-Teil 26-

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An diesem Freitag war ich früh zu Bett gegangen, komplett verwirrt und überfordert von Logan, Felix, Adam, Vanessa und auch von Lilly. Sie alle hatten sich so eigenartig benommen. Und ich fragte mich ob ich auch so werden würde, wenn ich erwachsen war. Eigenartig. Denn irgendwie kamen mir doch alle Erwachsenen so vor. Schließlich waren die Fünf ja nichts anderes, als das. Mit Ausnahme von Logan vielleicht, aber auch der würde bald siebzehn werden und war somit so gut wie erwachsen. Naja und ich? Ich war ein Kind. Und dafür war ich auch ziemlich dankbar. Denn wenn erwachsen sein bedeutete, dass man eigenartig wurde, undurchsichtig und kompliziert, dass dann alles schwerer wurde, bei bestem Willen, aber dann wollte ich nicht erwachsen sein.

Das spielte jedoch gerade keine große Rolle. Da ich so früh zu Bett gegangen war, war ich bereits um 07:00 Uhr auf den Beinen. War schon fertig geduscht und hatte mich umgezogen. Es war Samstag und Lilly hatte mir berichtet, dass sie heute kurzfristig einen Auftritt hatten. In irgendeiner kleinem abgelegenen Café. Aber das interessierte mich nicht besonders. Ich hatte sie gebeten hier bleiben zu dürfen, daraufhin hat sie mir eine halbe Stunde lang geprädigt, dass sie alle auf mich aufpassen müssten und, dass sie mich unter gar keinen Umständen allein lassen könnten, dass ihnen der Kopf abgerissen werden würde, wenn mir etwas zustoßen würde und so weiter und so weiter. Schließlich hatte ich es aufgegeben.

Logan hatte ich nicht mehr zu Gesicht bekommen, seit er sich mit Vanessa verzogen hatte und ich hatte bewusst alle Gedanken an ihn aus meinem Kopf verbannt. Felix hatte angeboten noch einen Film anzusehen, ehe wir schlafen gingen und ich hatte mit Freuden zu gestimmt.

Nun war ich auf der Suche nach dem Balkon - den ich auch recht schnell gefunden hatte. Wir hatten im Wohnzimmer geschlafen, dort grenzte jedoch kein Balkon an. Die Tür des Gästezimmer war fest verriegelt. So blieb also nur noch Felix' Zimmer. Es war ein kleines, bescheiden eingerichtetes Zimmer. Abgesehen von einem Bett, einer Kommode und einigen gerahmten Bildern an den Wänden, war nichts besonderes zu entdecken.

Mit schnellen Schritten begab ich mich zum Balkon. Ich könnte etwas frische Luft echt gut vertragen, da ich das Haus aber nicht verlassen durfte, da es für mich ja zu gefährlich wäre, musste ich mich mit dem Balkon zufrieden geben. Zu meiner Überraschung, saß Felix bereits auf dem Balkon und rauchte, als er mich sah, drückte er die Zigarette zwar sofort, in dem Aschenbecher neben ihm aus, aber ich hatte es dennoch bemerkt.

"Warum bist du denn schon so früh auf?" fragte er mich nun überrascht.

Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. "Ich konnte nicht mehr schlafen. Kann ich mich zu dir setzen?"

Er nickte und machte Platz auf der kleinen Bank, die früher mal weiß gewesen sein musste. Ich ließ mich neben ihn auf die Bank fallen. Die Frage warum er denn so früh auf war, konnte ich mir sparen - den dunklen Ringen unter seinen Augen war zu entnehmen, dass er nicht geschlafen hatte. Noch so eine Sache die ich bei Erwachsenen nicht verstand - wie konnten sie ganze Nächte auf bleiben, ohne am nächsten Morgen total erschöpft zusammen zu brechen? Immer wenn ich mal eher unfreiwillig eine Nacht durchgemacht hatte, war ich danach immer total erschöpft gewesen und hatte den ganzen restlichen Tag geschlafen. Er jedoch schien kein Anzeichen davon aufzuweisen, dass er unausgeruht war und wenn er es doch war, war er ziemlich gut darin es zu kaschieren.

Lange saßen wir schweigend nebeneinander. Felix war schon immer ein guter Freund gewesen, er wusste wann er was zu sagen hatte und wann er eben nichts zu sagen hatte. Auch wenn ich anfangs nicht wusste was ich von ihm hatte denken sollen, mochte ich ihn jetzt jedoch sehr und war froh ihn zu meinen wenigen Freunden zählen zu dürfen.

"Was Adam da gestern zu dir gesagt hat, Aaron." brach er nach einiger Zeit die Stille. Er wartete gar nicht auf eine Antwort, sondern sprach sofort weiter. "Er hat nicht Unrecht. Logan ist schon lang mit Vanessa zusammen."

"Also, wenn du mich jetzt aufklären möchtest, kann ich dankend ablehnen. Die Geschichte von dem Bienchen und dem Blümchen hab ich schon lang hinter mir." grinste ich ihn entgegen. Das letzte was ich hören wollte, waren Geschichten über Logan und Vanessa.

"Ich hab bemerkt wie du ihn ansiehst." als hätte er meine Bemerkung überhört, sprach er weiter. Ohne jegliche, für mich erkennbare, Gefühlsregung in seiner Stimme. Etwas perplex starrte ich ihn an. Wie um alles in der Welt, sah ich ihn denn an? "Es muss hart sein, mit jemandem unter einem Dach zu wohnen, den man doch so sehr will aber nicht erreichen kann. Um nichts in der Welt. Und bei Logan muss man noch dazu ständig das Gefühl haben, nicht zu wissen wer er ist." er lachte kurz freudlos auf und in seinen Augen schien kurz etwas aufzublitzen. Verachtung, wie ich mit gemischten Gefühlen feststellte. Verachtung für Logan?  So schnell es gekommen war, war es jedoch wieder verschwunden, um darüber nachzudenken blieb mir auch keine Zeit, da er bereits wieder sprach. "Darf ich dir einen gut gemeinten Rat geben? Vergiss ihn. Vergiss Logan. Bleib sein Bruder, nicht mehr. Er würde dich nur verletzten, denn das ist es was er mit geliebten Menschen macht. Er verletzt sie. Ich bin mir gar nicht mal so sicher ob er das mit Absicht macht oder nicht. Aber der Punkt ist er macht es. Er bemerkt es wahrscheinlich selbst nicht einmal, er ist viel zu beschäftigt mit sich selbst. Wer kann es ihm verübeln?" er machte eine kurze Pause und sprach dann in einem genauso emotionslosen Ton, wie zu vor weiter. "Ich bin mir sicher, dass du es schon erfahren hast. Die Sache mit den Pillen die Adam ihm beschafft. Das hat uns alle ziemlich getroffen, immerhin haben wir ihn als einen Jungen kennengelernt, der nichts als Musik im Kopf hatte. Er war kaum wieder zu erkennen. Ich versuche ständig ihn zur Vernunft zu bringen aber ich glaube manchmal er hat sich selbst schon lange aufgegeben.. Was ich sagen will, falls du Gefühle für ihn hast - und ich weiß du hast sie - dann schlag sie dir aus dem Kopf, so hart es auch klingen mag. Er wird dich verletzen, wie er uns alle verletzt hat, mit seinem rücksichtslosem Verhalten. Ich glaube du könntest dem nicht standhalten, wo du ihn doch so bewunderst, deinen großen Bruder. Für die Schmerzen bist du definitiv noch zu jung. Für dich ist er wahrscheinlich der Größte. Du siehst zu ihm auf und tust alles was er verlangt, glaubst er würde das selbe für dich tun. Aber nach einer Weile.. Er wird eifersüchtig werden. Und wütend. So wie du schaust fragst du dich bestimmt, wie ich nur so von deinem Bruder reden kann, wo ich doch einer seiner engsten Freunde bin. Das kann ich dir gerne sagen, ich kenne ihn genauso gut, wie ich ihn leiden kann. Und ich kann ich sehr gut leiden." beendete er seinen 'Vortrag'  letztendlich. Ich schluckte ein paar mal. Meine Kehle war wie zugeschnürrt. Er konnte doch niemals über Logan reden. Das musste sich um einen blöden Scherz oder eine üble Verwechslung handeln! Aber andererseits, tatsächlich verhielt er sich oft ziemlich verletzend. Und die Sache, dass man nicht weiß wer er ist, dass traf auch zu.
"Du.. Du redest so, als.. als hätte er dir schlimmes angetan." murmelte ich schließlich.

"Kann man so sagen. Aber das gehört jetzt nicht hier hin." erwiderte er trocken.

Obwohl alle diese Dinge über meinen Bruder so furchtbar klangen, glaubte ich ihm doch jedes Wort, ohne zu zögern. Jedes einzelne verachtende Wort, dass Felix in den letzten Minuten geäußert hatte. Und schließlich fragte ich mich, ob es mich zu einem schlechten Menschen - einem schlechten Bruder - machte, dass ich ihm wirklich, ohne zu zögern glaubte, dass Logan niemals ein so guter Mensch gewesen war, wie ich es die meiste Zeit angenommen hatte.

Nächstes Update: 15. Dezember 2016

My new Brother [boyxboy] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt