Kapitel 18 - Überraschung

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„Ich glaube, ich bleibe für immer!", Rachel reibt sich, noch immer ungläubig, die Augen hinter ihren großen Brillengläsern.

Ich lache: „Ich könnte mir nichts besseres vorstellen!"

Das stimmt sogar. Jetzt, wo Rachel endlich hier ist, fühle ich mich, als wäre ich endlich wieder vollkommen. Ich kann richtig spüren, wie sehr ich die Zeit mit ihr jetzt schon genieße.

Phil bückt sich und hebt seine Reisetasche auf, schultert sie erneut und nimmt mir Rachels Koffer aus der Hand: „Ich bringe unsere Sachen mal ins Schlafzimmer. Linke Bettseite?"

„Genau. Wie immer.", Rachel lächelt ihren Freund süß an und streckt sich, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken.

„Und, wie läuft es mit Roger?", fragt sie, sobald Philipp den Raum verlassen hat.

„Ach, eigentlich prima. Aber der Altersunterschied scheint nicht nur uns aufzufallen. Letztens waren wir zusammen in L.A. unterwegs und naja, Blicke sagen mehr als Worte. Viele Leute denken, ich will nur an sein Geld."

Ich sehe, wie Rachels Augenbrauen in die Höhe schnellen.

„Ja, ich weiß was du sagen willst. Stimmt natürlich auch. Aber es stört mich, dass die Leute so denken. Inzwischen mag ich ihn wirklich gern und ich will ihm und seinem Ruf nicht schaden."

„Ach hör doch auf. Mit jemandem wie dir an seiner Seite, kann er seinem Ruf gar nicht schaden."

Ich lächle Rachel dankbar an. Ihre Worte hatten mich schon immer und in jeder Lebenslage getröstet und gestärkt, egal ob ich unglücklich verliebt war oder eine schlechte Note in der Schule bekommen hatte.

„Danke. Wie läuft es bei dir und Phil?", wechsle ich das Thema, obwohl ich die Frage eigentlich für überflüssig halte. Wie soll es beim Traumpaar des Jahrhunderts schon laufen? Besser als in meinem Liebesleben auf jeden Fall.

„Ich... äh... Also wir. Wir sind schwanger.", Rachel kichert hysterisch: „Hättest du das gedacht? Phil und ich? Ein Baby?"

Ich stehe, wie vom Donner gerührt, vor ihr und starre meine beste Freundin an: „Im Ernst? Oh mein Gott! Seit wann?" Ich freue mich für sie. Wirklich. Doch ein seltsames Gefühl macht sich in meinem Herzen breit und ich kann noch nicht benennen, was es ist.

„Im dritten Monat jetzt. Deswegen sieht man auch noch nichts.", sie streicht sich automatisch über den flachen Bauch und lächelt mich glücklich an: „Verrückt, was?"

„Mehr als nur verrückt. Komm her. Herzlichen Glückwunsch!", ich drücke sie fest an mich und versuche das ungute Gefühl, das sich brennend in meiner Brust bemerkbar macht, zu unterdrücken. Ist es Neid? Oder Angst darum, dass wir uns von nun an noch seltener werden sehen können? Noch bevor ich mir weitere Gedanken über meine Gefühlswelt machen kann, platzt Phil ins Zimmer.

„Oh, sie hat die Bombe also schon platzen lassen?", fragt er und fährt sich verlegen lächelnd durch die Haare.

„Ja, das hat sie.", lache ich und schlinge ihm die Arme um den Hals: „Herzlichen Glückwunsch!"

„Musst du dich ausruhen?", wende ich mich an Rachel, nachdem ich mich von Philipp gelöst habe.

Sie zuckt mit den Schultern, unterdrückt aber gleichzeitig ein Gähnen: „Mir würde schon etwas kleines zu Essen reichen. Und außerdem will ich Roger endlich wieder sehen."

Nachdem Lou für uns alle Sandwiches gemacht hat, treffen wir uns alle auf der Terrasse vor Rogers Villa, wo schon der Tisch gedeckt ist.

„Ah, Rachel! Wie schön Sie wieder zu sehen.", Roger läuft mit ausgestreckten Armen auf Rachel zu und drückt sie an sich. Über seine Schulter blinzelt sie mich überrascht an, tätschelt ihm aber dann in einer liebevollen Geste den Rücken.

„Roger. Schön, dass Sie sich noch an mich erinnern. Das ist Philipp, mein Freund."

Ich beobachte, wie sich Phil und Roger die Hand reichen und bin fasziniert, was für eine gute Figur er selbst neben einem absoluten Traumtypen wie Phil macht.

Wir setzen uns um den Tisch, der im Schatten eines großen Sonnenschirms steht und Lou eilt mit einem Tablett, auf dem vier Gläser und ein Krug mit eiskalter selbstgemachter Zitronenlimonade stehen, herbei.

„Danke.", ich lächle Lou an und versuche ihr zumindest mit den Gläsern zu helfen. Sie schnalzt missbilligend mit der Zunge und versucht halbherzig meine Hand wegzuschlagen.

„Ich mache das. Entspann Sie sich, Ella."

Ich seufze und ziehe die Nase kraus. Ich bin entspannt. Ich sehe nur nicht gerne dabei zu, wie jemand in dieser Mittagshitze für mich zwischen Terrasse und Küche hin und her läuft, während ich gemütlich im Schatten sitze und mir ein kühles Lüftchen um die Nase wehen lasse, doch für Lou ist das natürlich selbstverständlich.

„Ach, bevor ich es vergesse. Der Brief hier ist von deiner Mom.", sagt Rachel, die belustigt Lous und meine kurze Unterhaltung beobachtet hatte, und zieht einen Umschlag aus einer Umhängetasche, die inzwischen über ihrer Stuhllehne baumelt.

„Von Mom? Also du meinst, sie hat ihn selbst geschrieben?", frage ich und nehme ihr den Brief ehrfürchtig aus der Hand.

Sie zuckt mit den Schultern: „Keine Ahnung, ich hab ihn nicht aufgemacht. Aber sie hat ihn mir gegeben, deswegen denke ich schon, dass sie ihn geschrieben hat."

Ich denke an mein Telefonat letzte Nacht mit Dad zurück. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er gesagt hätte, dass es Mom schon wieder so gut geht, dass sie eigenhändig Briefe verfasst. Allerdings hatten wir auch hauptsächlich alltägliche Dinge, wie seine Arbeit und den Geburtstag meiner ungeliebten Stieftante, auf den ich glücklicher Weise Dank der Entfernung nicht würde gehen können, besprochen.

Natürlich hatten wir auch über Mom geredet und wie gut die neuen Medikamente, laut Dad, anschlugen, doch falls sie den Brief geschrieben hätte, musste er mir dieses Detail wohl verschwiegen haben.

„Okay. Ich werde ihn später lesen.", sage ich und lege den Umschlag neben meinen Teller auf den Tisch, obwohl ich darauf brenne zu erfahren, was meine Eltern mir auf diesem altmodischen Weg mitteilen wollen.

Roger sieht mich fragend an, doch ich schüttle den Kopf. Er weiß, dass meine Mom krank ist und mit Sicherheit wird er auch schon bemerkt haben, dass ich ständig nach Seattle telefoniere, doch dass ich regelmäßig Geld überweise, weiß er noch nicht und ich hoffe, dass dies auch noch einige Zeit so bleibt.

Sugarlove - Verborgene LeidenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt