Neue, alte Erinnerungen

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Amelias Sicht:

„Hier, das ist für dich!", verwirrt blicke ich von meinem Buch auf – ein besonderes Exemplar über Zauberverträge – und starre geradewegs in Hermines braune Augen.

Sie hält mir eine bunte Tüte entgegen und strahlt mich freudig an: „Merry christmas, Amelia."

Ich kann nicht anders, als sie völlig schockiert anzuschauen: „Das ist heute?"

„Ja", sie lacht erheitert auf und drückt mir die Tüte nun bestimmt in die Hände.

Verwirrt musterte ich sie. Natürlich habe ich auch Geschenke für die anderen, schon seit Wochen.

Doch ich hatte völlig aus den Augen verloren, das es heute schon so weit war, dass die bunten Lichterketten und Tannenbäume endlich einen Sinn hatten.

Mit leicht pochendem Herzen öffnete ich die Tüte und erblickte ... einen hölzernen Käfig, in dem ein kleiner Falke saß. Er hatte braunes, dichtes Fell und einen weißen, kleinen Schnabel.

Als er endlich wieder Luft und Licht bekam, krächzte er laut auf, wie, um seine Situation deutlich zu machen. Lächelnd betrachtete ich ihn.

„Der ist von Ron und mir. Ich habe ihn eigenhändig ausgesucht. Ich hoffe, er gefällt dir!", Hermines Augen ruhten freundschaftlich auf mir, als ich mit glänzenden Augen hoch sah.

„Der ist wunderschön! Dankeschön", voller Freude umarmte ich sie.

Die letzten Tage waren zermürbend gewesen, voller Leserei und Verzweiflung. Ich war froh, endlich mal wieder ein wenig Ablenkung zu bekommen.

„Und ich habe noch ein Geschenk!", murmelte Hermine in meine Arme und lehnte sich wieder zurück.

„Was?", fragte ich atemlos.

„Ich habe einen Weg gefunden, dein Gedächtnis wieder herzustellen!"

Ihre Worte waren wie eine Droge für mich. Gierig sog ich sie in mich ein und stellte mir vor, was kommen würde.

Ich konnte Draco endlich die Wahrheit sagen, ich würde wissen, was an diesem verhängnisvollen Abend passiert war.

Was ich getan hatte. Oder auch nicht getan hatte.

„Oh mein Gott, wir müssen sofort anfangen!", flehte ich sie an. Fast wäre ich vor ihr auf die Knie gefallen. Nichts war wichtiger als das. Als die verdammte Wahrheit.

Doch zu meinem Glück legte Hermine zustimmend den Kopf schief und ihre Augen schienen mir genau sagen zu wollen, dass sie so fühlte wie ich.

Wir wollten es beide wissen.

***

Exakt zwei Stunden später beschlichen mich die ersten Zweifel. Was, wenn ich doch nicht recht hatte und aus irgendeinen Grund Brook geküsst hatte? Was, wenn er Recht hatte?

Dann würde ich alles verlieren.

Aber das hast du doch schon, dachte ich mir bitter und presste entschlossen die Lippen zusammen. Ich würde das jetzt durchziehen. Komme, was wolle.

„Bereit?", Ron und Hermine sahen mich erwartungsvoll an, währenddessen Harry eher gezwungen zu lächeln versuchte. Doch es erreichte nicht seine Augen.

Ich nickte wild und setzte mich noch etwas bequemer hin. Uns diente mal wieder der letzte Winkel der Bibliothek als Rückzugsort.

Hermine richtete den Zauberstab auf mich und murmelte ein paar Worte, während sie das Haar von Brook fest umklammerte.

Es hatte etwas gedauert es aufzutreiben, doch schließlich war unsere Mission von Erfolg gekrönt. Brook war eben auch nur ein Junge, der ab und zu mal schlafen musste.

Ich spürte die Blicke der anderen gebannt auf mir liegen als Hermine geendet hatte und auch ich wartete mit bangen Herzen darauf, dass etwas passierte.

Nach einer Minute ohne irgendwelchen Erinnerungen wurde mir mulmig zumute.

„Es passiert nichts...", stieß ich fast wimmernd aus und schloss wütend die Augen, als würden mir dadurch alles wieder einfallen.

„Du musst Geduld haben, vielleicht dauert es einfach ein wenig...", sprach Hermine mir aufmunternd zu und schlug mit einer bestimmten Bewegung ihr Buch zu, aus dem sie den Spruch hatte.

Nach weiteren zwei Minuten war immer noch nichts passiert. Wütend stand ich vom Sessel auf und stampfte grimmig mit dem Fuß auf.

„Komm schon, denk an Brook. Denk an den Abend!", meinte Harry auf einmal und ich blickte ihn mit trauriger Miene an. Doch es war, als hätten seine Worte etwas in mir ausgelöst.

Brook. Brook. Brook!

Und dann passierte es. Die Erinnerung stürzte ohne Vorwarnung auf mich zu und schlug ganz plötzlich über mir zusammen. Erschrocken und ohne das ich etwas dagegen tun konnte knickten meine Beine ein wie Streichhölzer.

Von einer auf die andere Sekunde fand ich mich am Boden wieder und es schien, als würde alles um mich herum schwarz werden.

Es fühlte sich an, als würden zehntausend Menschen in meinem Kopf Seilchen springen. Gepeinigt beugte ich mich nach vorne.

Nur ganz am Rande nahm ich wahr, wie Harry sich neben mich kniete und eine Hand beruhigend über meinen Rücken gleiten ließ.

Doch so schnell, wie es gekommen war, war es auch wieder verschwunden. Und ich fühlte mich auf einmal total müde und ausgelaugt. Aber etwas war anders.

Etwas ganz entscheidendes. Da war sie wieder. Meine Erinnerung. Und auf einmal war alles ganz klar. Wie hatte ich nur so dumm sein können?

Ich sah ihn plötzlich ganz dich vor mir, wie er mich gegen die Wand drückte und über meine Lippen fuhr. Wie er mir böse in die Augen blickte.

„Dieses Arschloch!", murmelte ich völlig verzweifelt und wütend zugleich in die Stille.


Mein Bruder Harry Potter #Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt