Nur eines: echt

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Dracos Sicht:

Alles schien in sich zusammen zu fallen. Und auch ich fiel. Immer tiefer und tiefer und als ich auf dem Boden aufschlug gab es plötzlich nur eine Person, die mir Halt bot.

Die mir schon immer Halt geboten hatte, die ich aber ignoriert hatte. Bis jetzt.

Bis ich endlich eingesehen hatte, dass Amelia Recht hatte. Das sie mich nicht angelogen hatte. Doch es passte immer noch nicht ganz in meinen Kopf.

Wie konnte ich nur so dumm gewesen sein und Brook vertrauen? ICH, der selber gesehen hatte, wozu er fähig war.

Und jetzt hatte ich alles zerstört. Es würde nie wieder so sein, wie es einmal war, denn ich hatte das mühsam aufgebaute Vertrauen zu Harry und den Gryffindor zerstört. Und auch zwischen Amelia und mir war es noch lange nicht so wie zuvor.

Ich konnte nicht von ihr verlangen, mir so einfach zu verzeihen, aber ich konnte wenigstens versuchen, es auch nur ansatzweise wieder gut zu machen.

„Was machen wir jetzt?", sprach ich die Frage aus, die mir schon die ganze Zeit durch den Kopf geisterte. Amelia ließ mich langsam los und brachte wieder ein wenig Abstand zwischen uns.

„Es ist noch nicht alles verloren", murmelte sie und ich erkannte einen leichten Schimmer von Hoffnung in ihren Augen.

„Ich habe das nicht verdient", flüsterte ich mit rauer Stimme, die immer noch vom Weinen bestraft wurde, „das du die ganze Zeit an mich geglaubt hast, obwohl ich es selber nicht mehr getan habe."

Beschämt senkte ich den Kopf. Ich konnte einfach nicht glauben, dass sie mich nach all dem immer noch mit diesem mitfühlenden, warmen Blick ansah.

„Du kannst doch nichts dafür", erwiderte sie ernst.

„Oh doch", ich konnte die Bitterkeit einfach nicht aus meiner Stimme vertreiben. Sie saß da fest wie ein dicker Stein.

„Letztendlich sind wir alle nur Menschen und es passiert, dass wir Fehler machen. Und ich finde, jeder hat eine zweite Chance verdient."

„Aber ich habe bereits so viel falsch gemacht. Ich wette, du kennst immer noch nicht die ganze Geschichte. Doch ich schaffe es nicht, sie dir zu erzählen.

Wie viele Chancen willst du mir noch geben um endlich einzusehen, dass ich nicht der bin, den du gerne hättest? Ich kann einfach nicht gut sein. Es geht nicht. Immer wenn ich es versuche geht es schief..."

Ich stockte. In meinem Inneren wusste ich, dass es die Wahrheit war. Pure, hässliche Wahrheit, um die sich im Moment alles so sehr drehte.

Auf einmal spürte ich Amelias kalten Finger an meinem Kinn, der mich zwang, ihr in die Augen zu blicken.

„Aber ich möchte dich doch gar nicht verändern", flüsterte sie voller Ernst in der Stimme, „Du musst für mich nicht GUT sein, du musst nicht BÖSE sein, du musst niemanden etwas vor machen.

Das einzige, was ich von dir verlange, ist echt zu sein. Für mich. Denn ich liebe dich so, wie du bist und daran wird sich nichts ändern. Und egal wer da kommt, hörst du? Völlig egal, es wird meine Liebe zu dir nicht zerstören."

Meine Finger krallten sich wie von selbst während ihrer Worte in meinen Pullover und mein Mund war plötzlich furchtbar trocken. Was konnte ich schon darauf sagen?

Ich hatte einfach alle enttäuscht, selbst mich. Nein, mich hatte ich am MEISTEN enttäuscht.

„Danke", murmelte ich berührt und versuchte, meine angespannten Muskeln zu lockern.

Gerade in diesem Moment wurde die Tür mit einem ungeduldigem Ziehen aufgerissen. Wir beide zuckten erschrocken zusammen und drehten uns zu dem herein strömendem Licht. Geblendet hielt ich mir die Hand gegen die Augen und blinzelte schnell.

Da standen sie. Die Weasley Zwillinge, völlig außer Atem und der Schweiß lief ihnen über das rote Gesicht.

„Schnell", rief Fred ohne eine Begrüßung, „wir haben nicht viel Zeit. Sie sind uns auf den Fersen!"

Zu einer anderen Zeit hätte ich mich wahrscheinlich geweigert, mitzugehen, doch jetzt stand ich ohne zu zögern auf und rannte den beiden hinterher.

Etwas hatte sich geändert und es wurde Zeit für mich das endlich einzusehen.

„Wohin bringt ihr uns?", ich versuchte meine Stimme so gut es ging zu dämpfen, während unsere Schritte in den leeren Gängen verhallten. Wir mussten sowieso überall zu hören sein.

„Zu Harry", antwortete George mir. Seine Hand hielt den Zauberstab schützend umklammert und ihm war anzusehen, dass er Angst hatte.

Ja, es war Angst, die ihm da in Strömen den Nacken herunterlief und die ihn immer weiter nach oben trieb, bis wir schließlich durch das Eingangstor liefen und unsere Körper sofort an die dicke Mauer des Gebäudes drückten.

Es war dunkel geworden. Die Sterne standen hoch am Himmel, doch im Osten kündigte sich bereits die Sonne mit einer zarten Helligkeit am Horizont an.

So sehr war mir anscheinend das Zeitgefühl geraubt worden, dass ich nicht einmal mitbekommen hatte, dass wir die ganze Nacht wach gewesen waren.

Auf einmal stand jemand direkt vor uns und hielt uns seinen Zauberstab entgegen gerichtet, doch ich konnte lediglich einen Schemen ausmachen.

„Wer ist da?", zischte er durch zusammengebissene Zähne.

„Fred und George und Amelia mit Draco", antwortete Fred schnell und hielt seinen Zauberstab ebenfalls auf Anschlag. Doch als unser Gegenüber die Namen hörte atmete er erleichtert auf.

„Gott sei dank, da seid ihr ja endlich. Kommt", jetzt erst erkannte ich Rons Stimme. Auf einmal spürte ich kalte Finger, die sich an meine Hand schmiegten. Als ich aufblickte sah ich Amelias lächelnde Augen, die mir versprachen, dass alles gut werden würde.

Nur ich war nicht so dumm es zu glauben. Wir hatten uns das ganze schon einmal vorgemacht: Das alles gut wird. Stattdessen war unser schlimmster Albtraum eingetreten.

Nein, so etwas würde ich nie wieder glauben. Denn wie hieß es noch gleich? Besser man machte sich keine Hoffnung, dann konnte man sich nachher umso mehr über etwas freuen.

Oder aber die Enttäuschung war nicht so groß.


Mein Bruder Harry Potter #Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt