Teil 23

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Teil 23

Die letzten Tage waren seltsam oder besser gesagt: Jayce war seltsam.
Er ist fast nicht mehr zu Hause. Er geht früh weg und kommt immer erst sehr spät von der Arbeit zurück.
Angeblich hat er auf der Arbeit extrem viel zu tun.
Ich kaufe ihm dies jedoch nicht ab und es enttäuscht mich, dass er mich anlügt, obwohl er mir versprochen hat mich nie bei etwas wichtigem anzulügen.
Seitdem merkwürdigen Vorfall im Einkaufszentrum scheint er fast schon paranoid zu sein.
Er sieht sich andauernd um, schaut immer, dass alle Fenster und Türen verschlossen sind und ist generell sehr unruhig.
Ich mache mir langsam echt sorgen, doch er hat bis jetzt immer noch nichts zu mir gesagt, was sein Verhalten auf irgendeine Weise erklären würde.
Er hat sich mir in keinster Weise anvertraut.
Seufzend klappe ich mein Buch zu.
Als die Kinder vor ein paar Stunden schlafen gingen, wollte ich noch etwas lesen, da ich schon lange nicht mehr dazu gekommen bin. Ich konnte mich jedoch kaum auf die beschriebenen Seiten konzentrieren.
Meine Gedanken sind nur bei Jayce.
Eigentlich hatte er heute bereits um fünf Uhr Feierabend. Mittlerweile ist es fast Mitternacht und er ist immer noch nicht da.
Erschöpft stehe ich von der Couch im Wohnzimmer auf und laufe leise die Treppe hoch in das gemeinsame Schlafzimmer von mir und Jayce.
Müde lege ich mich ins Bett.
Nach einigem hin und her wälzen schlafe ich dann endlich doch noch, immer noch mit den Gedanken bei meinem Mann, ein.

Durch das plötzliche Schliessen der Zimmertür werde ich geweckt.
Verschlafen reibe ich mir die Augen und werfe einen Blick auf den digitalen Wecker, der auf meinem Nachttisch steht.
01:24 steht dort in einer grünen Leuchtschrift geschrieben.
Ich brauche eine Weile, bis mir klar wird mir, durch was ich da gerade wach geworden bin. Wie vom Blitz getroffen springe ich aus dem Bett und renne durch die Tür auf den Flur.
Ich höre seine dumpfen Schritte die Treppe runter laufen und sofort folge ich den Geräuschen nach unten.
Ich hole ihn an der Eingangstüre ein.
„Jayce!" Sage ich seinen Namen.
Ich versuche möglichst leise zu bleiben, da die Kinder ja noch oben schlafen.
Ertappt bleibt er stehen und dreht sich zu mir um. Er ist komplett angezogen und hat eine grosse Sporttasche  bei sich.
Misstrauisch beäuge ich das Gepäckstück.
„Was hast du vor?" Frage ich leise, mit einer bösen Vorahnung.
Er antwortet nicht auf meine Frage, sondern sieht mich eine Weile lang einfach nur an. Dann entscheidet er sich doch noch dazu, etwas zu sagen.
„Nach was sieht es denn aus?" Meint er in einem spöttisch Ton.
„Es sieht danach aus, als ob du heimlich mitten in der Nacht abhauen würdest, ohne irgendetwas zu sagen." Antworte ich ehrlich auf seine wohl eher rhetorisch gemeinte Frage.
„Wieso fragst du mich etwas, wenn du die Antwort darauf schon kennst?" Sagte er daraufhin lediglich.
Sein Gesicht zeigt keinerlei Emotionen und ich starre ihn eine Weile wortlos an.
„Du willst uns im Stich lassen?" Frage ich fassungslos und weigere mich, mir das Offensichtliche einzugestehen.
Er sagt nichts dazu und schweigt einfach nur, doch das reicht mir als Antwort vollkommen aus.
„Du willst deine Familie und dein Leben einfach so verlassen?" Frage ich noch einmal nach.
Die Enttäuschung über seine Entscheidung ist riesengross.
„Das hier ist nicht mein Leben. Es war es nie und wird es auch nie sein! Ich wollte so etwas nicht, es passt nicht zu mir den liebenden Ehemann und Vater zu spielen, ich kann diese Maskerade nicht mehr länger aufrechterhalten." Zischt er zornig und macht eine kurze Sprechpause. Dann fährt er etwas leiser fort: „Und ihr, du und diese Kinder, ihr seit nicht meine Familie!"
Zutiefst verletzt von seinen Worten, wende ich den Blick von ihm ab. Ich kann ihm nicht mehr in die Augen schauen, wenn er so etwas denkt.
„Familie bedeutet nicht immer nur Blutsverwandtschaft! Mit Familie sind die Menschen in deinem Leben gemeint, die dich auch in ihrem Leben haben wollen. Diejenigen, die dich so lieben und akzeptieren wie du bist!"
Ich wage es nicht ihn anzusehen. Ich will nicht sehen wie egal ihm meine Worte sind. Ich könnte es nicht ertragen...
Als er nichts erwidert, spreche ich weiter.
„Ich liebe dich Jayce und ich weiss gerade echt nicht, was dein Verhalten zu bedeuten hat, aber so wie du dich gerade benimmst, entspricht es ganz und gar nicht dem Mann, den ich so sehr liebe. Ich bitte dich deine Entscheidung nochmal zu überdenken, nicht für mich, sondern für Dylan und Gracy.
Denn diese Kinder sind nicht einfach nur irgendwelche Kinder, Jayce. Sie sind unsere Kinder! Sie brauchen uns, sie brauchen dich. Sie haben schon mal ihre Eltern verloren. Du bist der einzige Vater den sie noch haben. Tu ihnen das nicht an..." Gegen Ende meines Überzeugungsversuches wird meine Stimme immer wie schwächer und ich spüre wie sich Tränen in meinen Augen sammeln.
Als Jayce immer noch nichts sagt, sehe ich doch wieder zu ihm auf.
Sein Gesicht zeigt weiterhin kein bisschen an Emotionen.
Seine stürmischen grauen Augen wirken leer und kalt.
Er atmet einmal tief ein und aus, dann schultert er seine Tasche und sieht mir noch einmal tief in die Augen.
„Es tut mir leid..." haucht er und für einen Moment, habe ich das Gefühl, dass er es ernst meint.
Er dreht sich um, öffnet die Tür und tritt in die kühle Nachtluft hinaus.
Ohne noch irgendetwas zu sagen oder noch einmal zurück zu sehen, schliesst er die Eingangstüre und ist somit verschwunden.
Fassungslos betrachte ich die geschlossene Tür.
Er ist weg.
Er ist einfach so gegangen.
Er hat uns verlassen.
Auf einen Schlag überrollt mich meine gesamte Trauer, wie ein riesiger Felsbrocken. Die Tränen fliessen mir in Strömen über die Wangen und ich versuche meine Schluchzer mit meinen Händen zu dämpfen.
Ich kann es einfach nicht fassen. Wieso hat er das getan?
Ich dachte, er würde mich lieben.
Auch dachte ich, dass er wenigstens die Kinder genug liebt, um zu bleiben.
Ich habe mich geirrt...

Was denkt ihr? Wie findet ihr das Kapitel?
Ich wollte euch noch fragen wie ihr das Buch generell findet?
Ich bin immer sehr froh über eure Kommentare und eure konstruktive Kritik

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