Kapitel 30 - Am Pier

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Ich werde jäh aus meinen Gedanken gerissen, als der Pager, den Phil mit zu unserem Tisch gebracht hat, und der uns anzeigt, wann unsere Bestellung am Tresen abgeholt werden kann, unter lautem Brummen auf der Tischplatte vibriert.

„Ah, endlich! Wer kommt mit rein und hilft mir?", fragt Phil, der sich schon den kleinen viereckigen Plastikkasten vom Tisch geschnappt hat, und steht auf.

„Ich komme mit!", ruft Rachel und zwinkert mit verschwörerisch grinsend zu.

Ich weiß, dass das ihre Art ist, mir für meine schlechte Laune heute eins auszuwischen. Während die beiden Arm in Arm in den kleinen Imbiss laufen, rutsche ich unruhig auf meinem unbequemen Plastikstuhl hin und her, den Blick starr aufs Meer gerichtet. Die Situation ist auch ohne verkrampfte Gespräche und unangenheme Stille peinlich genug.

Plötzlich räuspert sich Andrew neben mir: „Wegen deiner Mom... geht's dir gut?"

Überrascht sehe ich ihn schließlich doch an: „Äh, ja. Alles bestens bei mir."

Seine blauen Augen sind klar und ehrlich und zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass er mich wirklich und wahrhaftig ansieht. Die Überheblichkeit und Ablehnung, mit der er mich sonst betrachtet, sind Mitgefühl und einer sonderbaren Art von Vertrautheit gewichen. Dieser plötzliche Gefühlswandel macht mich sprachlos. Es ist, als würde für einen kurzen Moment die Zeit stillstehen. Es gibt da nur Andrew und mich. Wir existieren gemeinsam, der Rest der Welt wird zu grauem, verschwommenem Rauschen.

Ich weiß nicht, wie lange ich ihn einfach nur ansehe, doch irgendwann kommen Philipp und Rachel, beladen mit vier Tabletts, auf denen Pommes Frites und Burger um die Wette duften, an unseren Tisch zurück. Andrews Augen werden kalt und ausdruckslos, dann wendet er sich wortlos von mir ab und nimmt seinen Teller von Phil entgegen.

Rachel setzt sich gegenüber von mir auf ihren Platz und schiebt mir ebenfalls einen Teller zu. Der Blick, den sie mir zuwirft, schreit mir ihre lautlose Frage förmlich entgegen: Was war denn das?

Ich zucke hilflos mit den Schultern – wenn ich das nur wüsste!

Wir beginnen schweigend zu essen und obwohl die knusprigen Pommes und der frische Burger wirklich fantastisch schmecken, kann ich diese Mahlzeit kaum genießen. Alle meine Sinne sind auf Andrew gepolt. Jede seiner Bewegungen reizt meine Nervenenden bis aufs Äußerste. Sogar das Essen fällt mir in seiner Gegenwart schwer und ich muss mich konzentrieren auf Abbeißen – Kauen – Schlucken.

„Was ist eigentlich mit dir los?", fragt Rachel schließlich, nimmt eine Pommes von ihrem Teller und deutet damit anklagend auf mich.

Es tut mir furchtbar leid, dass ich an einem Tag wie diesem eine solche Spaßbremse bin. Eigentlich sollten wir die Zeit zusammen genießen – stattdessen sitze ich eingeschüchtert, wie ein kleines Schulmädchen, mit eingezogenem Kopf auf meinem Stuhl und starre meinen Teller an.

„Ich habe einfach schlecht geschlafen.", murmle ich tonlos.

Neben mir höre ich ein leises Grunzen und sehe zu Andrew hoch. Er hat die Lippen fest aufeinander gepresst und seine Augen funkeln belustigt. Findet er das etwa lustig?

Rachels Mund bleibt mitten in der Bewegung offen stehen und sie sieht mit weit aufgerissenen Augen zwischen uns hin und her.

„Moment mal... Was ist da los?"

Andrew bricht in schallendes Lachen aus und gegen meinen Willen muss ich Grinsen. Er sieht einfach umwerfend aus, wenn er einmal nicht finster oder schlechtgelaunt vor sich hinstarrt, sondern echte Emotionen zulässt.

Sugarlove - Verborgene LeidenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt