-Teil 23-

8.9K 530 52
                                        

Anstatt auf mein Zimmer zu gehen, schlich ich mich auf Logans Zimmer. Ich wusste, dass man das eigentlich nicht macht, aber vielleicht würde ich etwas finden, was mich ihn besser verstehen lassen würde.

Auf den ersten Blick, war nichts zu sehen. In sein Zimmer war immer noch, das selbe Chaos wie zu vor schon. Überall lagen Notenzettel herum, zerrissen und zerknüllt. Es waren alles Lieder die er fabelhaft beherrschte. Bei einigen wusste ich, dass er sie übte seit er hier wohnte. Das hatte er mir mal erzählt. Hasste er das Spielen so sehr? Er war ein atemberaubender Spieler. Und seine Singstimme war auch traumhaft schön. Allgemein beneidetete ich ihn dafür, dass er so unglaublich musikalisch war. Wenn ich sang, klang es eher wie eine Katze, der auf den Schwanz getreten wurde. Weswegen ich nicht verstand, dass ich einmal bei Logans Bandprobe singen durfte. Innerlich seufzte ich auf. Das war ein schöner Tag gewesen. Allgemein haben wir so viel schönes erlebt. Ich wollte echt nicht wissen, wie oft er sich dabei verstellt hatte.

Ich bückte mich nach einem der Bücher, die auch überall lagen. Kein einziges stand mehr im Regal. Es sah so aus, als hätte er sie einfach herum geworfen. Ich versuchte den Titel des Buches zu entziffern aber ich kam nicht sonderlich weit. Dem Bild auf dem Einband konnte ich jedoch entnehmen, dass es sich um "Per Anhalter durch die Galaxis." von Douglas Adams handelte. Logan hatte mir einige Seiten daraus vorgelesen. Er hatte gesagt, dass Bücher wichtig für die Entwicklung eines Menschen seien und, dass er fand, dass ich darauf nicht verzichten sollte. Das fand ich echt toll von ihm. Wenn er kein fabelhafter Bruder war, dann wusste ich auch nicht. Jedoch, war ich nach wenigen Seiten schon eingeschlafen. Ich musste schmunzeln, mit Logan hatte ich echt schon so viel schönes erlebt.

Ich beschloss, ihm einen Gefallen zu tun und etwas Ordnung zu schaffen. Zuerst sammelte ich die Bücher auf und sortiere sie wieder in sein Regal ein. Da ich jedoch keine Ahnung hatte, was auf ihnen stand, sortierte ich nach Farbe. Von dunkel nach hell. Er hatte eine Menge Bücher. Ich glaubte einige, waren Wörterbücher, da auf ihnen Flaggen drauf waren. Er hatte wirklich viele dieser Bücher, auf fast allen hatte er mit einem roten Edding rum gekritzelt.
Da schien so viel Hass in ihm zu sein. Wenn ich doch nur wüsste, wie ich ihm helfen konnte.

Was die Noten anging, da war nichts mehr zu retten. Also entsorgte ich sie einfach. Stören würde ihn das sicher nicht. Schließlich hatte er selbst sie so hingerichtet. Unter seinem Bett lagen sogar ein paar die angekokelt waren und ein Feuerzeug. Die Notenblätter schmiss ich zu den anderen auf den Müll. Das Feuerzeug ließ ich, ohne groß drüber nachzudenken in meiner Hosentasche verschwinden.
Zum Schluss machte ich mich daran sein Bett wieder in Ordnung zu bringen. Nach kurzer Suche, fand ich auch die Bettbezüge, in seinem Schrank. Die Kissen und die Decke waren schnell bezogen. Nur bei der Matratze stellte ich mich etwas an. Immer wenn ich eine Ecke bezogen hatte, ging die letzte ab! Letztendlich schaffte ich es aber doch.

Da in seinem Zimmer nun wieder etwas mehr Ordnung herrschte und das alles ja relativ schnell ging, machte ich mich nun an seinen Schrank. Hier sah es nicht ganz so schlimm aus. Nur schien er ein enormes Problem damit zu haben, seine dreckige Wäsche, in den Wäschekorb zu werfen! Mit seinen sechzehn Jahren sollte er das ja eigentlich schon auf die Reihe bekommen. Kopfschüttelnd sammelte ich die Wäsche vom Fußboden auf und warf sie in den Korb, der genau auf der anderen Seite des kleinen Zimmers stand, welches als Schrank diente.

Manchmal fand ich diesen extrem übertrieben Luxus viel zu dick aufgetragen. Ich meine.. Jeder von uns hatte ein Ankleidezimmer, ein eigenes Bad, war ausgestattet mit den edelsten Klamotten, wir hatten einen verdammten Kinosaal im Keller, hatten Privatlehrer, Koch, Hausmädchen und Gärtner. Wir mussten nichts selbst machen. Für alles war gesorgt.
Ich bin mir sicher, all das war nur gut gemeint. Wahrscheinlich selbst der Druck der auf Logan ausgeübt wurde. Dad wollte, dass er es zu etwas brachte, das rechtfertigte es aber noch lange nicht auf seinen Sohn solch einen Druck auszuüben, das dieser zu Drogen griff. Wie kann ihm das eigentlich nicht aufgefallen sein? Ich mein, wir standen ja quasi durchgehend unter Beobachtung. Da fällt einem doch auf wenn das eigene Kind unter Einfluss von irgendwelchen Substanzen steht! Außerdem, wie war er an sie gekommen ohne, dass es jemand mitbekam? Wenn er raus ging, war meistens Ian dabei und wenn nicht der, dann Dad. Also hätte er ja nicht einmal die Möglichkeit gehabt.

Bei diesem Gedanken erinnerte ich mich an etwas. Es schien schon Ewigkeiten her zu sein. Als ich das erste Mal mit Logan draußen war, sind wir zu Adam in den Laden gefahren. Die zwei sind allein nach hinten verschwunden und danach hatte er Ian fortgeschickt.

Den Gedanken verdrängte ich augenblicklich und Tat ihn als albern ab. Was sollte er schon im dem kleinen Hinterzimmer, des bescheiden Musikladens gemacht haben? Bestimmt nichts von hoher Bedeutung. Nur seinen Bass und ein paar Sachen abgeholt. Genau so wie er mir es gesagt hatte, als ich ihn damals fragte. Allerdings sagte er vorhin er würde den Stoff von Adam bekommen und hat auch eben dieses Ereignis erwähnt.. Was auch immer. Ich wollte darüber nicht nachdenken.

Ich wendete mich wieder dem zu was ich eigentlich tun wollte, Ordnung in den Schrank bringen. Mein eigentliches Vorhaben, mit dem ich das Zimmer betreten hatte, hatte ich schon wieder verworfen. Ich sollte nicht derart in seinen Sachen rum wühlen. Er war schließlich mein Bruder. Also sorgte ich jetzt dafür, dass seine Wäsche gefalltet und nach Farben sortiert in den Fächern lag. Seine Hemden hing ich auf die, für sie vorgesehen Bügel. Die Schuhe stellte ich in Paaren unter die Kleiderstange mit den vielen Hemden. Hier musste ich nicht nach Farben sortieren, alle seine Schuhe waren schwarz. Das einzige, was in seinem Schrank Ordnung zu haben schien, waren seine Fliegen. Als ich die für diese vorgesehene Schublade öffnete lagen alle sauber und ordentlich nebeneinander. Komischer Junge, dachte ich. Aber es war schließlich sein Schrank. Plötzlich hatte ich ein schlechtes Gewissen. Hätte ich das vielleicht doch nicht tun dürfen? Immerhin ging es hier um sein Zimmer und seinen Kleiderschrank, das war doch recht intim. Ich konnte den Gedanken kaum zu Ende denken, als ich eine fragende Stimme hinter mir wahrnahm.

"Aaron? Was tust du hier?" es war Logan der hinter mir stand und mich das fragte. Augenblicklich wurde ich panisch, das sah bestimmt so aus als würde ich in seinen Sachen rum wühlen. Auch wenn das anfangs mein Plan gewesen war.

"Ich..  Ich wollte nur aufräumen. Dir ähm.. Dir einen Gefallen tun." stammelte ich.

Statt mir eine Standpauke zu halten oder sonst etwas zu tun, tat er etwas mit dem ich nicht gerechnet hätte.

Er kam zu mir rüber, schloss mich in seine Arme und murmelte ein leises, kaum hörbares "Danke." Es war eher ein hilfloses krächzen als ein flüstern. Und ich war mir sicher, dass sein danke nicht dem aufgeräumter Zimmer galt.
Zum ersten Mal, seit all den Monaten, glaubte ich bei ihm einen kleinen Riss in seiner Fassade zu sehen. Der Fassade eines starken Bruders, der alles allein schaffte. Plötzlich bestand er aus purer Verletzbarkeit.
Die Person die nun vor mir stand, hatte ich noch nie zuvor so gesehen.

Nächstes Update: 11. Dezember 2016

My new Brother [boyxboy] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt