Kapitel 19

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"Nun, nachdem deine Mutter deinen Vater geheiratet hatte, war sie bereits mit dir schwanger. Nach quälenden neun Monaten war es endlich soweit. Josh rief mich am 07. September 1998 um kurz vor 13 Uhr an und sagte, er und Liv seien im Krankenhaus. Ich war sofort unterwegs ins Krankenhaus und kam kurz nach deiner Geburt an, denn damals wohnte ich außerhalb der Stadt. Josh hielt dich im Arm und warst so süß. Als er mich sah, übergab er dich mir und ich war somit einer der ersten Menschen, der dich in den Arm genommen hat. Es war kleines Glücksgefühl. Ich habe seitdem jede Woche mindestens zweimal mit dir gespielt oder hab dich mit dem Kinderwagen ausgeführt, da deine Eltern arbeiten waren.
Nach knapp einem Jahr, ein Sonntagnachmittag, geschah dann der Unfall.
Ich war arbeiten, als mich um knapp halb sechs nachmittags Jake anrief. Er beschrieb mir kurz die Situation und sagte, ich solle mich auf dem Weg ins Krankenhaus machen. Ich ließ alles stehen und liegen und fuhr ins Krankenhaus. Erst dort erzählte mir Jake, dass Josh im Koma lag und Liv bereits tot sei. Tot. Dieses Wort hat mich umgehauen. Glaub mir Josette. Ich habe mich monatelang in den Schlaf geheult. Es ist unerträglich, wenn man einen so wichtigen Menschen verliert. Aber man lernt, den Schmerz zu verarbeiten. Nach zwei Monaten hatte ich es noch nicht verarbeitet, weswegen ich dann wegzog. Weg von dieser Stadt, weg von allem was mich an Liv erinnern könnte.
Und nun, 16 Jahre danach, habe ich beschlossen zurückzukommen, da ich nicht ewig davonrennen konnte. Ich bin letzte Woche in die Stadt gezogen, und sofort treffe ich auf dich."

Ich saß stocksteif da. Ich konnte es kaum glauben, Zack war ein Teil meines Lebens und des meiner Mutter. Wir saßen minutenlang still da, bis ich endlich die richtigen Worte herausbrachte.

"Zack, ich kann mir vorstellen, wie du dich gefühlt hast. Ich verstehe auch, wieso du aus der Stadt rauswolltest. Nun bist du wieder da, hast mir alles erzählt was ich wissen muss über meine Vergangenheit und ich bin mir total dankbar dafür."

Ich stand auf und umarmte ihn.
"Du hast genau den gleichen Charakter wie deine Mutter. Sie hat mich genauso umarmt", sagte Zack und lächelte,"Weißt du Josette, solange du hier bist, fühlt es sich an, als würde ich meine Jugend mit Liv nochmal erleben. Du hast viel von deiner Mutter geerbt. Ihr Gesicht, ihr Charakter. Du bist freundlich, temperamentvoll, zart und süß. Ich sage dir eins: Genieße deine Jugend. Du weißt nie was als nächstes passiert. Lebe im Hier und Jetzt."
Er gab mir einen Kuss auf die Stirn.

Ich lächelte und nickte. Er war bereits wie ein Vater für mich.
Ich schaute auf die Uhr.
"Oh tut mir leid Zack. Ich muss wieder los. Hab gleich Unterricht", sagte ich.
"Auf welche Schule gehst denn du?", wollte er wissen.
"Auf die 'South High Academy Miami' 10 Minuten von hier", antwortete ich.
"Ach, ja die kenne ich. Der Sohn meines Kumpels geht auch drauf. Nick. Hey, ich glaube er war sogar dein Kindergartenfreund, hat Jake mir erzählt", antwortete Zack.
"WAS? Wie Kindergartenfreund?"
"Na, ihr wart im Kindergarten die besten Freunde. Unzertrennlich. Heute ist er 18. Kennst du Nick Robinson nicht mehr?"

Ich war wieder geschockt. Nick! Er war mein Kindergartenfreund. Wir waren Kumpels. Deswegen kam mir sein Gesicht so bekannt vor.

Ich ließ mir nichts anmerken und sagte:"Ne, aber jetzt erinnere ich mich. Ich muss jetzt los. Tschüss und danke für den Vormittag."
Zack lächelte und ich lief zur Akademie.

Der Rest des Tages schleierte an mir vorbei wie Nebel.
Dauernd musste ich an das Gespräch mit Zack denken.
Erst Monique, dann Zack. Ob es noch mehr ehemalige Klassenkameraden von meiner Mutter gab?

Am Abend saß ich im Zimmer und lernte für die nächste Prüfung, was mir nicht so gelang.

"Okay, was ist los?", fragte Leanne, die auf ihrem Bett saß und auf ihrem Handy rumscrollte.
"Nichts", antwortete ich.
"Doch. Du bist schon den ganzen Tag so verklemmt. Seit dem Nachmittagsunterricht. Ist was während der Mittagsruhe passiert?"

Ich seufzte. Dann sagte ich:"Ich hab einen ehemaligen Klassenkameraden meiner Mutter getroffen. Er hat wilde Geschichten über seine Jugend mit Mom und Dad erzählt."
"Ah. Und deswegen bist du so abwesend", stellte Leanne fest,"Ich sage nicht dass du es vergessen sollst, aber die Prüfung ist momentan ziemlich wichtig. Sie macht die Hälfte der Zeugnisnote aus."
Ich nickte zustimmend und verdrängte erstmal für den Rest des Abends den Gedanken.

Aber fertig war ich immer noch nicht. Er ist wie Monique. Er konnte mir so vieles über Mom und Dad erzählen, aber ich konzentrierte mich erstmal auf die Prüfung.

In der Nacht wachte ich auf.
Ich saß noch am Schreibtisch, meine Hefte aufgeklappt. Alles war dunkel und ich hörte leises Atmen von Leanne und Caprice, die wohl später gekommen war. Ich musste also eingeschlafen sein.

Ich schaute auf die Uhr. 6:07 Uhr. Da es langsam Winter wurde, war der Himmel noch dunkel.

Schlafen lohnte sich nicht mehr, weswegen ich leise rausschlich und die frische Morgenluft einatmete.

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