XLIX. Pläne

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Owens Sicht:

„Hörst du mir überhaupt zu, Grady?", schnaubte Dalton mich von der Seite an. Seine Stimme bohrte sich in meinen Schädel und ich hatte Probleme, ihm zu folgen, obwohl er nur wenige Wörter sagte. Mein Blick war noch immer auf die Leichensäcke gerichtet, die sich vor uns stapelten. Zweihundertsiebenundachtzig waren es. Und irgendwo dazwischen waren die Soldaten, die versucht hatten, jeden zu schützen, die freiwilligen Helfer, die mit der Reise auf diese Insel in ihren Tod gefahren sind und die Ärzte und Arzthelfer, die weder sich noch andere Menschen retten konnten. Sie würden ab diesem Tag vermisst werden. Das war es, was mir so zusetzte: Sie wurden brutal aus deren Familien gerissen.

„Gibt es welche, die überlebt haben?", fragte ich benommen und traute mich nicht, den jungen Offizier anzusehen.

Ich sah ihn im Augenwinkel nicken. „Ja, aber nicht sehr viele. Außerdem werden alle von ihnen wahrscheinlich einen bleibenden Hörschaden davontragen. Je schneller sie von der Insel kommen, desto besser", sagte er und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. „Wir haben den Vorfall gemeldet, haben aber noch nicht angegeben, wie viele gestorben sind. Ich will nicht wissen, was gerade in den Staaten los ist."

Ich schloss für einen Augenblick die Augen, als ich glaubte, dass mir der Boden unter den Füßen weggezogen wird. „Was hat die Regierung dazu gesagt?", fragte ich leise. In meinem Kopf dröhnte es schrecklich, als ich das Bild des Indominus vor meinen Augen hatte. Dunkle, vor Wut schimmernde Augen schauten mich an, als er langsam sein breites Maul öffnete, das vor dickflüssigem Blut triefte. Ich hielt den Atem an.

„Sie haben Dinge gesagt, die du nicht wissen möchtest", antwortete er nur und legte seine Hand auf meine Schulter. Eine Geste, die ich nicht von ihm erwartete hatte. Langsam schob er mich zur Tür zurück, doch ich hatte das Gefühl, dass ich nicht gehen konnte, nicht gehen durfte. Irgendwas ließ mich innehalten, das Rauschen in meinen Ohren machte mich taub.

„Ich will es wissen", meinte ich, meine Stimme war so laut, dass die Stimmen in meinem Kopf sicherlich erschrocken schwiegen. Dalton fuhr bei meinem Aufschrei zusammen und blickte mich nervös an. Seine Hand hatte er wieder von meiner Schulter genommen.

„Ich möchte nicht, dass du noch mehr Ballast auf den Schultern hast, deswegen kannst du betteln und drohen wie du willst. Ich werde es dir nicht sagen", sagte er in mein Gesicht und löste damit ein noch nie dagewesene Hoffnungslosigkeit aus. Ich hätte mich wie ein Kind im Supermarkt auf den Boden schmeißen und schreien können. Andererseits dankte ich ihm aber auch dafür, dass er wenigstens ein wenig ehrlich zu mir gewesen war. Ich hatte die Lügen um mich herum satt, ich wollte endlich Gewissheit haben.

„Komm mit", sagte er. Seine Hand befand sich wieder auf meiner Schulter. „Wir müssen uns beeilen."

Meine Beine setzten sich nur schwerfällig in Bewegung und ich hatte das Gefühl, nicht wirklich voran zu kommen. Doch mit der aufgebrachten Kraft von Dalton befand ich mich wieder schnell in dem finsteren Fluren, die wir gegangen waren. Ich war mit meinen Gedanken nicht da, wo ich sein sollte. Eigentlich sollte ich mich nun fragen, wie wir alle Sachen zusammenbekommen, ich sollte mir den Kopf darüber zerbrechen, wie alle Menschen lebend ans Festland gelangen können. Da es jedoch nun kaum noch Menschen gab, die ich beschützen konnte, hatte ich nur Claires Gesicht vor meinen Augen.

Nach gefühlt endlosen Schritten kamen wir in dem Hauptflur an, in dem die Menschen unruhig von Zimmer zu Zimmer liefen. Viele von ihnen trugen Koffer und Kisten, die mit speziellen Stempeln dem Träger sagen sollten, dass sie vorsichtig getragen und gesichert werden mussten. Ich wurde von Dalton zu der Tür von Claires und meinem Zimmer gezogen, vor dem ich abrupt stehen blieb.

„Was soll das werden?", fragte ich ihn bissig, als er mich weiterziehen wollte, ich mich jedoch gegen ihn stemmte und ihn dadurch wieder zu mich zog.

Devil | After Jurassic WorldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt