Zusammen

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Die Fahne des Wanderprinzen schlug ihnen lang und wallend schon von weitem entgegen.

Norwin sah sie wehen und kam nicht umhin, einen raschen Blick um sich zu werfen und die Reaktionen der Männer abzuschätzen, die sie ebenfalls über die letzte Ausläufer der Stadt hinausragen sahen. Viele ihrer Gesichter blieben neutral, doch er erkannte einige gerunzelte Stirnen und verärgert zusammengezogene Augenbrauen.

Er hoffte nur, dass sich gerade die Ratsfürsten und Herzoge, die vorne mit ihnen ritten, zurückhalten konnten. Natürlich war er selbst skeptisch, was die Motivationen des Wanderprinzen anbelangten, aber offene Feindseligkeit war nie der richtige Weg, das hatte er früh mit Hagen gelernt. Es war auch der Grund, warum er es jung zum General gebracht hatte, anders als die Kameraden, die einfach nur kämpfen und draufhauen wollten.

Als sie endlich zwischen den Häusern hervorritten, hin zu der weiten Ebene gen Westen, wo die Morgenländer die letzten Tage ihr Lager aufgeschlagen hatte, standen sie bereits bereit. Ihre Gesellschaft sah schon von weitem deutlich bunter aus, auch für die Reise hatten sie ihre farbenprächtigen Stoffe nicht abgelegt und selbst ihre bepackten Karren waren in glänzendes Rot oder Blau eingeschlagen. Noch dazu hielten sie sich nicht allein an Pferde – mächtige Kamele waren schwer mit Körben beladen, Esel mit heller Schnauze und braunem, weichen Fell zogen die Karren und in Käfigen flatterten bunte Vögel kreischend umher. Die große, gefleckte Katze umstrich die Beine des Schimmels, auf dem der Wanderprinz saß, sein goldener Turban glänzend, genau in der Mitte seines Gefolges. Jemand zerrte sie allerdings am Halsband zurück, als die Abendländer näher kamen und sie verschwand aus seinem Blickfeld.

Ein paar der Morgenländer spielten ungewöhnliche, schräg klingende Seiteninstrumente und bliesen in gebogene Hörner, die einen abfallenden, tanzenden Klang erzeugten. Der Lärm, den die gesamte Gesellschaft machte, mit allen schwatzenden Dienern und kreischenden Tieren zusammen, klang mehr nach einem vollen Markttag als einer ernsthaften Mission. Doch der Wanderprinz schien sich daran nicht zu stören, genauso wenig wie die gute Handvoll Begleiter, die um ihn herum ähnlich edel und starr auf den Pferden saß.

Prinz Hagen hob die Hand, als sie nah genug heran waren, und Norwin gab den Befehl brüllend nach hinten weiter.

„Kompanie, halt!" Die Führer der kleineren Soldatengruppen anderer Herren gaben ihn schnell weiter, und der ganze Zug kam zu einem ruckelnden Stillstand, noch bevor die letzten von ihnen aus den Reihen der Häuser hervorgekommen waren.

Hagen winkte Norwin zu sich, bevor er sich vom Pferd schwang, und gemeinsam gingen sie zu Fuß auf den Wanderprinzen zu.

Norwin musterte die unruhigen Reihen seiner Begleiter und stellte zu seinem großen Erstaunen fest, dass eine nicht unerhebliche Zahl an Frauen unter ihnen waren – noch nicht einmal welche, die allzu kräftig oder kampferprobt aussahen, oder von edlem Blut schienen, wie die Fürstin Mathilda. Der Wanderprinz schien einfach nicht daran gedacht zu haben, dass die Reise vielleicht für die Tänzerinnen und Dienerinnen seines Gefolges zu beschwerlich, oder gar gefährlich werden könnte. Er hörte König LePapin hinter sich aufschnauben und wahrscheinlich war er zu derselben Erkenntnis gelangt. Sie machten sich auf ein gefährliches Abenteuer auf, keinen vergnüglichen Jagdausflug.

„Eure Hoheit", begrüßte Prinz Hagen den Wanderprinzen laut. „Ich hoffe, Ihr hattet eine geruhsame Nacht?"

Der Wanderprinz nickte erhaben und bedeutete seinem Übersetzer neben ihm zu schweigen, der daraufhin mit fast tadelnd erhobenen Augenbrauen reagierte.

„Das hatte ich wohl", antwortete er ruhig und gut verständlich, sodass Norwin sich fragte, ob er den Übersetzer je wirklich gebraucht hatte. „Wir sind sehr bereit für den Aufbruch."

Dornen - Das verwunschene KönigreichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt