-Teil 35-

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Als sich die Tür zum Gästezimmer das nächste mal öffnete, stand zu meiner Verwunderung Maik in dem Türrahmen. Er hatte die Hände in den Hosentaschen und wirkte irgendwie verlegen. Überrascht stellte ich fest, dass wir nie viel Zeit allein verbracht hatten.

"Sie sind jetzt los gefahren. Louis begleitet sie bis zum Bahnhof. Nimmt sich dann ein Taxi zurück. Ihm... Fällt der Abschied schwer." erklärte er, blickte dabei aber durchgängig auf den Boden.

"Ich weiß, dass sie nicht aufs Land fahren. Und ich weiß auch, dass Logan die Ferien nicht mit André verbringen wird. Spar dir deine Lügen, Maik." murmelte ich. Bereute meine Worte jedoch sofort. Ich sollte meine Launen nicht an ihm auslassen.

"Es liegt nicht in meiner Absicht, dich zu belügen." erwiderte er ruhig.

"Tut mir leid. Es ist ja nicht deine schuld, dass..." setzte ich an, unterbrach mich dann jedoch selbst. "Tut mir leid."

"Was ist nicht meine Schuld? Du hast dich gerade mit deinem Bruder unterhalten, oder? Er wirkte ziemlich aufgelöst. Und von dir kann man auch nichts anderes behaupten." er musterte mich skeptisch. Und besorgt. Jeder sah mich nur noch besorgt an.

"Logan scheint mir etwas kompliziert zu sein." erwiderte ich schließlich. Maik zögerte einen Moment, als würde er nach den richtigen Worten suchen.

"Im Grunde ist er ein guter Junge. Er ist nur... Wie du schon gesagt hast, kompliziert. Er ist schwer zu verstehen. Das war er schon damals." versicherte er mir.

"Als ich her kam, war er nicht so." murmelte ich in mich hinein. Ich spürte wie die Matratze neben mir etwas nach ließ und schaute Maik, der neben mir Platz genommen hatte, dann erwartend an.

"Selbstverständlich war er schon so, als du her kamst. Er war ja schon so, bevor er her kam. Logan ist einfach... Er zeigt einem nicht wie er ist, wenn er ihm nicht vertraut. Und selbst wenn, zeigt er nicht alles. Für ihn bedeutet es angreifbar zu sein, wenn er sich jemandem anvertraut. Also stößt er die Leute die er liebt und denen er vertraut weg. Er ist schwer zu begreifen. Es hat Jahre gekostet eine stabile Bindung zu ihm aufzubauen."

"Er hasst mich." murmelte ich mit Tränen in den Augen und bemerkte, dass sich ein Kloß in meinem Hals bildete.

"Dich hassen? Aaron, du gehörst zu seiner Familie. Er bringt seiner gegenüber Familie so viel Loyalität auf, dass er dich nicht mal hassen könnte, wenn er es wollte. Er würde uns allen in den Tod folgen, weil er es nicht erträgt auf sich allein gestellt zu sein. Er könnte dich - Nein, uns nicht hassen." er klang felsenfest davon überzeugt zu sein. Jedoch fiel es mir schwer, all diese Dinge in Logan zu sehen.

"Was macht dich da so sicher?" fragte ich schließlich. Amüsiert lachte Maik auf.

"Ich bin sein Onkel! Ich kenne doch meinen eigenen Neffen. Er ruft mich seit einigen Wochen regelmäßig an. Vorhin hat er erneut das Gespräch mit mir gesucht. Ich hab ihm geraten mit dir zu reden, bevor er fährt. Immerhin werdet ihr euch eine Weile nicht sehen."

"Über was hat er denn reden wollen?"

"Er... Er hat gesagt er ist etwas durcheinander, wegen den bevorstehenden Wochen. Und dass es ihn belastet, dass ihr euch nicht mehr so gut versteht. Er befürchtet du könntest den echten Logan nicht mögen." bei den Worten zögerte er ein wenig. Vielleicht hätte ich diese Frage ja nicht stellen dürfen. Das ganze war scheinbar ziemlich privat.

"Der echte Logan scheint mich zu hassen." stieß ich mürrisch hervor. Sofort biss ich mir auf die Lippe. Ich hörte mich ja an, wie ein bockiges Kleinkind.

"Ich hab doch gesagt, dass das nicht der Fall ist. Wenn er dir mit Wut, Spott und Distanz begegnet, ist das nicht mehr als ein Abwehrmeschanismus."

Es fiel mir mehr als nur schwer seinen Worten glauben zu schenken. Auf der einen Seite wurde mir berichtet, dass Logan mich verletzen würde - was auch eingetroffen ist - , auf der anderen Seite, dass er mich nicht hasste. Wem sollte ich denn da glauben schenken? Natürlich war da ja noch sein eigenes Verhalten, aber das war so sprunghaft, dass ich es bei bestem Willen nicht schaffte mir ein stabiles Bild von ihm zu machen.

"Du hast gesagt er ist eine ganze Weile weg." setzte ich zögernd an. "Das heißt ich hab recht, oder? Er fährt nicht aufs Land, sondern macht einen Entzug."

"Woher weißt du das?" fragte er seufzend.

"Ich... Es war eine Vermutung. Ich weiß, dass André nach London reist. Ich hab ein Telefonat mitbekommen." nuschelte ich.

"Ich schätze es bringt mir nichts, dich zu belügen. Ja, du hast recht. Was beides angeht. Aber erzähl es deiner Schwester nicht. Louis will es ihr in ein paar Wochen schonend beibringen. Es war Logans Wunsch, dass er dann nicht dabei sein wird. Er wollte auch, dass du es erst später erfährst."

"Warum?" zu meiner Überraschung hatte ich meine Stimme mittlerweile wieder unter Kontrolle und hörte mich nicht an wie ein Baby, dass gleich los weinen würde.

"Es ist ihm unangenehm genug, dass du ihn dabei erwischt hast. Er schämt sich so ein schlechtes Vorbild gewesen zu sein. Er sagte... Er hat gesagt, bis du ihn angeschrien hast, war ihm nicht bewusst was er getan hat. Natürlich kann er dir das nicht gestehen. Er hat es ja nicht mal Louis erzählt." er machte eine kurze Pause und zupfte nervös an dem Bettlaken. "Wir hoffen, dass es ihm danach besser geht."

"Werden wir ihn besuchen?" setzte ich an "Ich meine... Ist das erlaubt?"

"Ich bin mir nicht sicher. Aber Louis wird ihn da sicher nicht lassen ohne ihn zu besuchen. Aber... Logan hat sich gezielt dazu entschieden Weihnachten nicht mit euch zu verbringen. Hätte er den Entzug nicht zu diesem Zeitpunkt antreten können, wäre er tatsächlich mit André weggefahren. Bitte, hab jetzt kein schlechtes Gewissen aber das tut er wegen dir. Er sagte... Er wollte, dass dein erstes Weihnachtsfest schön wird. Und er hat sich in den Kopf gesetzt, dass es das mit ihm nicht wäre." antwortete er nach einer Weile.

"Ich hab das Gefühl, du redest über eine Person die ich nicht kenne."

Nächstes Update: 24. Dezember 2016

My new Brother [boyxboy] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt