Kapitel 1 - Rich Kids

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Die Eiswürfel in meinem Drink klirren gegen das Glas, als ich ihn langsam in der Hand kreisen lasse und verträumt durch die riesige Glasfront vor mir auf das rege Treiben in der Third Street Promenade in Santa Monica blicke. Die Sonne steht hoch am wolkenlosen Himmel und brennt gnadenlos auf die nackten Arme und Beine der Touristen unter uns. Sie bleiben stehen, schießen Fotos von sich oder den besonders exklusiven Geschäften, die die Promenade säumen, schlendern an den Schaufenstern vorbei oder trinken eiskalte Limonaden in den zahlreichen Cafés.

Living the rich life, baby!", kräht Nikki neben mir, und stößt ihr Glas gegen meines. Die dunkle Flüssigkeit schwappt fast über den Rand und ich habe Mühe den plötzlichen Zusammenstoß auszubalancieren. Innerlich verdrehe ich die Augen über meine Begleitung, äußerlich stimme ich in ihr Kichern ein. Nach dem Sektfrühstück sind wir sofort zu den stärkeren Drinks übergegangen und langsam merke auch ich, dass meine Beine schwer und angenehm warm werden.

„Denkst du nicht, dass wir langsam genug haben?", frage ich leise, in der Hoffnung Nikki darauf aufmerksam machen zu können, dass wir nicht alleine im Restaurant sitzen. Sie reist die stark geschminkten Augen auf und beugt sich mit verschwörerischem Blick zu mir hinüber.

„Was denkst du, wie ich es Tag für Tag mit Richard aushalte?" Kurz verdunkeln sich ihre grünen Augen, doch schon im nächsten Moment hat sie sich wieder gefasst, rückt die Gucci Sonnenbrille in ihren vollen braunen Haaren zurecht und kippt den Cocktail in einigen schnellen Zügen hinunter.

Noch bis vor wenigen Wochen hatte ich für Frauen wie Nikki nicht viel übrig - für Frauen, die ihre jungen schönen Körper an alte Männer mit viel Geld verkaufen, sie heiraten und sich im Gegenzug für fehlende Liebe und Anziehungskraft bergeweise Schuhe, Kleider, Autos und Handtaschen kaufen. Und nun sitze ich hier mit ihr und versuche mir einzureden, dass die Sache mit mir und Roger, meinem Freund, eine ganz andere ist. Doch wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, ist sie das keineswegs. Auch ich brauche hauptsächlich Rogers Geld. Nicht etwa, weil ich scharf auf Häuser am Strand, begehbare Kleiderschränke oder Motorbote bin, sondern damit ich meinen Vater unterstützen kann, der sich Zuhause im verregneten Seattle um meine pflegebedürftige Mutter kümmert. Das Geld reicht hinten und vorne nicht und da auch ich mit meinem kleinen Gehalt, dass ich als Anwaltsgehilfin verdient hatte, nicht viel beisteuern konnte, entschied ich mich auf eine der sogenannten Sugarpartys zu gehen, auf der reiche Männer junge Frauen kennen lernen können. So lernte ich Roger kennen, er lud mich zu sich nach Santa Monica ein und hier sitze ich nun mit Nikki, der Frau seines guten alten Freunds Richard, der ebenso reich und ebenso alt ist, wie er selbst.

„Halloho, Erde an Ella!", Nikki fuchtelt mit ihrer manikürten Hand vor meinem Gesicht herum. „Wovon träumst du?"

Ich lächle sie schief an: „Ach, von nichts.", lege den Kopf in den Nacken und trinke den Rest von meinem Longdrink aus.

Ein Kellner trägt zwei riesige Teller voll mit Burgern und Pommes Frites an unserem Tisch vorbei und mir läuft das Wasser im Mund zusammen.

Auch Nikki bemerkt meinen Blick und zwinkert mir zu: „Hübscher Hintern, oder?" Ich blinzle überrascht und betrachte die Kehrseite des jungen Kellners. Sie hat Recht, er ist sportlich durchtrainiert und sieht aus, als hätte er spanische oder italienische Wurzeln.

„Ganz okay...", gebe ich zu und lasse den Zeigefinger über den Rand meines Glases kreisen.

„Gucken wird ja wohl erlaubt sein.", stichelt Nikki und fährt sich kokett durch die langen Haare. Ich zucke mit den Schultern und lächle höflich. Ich kenne Nikki noch nicht gut genug, um sie einschätzen zu können. Versucht sie mich aufs Glatteis zu führen, um Geheimnisse und Geschichten aus mir heraus zu kitzeln, oder einfach nur unsere Unterhaltung aufrecht zu erhalten?

Sugarlove - Verborgene LeidenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt