Teil 6
Er ist unmöglich!
Egal was ich versuche, um Jayce kennenzulernen, er blockt einfach alles ab.
Ich habe sicher fast ununterbrochen eine Stunde versucht mit ihm zu sprechen, doch es bringt nichts.
Er gibt mir immer nur kurze oder ziemlich unklare Antworten.Jetzt sitze ich im Wohnzimmer auf der sehr bequemen Couch und überlege, wie ich das Eis zwischen uns beiden brechen könnte.
Das klingeln der Türglocke reisst mich aus meinen Gedanken.
Verwirrt, wer das sein könnte, stehe ich auf und laufe zur Tür. In dem Moment, in dem ich in den Gang gelange, kommt Jayce die Treppe runter.
„Wer ist das?" Fragt er mich skeptisch.
„Woher soll ich das denn wissen?" Stelle ich ihm eine Gegenfrage und öffne die Haustür.
Vor mir stehen zwei Frauen mit einem Teller voller Kekse.
„Herzlich Willkommen in der Nachbarschaft!" Rufen sie beide gleichzeitig und strecken mir den Teller entgegen.
„Oh wie nett, aber das wär doch nicht nötig gewesen. Vielen Dank." Sage ich lächelnd, nehme den Teller und strecke der zierlichen Frau mit den roten Haaren die rechte Hand hin. „Ich bin Kaitlyn Winston. Freut mich sehr euch kennenzulernen." Stelle ich mich vor und reiche dann auch der anderen Frau, mit hellbraunen kurzen Haaren, meine Hand um sie zu begrüssen. „Mein Namen ist Joy Dallas und das ist Julia Green." Joy zeigt auf die braunhaarige Frau neben ihr, als sie sie erwähnt.
Plötzlich spüre ich zwei Hände, die sich von hinten auf meine Hüften legen. Vor Schreck hätte ich fast geschrien, wenn ich nicht früh genug gemerkt hätte, dass es nur Jayce ist.
Er drückt mir einen Kuss auf die Wange bevor er sich an die zwei Frauen wendet, die ihn beide mit grossen Augen ansehen.
„Hey ich bin Jayce Winston und ihr müsst unsere neuen Nachbaren sein, nicht wahr?" Fragt er mit einem umwerfenden Lächeln. Beide nicken eifrig und Julia sagt kichernd: „Ja genau."
Sie benimmt sich wie ein kleines Schulmädchen, denke ich genervt. Es ist offensichtlich, dass die zwei völlig begeistert von Jayce sind und ihr Verhalten deswegen finde ich total lächerlich, immerhin sind sie beide, dem Ring an ihrem Finger nach zu urteilen, verheiratet.
„Es freut uns wirklich sehr neue Nachbaren zu haben, deshalb möchten wir euch heute herzlichst zum Abendessen einladen. Als eine Art Wilkommensessen. Die ganze Nachbarschaft wird da sein und da darfst d... ehm... dürft ihr natürlich nicht fehlen." Sagt Julia und schaut dabei nur Jayce an. Wie sich Julia mitten im Satz verbessert hat, ist mir nicht entgangen. Seit mein Mann aufgetaucht ist, scheine ich für diese Frauen unsichtbar zu sein. Aber irgendwie kann ich den zwei Frauen ihr Verhalten nicht richtig übel nehme. Ich meine auch wenn Jayce eigentlich nicht so mein Typ von Mann ist muss ich zugeben, dass er verdammt gut aussieht.
„Wir kommen sehr gerne, danke für die Einladung." Sage ich möglichst freundlich.
Sie sagen uns noch die genaue Uhrzeit und den Ort und danach verabschieden wir uns auch von einander, da wir uns sowieso in ein paar Stunden wieder sehen würden.
Kaum habe ich die Tür geschlossen drehe ich mich zu Jayce um und sage: „Okay das Essen beginnt bereits in wenigen Stunden, das heisst wir sollten uns langsam vorbereiten."
Er sieht mich mit nach oben gezogener Augenbraue an.
„Ich glaube wir können da auch normal auftauchen, immerhin ist es ja nur ein Essen unter Nachbaren."
Nun bin ich an der Reihe in verwirrt anzusehen, bis mir dann klar wird, dass wir uns offensichtlich missverstanden haben.
"Oh ich meine nicht, dass wir uns anziehen sollen. Ich wollte eigentlich, dass wir die Fragen durchgehen."
Jetzt schenkt er mir wieder einen irritierten Blick. „Welche Fragen?"
Ich packe seinen Arm und ziehe ihn hinter mir her ins Wohnzimmer.
„Na die Fragen, die man jedes Ehepaar fragt, das man neu kennenlernt." Erkläre ich und setzte mich mit ihm zusammen auf das Sofa.
„Einer dieser Fragen wäre zum Beispiel: ‚Wie lange seid ihr schon verheiratet?' oder ‚Wie habt ihr euch kennengelernt' und ich denke wir sollten üben, damit unsere Antworten auch gut sind."
Ich weiss, dass ich ein Kontrollfreak bin. So bin ich schon immer gewesen. Die Kontrolle über alles zu bewahren, ist in der Vergangenheit mein Weg gewesen um Ordnung in mein Leben zu bringen.
Jayces verwirrter Gesichtsausdruck wird durch einen kritisches Stirnrunzeln ersetzt. „Auf diese Fragen können wir doch auch einfach irgendwie antworten, du weisst schon, wir improvisieren."
Jeder, der auch nur ein wenig kontrollsüchtig ist, versteht wenn ich sage, das es nicht einfach ist diesen Zwang zu unterdrücken und zu improvisieren.
„Könnten wir schon, aber was ist wenn sie irgendwann nochmal fragen? Oder jemand anderes uns die selben Fragen stellt, während unsere Nachbaren da sind und mithören? Wir müssten die gleiche Antwort geben und wenn wir einfach irgendetwas sagen, würden wir es sicherlich vergessen. Es ist sehr wichtig, dass wir unsere Tarnung aufrecht erhalten." Versuche ich ihn davon zu überzeugen mit mir die Antworten zu probe. Er sieht mich eine Weile nur an und seine sturmgrauen Augen bohren sich in meine braunen. Es fühlt sich so an, als ob er mir direkt in die Seele sehen würde.
Langsam werde ich nervös unter seinem analysierenden Blick und das scheint er zu bemerken.
Er lehnt sich im Sofa zurück und seufzt: „In Ordnung, lass es uns hinter uns bringen."Ein paar Stunden später stehen Jayce und ich vor einem Haus, das dem unseren recht ähnlich sieht.
Nervös klingle ich an der Tür von Julias Haus. Wir hatten knapp dreissig Minuten unsere Antworten geübt als Jayce plötzlich einfach eingeschlafen ist, während ich gerade dabei war, Notizen zu machen. Ich weckte ihn dann auf und wollte weiter machen doch er murmelte nur etwas ähnliches wie ‚Genug geprobt' und hat den Fernseher angestellt, um Fussball zu schauen.
Wir warten, das uns jemand die Tür öffnet und ich schaue kurz rüber zu Jayce. Dieser scheint die Ruhe selbst zu sein, während ich fast vor lauter Nervosität sterbe.
Das wird unser erster richtiger Auftritt als Ehepaar und wir müssen überzeugend wirken! Wenn unsere Nachbaren merken, dass wir uns selbst erst seit ein paar Stunden kennen, würde das unsere gesamte Tarnung gefährden.
Die Tür wird geöffnet und eine lächelnde Julia steht dort, um uns zu empfangen.
„Ah Jayce, Kaitlyn schön, dass ihr gekommen seid." Sowohl ich als auch Jayce begrüssen Julia und folgen ihr danach ins Haus.
Im Wohnzimmer sind noch fünf andere Menschen anwesend.
Jayce und ich sind allem Anschein nach die Jüngsten im Raum. Eine rundliche Frau mit kurzen braunen Haaren sitzt auf der Couch und neben ihr ist ein kräftiger Mann mit einem Vollbart. Auf einem Sessel sitzt ein Mann mit schwarzen, etwa kinnlangen Haaren, die er sich nach hinten gebunden hat. Auf seinem Schoss sitzt Joy. Ein weiterer Mann mit blonden Haaren steht im Raum und verteilt gerade ein paar Getränke an die restlichen Leute. Es scheint, als wären wir die letzten von den Nachbaren, die gekommen sind. Plötzlich klatscht Julia neben mir in die Hände, um die Aufmerksamkeit der Anderen auf sich zu ziehen.
„Hört mal alle her. Das hier sind unsere neuen Nachbaren Jayce und Kaitlyn Winston." Wir begrüssen uns gegenseitig und auch die anderen stellen sich uns vor.
Der Mann mit dem Vollbart heisst Gordon Henderson und die Frau die neben ihm sitzt ist seine Ehefrau Chloe. Der Mann der die Getränke verteilt hat und jetzt auch mir und Jayce ein Glas in die Hand drück, stellt sich als Andy, Julias Ehemann vor und Joys Ehemann, der mit den längeren Haaren, heisst Felix.
Als wir dann die kleine Vorstellungsrunde beendet haben, setzten wir uns zu den anderen.
Nach ein paar lockeren Gesprächen, wird uns auch schon die erste Frage gestellt.
„Wieso seid ihr eigentlich hier her gezogen?" Fragt Andy uns während Joy fast gleichzeitig fragt, wo wir vorher gewohnt haben. Ich werfe einen kurzen triumphierenden Blick in Jayces Richtung, da ich mit den Fragen recht hatte und er jetzt sicherlich auch froh ist, dass wir zuvor geübt haben.
„Wir lebten in Arizona und wir sind hier her gekommen, weil wir schon recht lange umziehen wollten, da unser Haus langsam zu klein wurde und es hat sich so ergeben hat, dass ich gleich hier in der Nähe einen guten Job gefunden habe." Sagt Jayce und legt danach lächelnd einen Arm um mich.
Was zu Hölle sollte das gerade?!
Das was er gesagt hat, ist etwas völlig anderes als das was wir abgemacht hatten!
Entweder macht er das mit Absicht oder er hat mir bei der Probe nicht zugehört, in beiden Fällen ist er einfach ein verdammter Idiot!
Er macht alles zunichte!
Er hat mir mit seiner Improvisation die Kontrolle genommen...Ihr erster Auftritt als Ehepaar was haltet ihr davon?
Ach und wie findet ihr das neue Cover? Ist das alte besser?
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My new life
ChickLitStell dir vor: Dein Leben ist einfach nur perfekt. Alles verlief genau so, wie du es immer wolltest. Doch dann findest du heraus, dass dein Nachbar ein kranker Psychopath ist und noch dazu der Anführer einer der grössten Strassengangs des Landes. ...