracht"

"Und was geht dich das an?"

"Mehr als du denkst"

"Woher weißt du das überhaupt? Stalkst du mich?"

"Würdest du dich dann besser fühlen?"

"Schnauze. Halt dich fern von mir", sagte ich und griff nach Jills Arm.

Wir beide gingen zu unserer Zelle.

"Und deswegen will ich mit den Häftlingen nichts zutun haben. Der Typ ist doch krank"

"Und interessant. Was mich aber etwas beunruhigt, ist, dass er erstens weiß, wer ich bin. Zweitens konntest du deutlich erkennen, wie er kranke mörderische Fantasien hatte als er aufzählte, wie ich Crane umbringen könnte"

Jill seufzte und legte sich oben auf ihr Bett. "Ich hasse das Irrenhaus. Ganz ehrlich, mir war der Jugendknast lieber. Da waren nicht so viele Verrückte"

Ich schmunzelte ein wenig und legte mich auch hin.

Mittags stand ich dann auf um zum Essen zu gehen. Jill hatte keinen Hunger und wollte lieber in der Zelle bleiben.

In der Kantine nahm ich mir etwas zu essen und setzte mich ans Fenster. Kurz danach leistete mir Jack Gesellschaft und setzte sich neben mich.

"Ich hab dich da draußen beobachtet", sagte er und fing an zu essen.
"Wieso hast du mir nicht geholfen?"
"Weil du keine Hilfe brauchtest"
"Der Typ ist irre"
"Wieviel hat er von eurem Gespräch mitbekommen?"
"Weiß ich nicht genau. Wir hatten darüber gesprochen, ob wir Scarecrow umbringen sollten oder nicht", sagte ich etwas leiser damit es keiner außer ihm hörte. "Also nicht so als würden wir das machen wollen, sondern eher-"
"Ich weiß schon wie du das meinst", unterbrach er mich.
"Okay. Und im Laufe des Gesprächs hab ich das Mädchen gefragt, ob sie ihn jetzt umbringen würde, wenn sie die Chance dazu hätte. Sie hat mich dasselbe gefragt und da hat sich der Typ eingemischt"
"Mit solchen Gesprächen solltest du gerade hier vorsichtig sein"
"Weißt du vielleicht, wer dieser Typ ist?"
"Ein niemand, aber man mischt sich nicht grundlos in die Gespräche anderer Leute ein"

Tell me would you kill to save your lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt