Kapitel 13 - Jackson

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Es ist früh am Morgen und schon jetzt brennt die Sonne in Santa Monica erbarmungslos vom wolkenlosen blauen Himmel herab. Da ich die ganze Nacht vor lauter Grübeleien über Lou, Jackson und Rogers Frau nicht schlafen konnte, bin ich früh aufgestanden, um noch vor dem Frühstück eine Runde im Pool zu schwimmen.

Ich liege mit geschlossenen Augen schwerelos im Wasser und lasse mich treiben, lasse meinen Gedanken freien Lauf. Als wir noch Kinder waren, war Rachel im Schwimmbad immer neidisch auf mich gewesen, wenn ich, so regungslos wie jetzt, an der Oberfläche trieb. Sie hatte nie verstanden, wie man ohne Schwimmbewegungen zu machen, mühelos im Wasser schwimmen konnte, und je verbissener sie es versuchte, desto öfter ging sie prustend und hustend unter. Ich lächle bei dem Gedanken an diese Erinnerung. Mir fällt wieder ein, dass ich unbedingt noch daran denken muss, sie später anzurufen und ihr für Rogers Geburtstagsparty zuzusagen.

Doch fürs Erste genieße ich die kurze Ruhe im hellen wärmenden Sonnenlicht am Pool. Das Sonnenöl, mit dem ich mich nach dem Aufstehen eingerieben hatte, treibt in schimmernden, bunten Schlieren auf der Oberfläche und glänzt im hellen Sonnenlicht. Ich trage einen gelben Bikini, der meine inzwischen tief gebräunte Haut noch dunkler aussehen lässt und habe den Kopf bis zu Hälfte unter Wasser. Nur noch Augen, Nase und Mund sind an der frischen Luft. Meine Haare treiben unter Wasser um mich herum wie eine Wolke aus hellem, feinem Seegras und meine Ohren sind gegen die Geräusche der Außenwelt abgeschirmt. Ich höre nur ein gelegentliches Knacken und das rhythmische Plätschern der Poolpumpe. Eine kühle Brise streicht über mein Gesicht, doch das Wasser um mich herum ist von den vielen Sonnentagen so aufgewärmt, dass ich nicht friere.

Plötzlich verdunkelt sich mein Sichtfeld und ich schlage blinzelnd die Augen auf. Es ist nicht etwa eine Wolke, die sich zwischen mich und die Sonne geschoben hat, sondern Jackson. Ich bringe meinen Körper wieder in die Senkrechte und schirme mit einer Hand mein Gesicht gegen das helle Licht ab. Wasser rinnt mir über die Stirn und in meine Augen. Ich blinzle ein paar Mal und sehe dann zu Jackson auf.

„Atkins.", sagt er und bedeutet mir mit einem Nicken näher zu kommen.

Ich fühle mich plötzlich wie früher in der Schule, als man nach kleinen Streichen einen Rüffel vom Lehrer bekam. Ich schwimme einige Züge zum Beckenrand und stütze mich dann mit den Unterarmen darauf ab.

„Jackson?", frage ich und komme mir dabei so lächerlich vor. Es fühlt sich an, als wären wir geheime Agenten, die sich als Kollegen untereinander nur mit dem Nachnamen ansprechen.

Er zieht seine Hosenbeine etwas hoch und geht dann in die Hocke, um besser mit mir sprechen zu können. Kleine vorwitzige Wellen lecken an seinen eleganten, schwarzen Herrenschuhen, doch das scheint ihn nicht zu stören.

„Haben Sie vor es ihm zu erzählen?", seine Frage klingt eher wie ein Befehl.

Ich kneife die Augen zusammen und sehe ihn an. Jackson ist so autoritär. Und steif. Ich bezweifle, dass er jemals meinen Humor verstehen wird. Oder irgendeinen Humor. Die personifizierte Professionalität. Er trägt selbst heute, bei über dreißig Grad im Schatten, einen penibel gebügelten schwarzen Anzug mit weißem Hemd und einer dunkelblauen Krawatte.

Ich weiß, dass ich bei ihm mit meinen weiblichen Reizen auf Granit stoße, und versuche erst gar nicht meine üblichen Waffen einzusetzen.

„Warum sollte ich?", frage ich ruhig zurück.

Ich sehe, wie seine Kiefermuskeln arbeiten. Er überlegt. Versucht mich einzuschätzen. Ich frage mich, wie Lou es wohl geschafft hat, sein stahlhartes Herz zu erobern. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, ein Verhältnis mit Jackson zu haben. Wahrscheinlich ist er auch in einer Beziehung derjenige, der das Sagen hat. Vielleicht spielen Lou und er Spielchen. Vielleicht züchtigt er sie mit... Ich schüttle den Kopf. Warum muss ich in Jacksons Nähe immer an das Eine denken? Ich hoffe er kann mir meine Gedanken nicht direkt aus dem Gesicht ablesen und versuche mich wieder auf unser Gespräch zu konzentrieren.

„Ja genau, warum sollten sie nicht?", fragt er zurück und ich stoße unwirsch die Luft aus. Langsam geht er mir auf die Nerven.

„Nein. Ich verspreche hiermit hoch und heilig, dass ich nichts verraten werde."

Mit diesen Worten stoße ich mich von der Beckenkante ab, und schwimme auf dem Rücken wieder in die Mitte des Pools. Jackson zuckt mit den Schultern, steht dann auf und wendet sich zum Gehen.

Grade will ich mich schon wieder ins Wasser zurücklehnen, als er sich noch einmal umdreht und mich, zum ersten Mal, seit dem ich ihn kenne, anlächelt: „Danke."

Ich bin so perplex, dass ich gar nichts antworten kann und nur schwach die Hand aus dem Wasser hebe. Er zwinkert mir zu, murmelt: „Sie haben was gut bei mir.", und will im Haus verschwinden, wo er beinahe mit Roger zusammenstößt. Sofort wird er wieder professionell, strafft sich, verschränkt die Hände hinter dem Rücken und lässt Roger den Vortritt.

Ich bin immer noch zu überrascht, um überhaupt auf irgendetwas zu reagieren, höre Roger aber leise murmeln: „Also jetzt verstehe ich gar nichts mehr."

Der Wind frischt auf, lässt die kleinen Büsche und Sträucher rund um die Terrasse rascheln und verschluckt so mein leises ungläubiges Lachen, bevor ich untertauche.

Nachdem ich aus dem Pool gestiegen bin und mich von Roger in ein riesiges flauschiges Handtuch habe wickeln lassen, sitzen wir im Halbschatten unter einem kleinen Sonnenschirm auf der Terrasse und frühstücken. Es gibt Croissants, Obstsalat und, zu meiner Freude und Überraschung, Pancakes. Aus meinen nassen Haaren tropft immer noch hin und wieder Wasser auf meine Oberschenkel und ich streiche mir einige feuchte Strähnen aus dem Gesicht.

„Ich muss gleich noch einmal los und ein Auto nach L.A. bringen. Jackson fährt hinter mir her und bringt mich dann wieder nach Hause.", informiert mich Roger zwischen zwei Bissen von seinem Croissant.

„Das kann ich auch machen.", werfe ich ein, nippe an meinem Orangensaft und schlage die nackten Beine übereinander.

Rogers Gesicht nimmt einen gequälten Ausdruck an: „Nein, Ella. Es...es ist mir lieber, wenn du nicht selbst Auto fährst."

Erst will ich etwas erwidern, denke dann aber an den Unfall, bei dem er seine Frau verloren hat, und schlucke meine Antwort hinunter: „Okay."

„Aber danach kannst du mit zum L.A. Yacht Club kommen, wenn du willst." Seine Miene hellt sich bei diesem Gedanken deutlich auf.

Ich freue mich, dass er etwas mit mir unternehmen möchte und nicke begeistert.

„Allerdings treffe ich dort einen möglichen Käufer für eine Yacht, mit dem wir zu Mittag essen werden.", entschuldigend hebt er die Schultern.

Ich rümpfe die Nase. Ich habe geahnt, dass die Sache einen Haken hat.

„Wenn ich dafür den Tag mit dir verbringen kann, komme ich trotzdem mit."

Er lächelt und ich suche unter dem Tisch mit einem nackten Fuß nach seinem Bein und fahre sacht daran auf und ab.

Roger zieht sein Bein nicht weg, legt aber den Kopf schief und lächelt mich fragend an. Da ich mit frühstücken fertig bin, stehe ich auf und laufe um den Tisch herum auf ihn zu, um mich zu ihm zu kuscheln. Das Handtuch lasse ich lasziv von meinem Körper gleiten, bevor ich auf seinen Schoß klettere.

„Hey, du machst mich ja ganz nass.", raunt er in mein Ohr, breitet aber trotzdem die Arme aus, um mich an sich zu drücken.

Ich lehne meine Stirn an seine Schläfe und streiche mit dem Zeigefinger sanft über seine Wange.

„Da musst du dich wohl noch einmal umziehen gehen.", ich verkneife mir ein Grinsen, während ich die Worte in sein Ohr flüstere und darauf achte, dass meine Lippen immer wieder leicht seine Haut berühren.

Ich spüre, wie ein wohliger Schauer durch seinen Körper fährt und mein Herz schlägt schneller. Ein wohliges Kribbeln macht sich in meinem Magen breit und ich drehe sein Gesicht langsam zu mir. Roger seufzt leise und seine Hand, die eben noch bewegungslos auf meiner Hüfte geruht hatte, streicht jetzt mit federleichten Berührungen über meinen Rücken.

Ich möchte mein Spiel nicht zu weit treiben, denn ich weiß, dass er nach dem Tod seiner Frau wahrscheinlich noch für keine andere bereit ist. Und außerdem weiß ich nicht, ob dies alles für mich noch ein Spiel ist, oder ob ich mich nicht schon längst an ihn verloren habe.


Sugarlove - Verborgene LeidenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt