Kapitel 39 - Küss mich

255 11 5
                                    

Nachdem wir uns schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit voneinander lösen, laufen wir noch einige Zeit sprach- und wortlos nebeneinander her und genießen den Blick auf den tiefen und ruhigen Ozean vor uns. Dieses Mal liegt die Stille nicht als undurchdringbare Barriere zwischen uns, sondern hat sich wie ein schützendes Zelt um uns gelegt. Als wir schließlich an der Stelle ankommen, an der die kühlen Wellen über den heißen Sand lecken, bleibt Andrew stehen und bedeutet mir mit einer Geste, mich hinzusetzen.

Ich beiße kurz die Zähne aufeinander, als der sündhaft teure Stoff meines neuen Kleides den feuchten Sand berührt, doch Andrews Anwesenheit entschädigt mich tausendfach für ruinierte Kleidung.

„Erzähl mir von dir. Was wünscht du dir von deinem Leben?", fragt er, nachdem er sich neben mir niedergelassen und einen Ellenbogen auf seinem Knie abgestützt hat.

Ich kaue nachdenklich auf meiner Unterlippe und grabe die Zehen in den nassen, kühlen Sand.

„Ich wünsche mir ein einfaches Leben, in dem es jedem, den ich liebe gut geht. Ich möchte meine Freunde um mich haben und keine Angst um meine Existenz haben müssen."

„Und weiter?"

„Nichts weiter."

Er schnaubt, den Blick auf den Horizont gerichtet.

„Du brauchst Leidenschaft und eine Liebe, die dich vollkommen ausfüllt und dein Leben auf den Kopf stellt."

Ich spüre, wie ich rot werde und konzentriere mich auf die kleinen schaumigen Wellen, die an meinen Zehen lecken. Er hat vollkommen Recht und wenn er nur wüsste, mit wem ich mir diese Liebe wünsche, wär er wohl schon auf und davon. Ich bin nicht naiv genug, um zu glauben, dass er seine Worte auf sich bezieht – oh nein – er hat mir mehr als nur einmal klar gemacht, dass er lieber alleine ist. Oder es zumindest seiner Ansicht nach sein muss.

„Und du?", frage ich schließlich, ohne auf seine Äußerung einzugehen.

Er weiß ohnehin, dass er richtig liegt.

„Ich würde mir wünschen, dass ich einiges anders gemacht hätte. Ich habe viele Fehler begangen und viele von ihnen kann ich nie wieder rückgängig machen. Ich erwarte nicht mehr, als Frieden mit mir selbst zu schließen. Doch ich befürchte, dass mir das nie gelingen wird."

Ich spüre die Hoffnungslosigkeit, die den kleinen Wellen des Ozeans gleich, zu mir herüberschwappt. Was ist es nur, das ihn zu dem hat werden lassen, der er ist? Was hat er getan, oder was würde ihm angetan, dass er sich selbst zu einem Leben in Einsamkeit verbannt?

Schließlich lehne ich meinen Kopf an seine warme starke Schulter und folge seinem Blick zu Horizont. Es gibt nichts mehr zu bereden und nichts mehr zu sagen und wir bleiben dort gemeinsam sitzen, bis die Sonne den Himmel orange und gelb färbt und schließlich als glühend roter Ball im mattschwarzen Meer versinkt.

Es ist dunkel geworden, als Andrews Camaro durch das große eiserne Tor wieder auf den Kiesplatz vor Rogers Haus rollt.

„Na dann... Es war ein schöner Tag mit dir.", setze ich an, nachdem das letzte Brummen des lauten Motors verstummt ist und greife nach der Autotür, um auszusteigen.

„Was hast du vor?", fragt Andrew leise, dessen blaue Augen in der Dunkelheit regelrecht zu leuchten scheinen.

„Ähm... Ich habe Hunger?", versuche ich mich an einer kläglichen Antwort, doch schon beim letzten Wort versagt mir die Stimme, da ich plötzlich seine Hand auf meinem Bein spüre.

Gänsehaut jagt meinen Rücken hinauf als er sich, den Blick unablässig in meinen Augen verfangen, mit einer Hand abschnallt und zur mir hinüberlehnt. Wie von einem übernatürlich großen Magnet angezogen, bewege ich mich in Zeitlupe auf ihn zu, bis unsere Gesichter nur noch Millimeter voneinander entfernt sind.

Sugarlove - Verborgene LeidenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt