Er hatte nur mit Herwen reden wollen, in aller Ruhe im Haus seiner Familie, in der Hoffnung, dass er sich dort eher dazu überreden ließ, seinen Platz im Gefolge des königlichen Zugs nach Ilreth aufzugeben. Wirklich, mehr war ihm bisher nicht eingefallen, was er tun könnte. Kurz hatte er mit dem Gedanken gespielt, zum König selbst zu gehen – aber als er es gewagt hatte, davon in der Küche kurz anzufangen, hatten ihn die Mägde schon sofort ausgelacht, also hatte er es wieder aufgegeben.
Die Männer von Fürst Vitus waren ihm auf dem Rückweg aufgefallen, wie sie schon angetrunken durch die Straßen schlichen und auf Streit aus waren. Einer von ihnen hatte ihn schon so komisch angesehen, dann hatte ihn ein anderer herbeigerufen und dann waren der Schrei und ein Schwall aus unverständlichen Wörtern gefolgt. Albin konnte nicht einfach weghören, auch wenn er genau wusste, wie unbequem die Begegnungen mit den Männern war, und wie schwer sie aufzuhalten waren. Fürst Vitus verstand sich darauf, wenig von seinen zerstörerischen Ambitionen zu Hofe zu zeigen, das wusste er von dem, was Lore schon heimlich vor seinen üblicherweise bezogenen Gemächern belauscht hatte, und genauso waren seine Männer sehr geübt darin, den Ärger nur dort zu suchen, wo ihnen niemand etwas nachsagen konnte.
Sie suchten sich mit großer Geschicklichkeit immer diejenigen aus, denen man nicht glaube oder die gar nicht erst wagten, ihre Beschwerden zu Hofe vorzubringen und hinterließen wenig Spuren, falls sie sich einmal geirrt hatten. Nur ließen sie zu viel Geld in den Wirtshäusern der Stadt, als dass sich ein allzu großer Widerstand gegen sie formen konnte.
Albin schlich ihnen vorsichtig um die Ecke hinterher, wo einer der Maraldurer, auch von hinten klar an seinem Seidenumhang zu erkennen, gerade dabei war ... eine Mauer zu besteigen? Er runzelte die Stirn. Dass die Fremden seltsam waren, hatte er bereits festgestellt, aber nach Torschluss in schlichte Armenhäuser eindringen machte ihn dennoch mehr als stutzig. Dann sah er den Vogel, mit dem er zu reden schien und ihm stockte vor Faszination der Atem. Er war aus Holz – und er bewegte sich ganz allein, wie von Zauberhand.
„Magie", flüsterte er beeindruckt. Er hatte wenig davon bisher selbst gesehen. Selbst wenn jemandem im Schloss oder wenigstens in der Stadt etwas Magisches geschah, so erfuhr er immer nur von Hörensagen davon und hatte die verwünschten Kochtöpfe, unverhofften Goldregen und zaubernde alte Mütterchen noch nie mit eigenen Augen erblickt.
Der Wanderprinz aus Maraldur hatte Zauberer mitgebracht, und Albin spürte die Sehnsucht danach, mit ihnen auszuziehen, mit neuer Stärke in seinem Herz pochen. Herwen hatte zu sehr Angst vor der Strafe, wenn er seinen zugeteilten Platz eintauschte, aber irgendeinen Weg musste es doch geben, wenn er den Zauberer fragte ...
Den Zauberer, denen die Männer von Fürst Vitus gerade den Weg versperrt hatten. Neben der Sehnsucht fühlte Albin eine schreckliche Nervosität, als er ihnen zusah.
Die Männer waren zu dem gleichen Schluss gekommen, dass der Maraldurer Zauberei gewirkt hatte, nur feuerte es ihren Hass gegen ihn noch weiter an. In den letzten Tagen hatte es viel Flüstereien gegeben wie das, was sie dort sagten, darüber, dass hoffentlich das ganze morgenländische Pack im Dornenwald zugrunde gehen würde, bevor sie ihnen den Anspruch auf das Königreich Ilreth streitig machten. Zu viele Fürsten und Herzoge, zu viele Söhne hoher Adeliger, zu viele edle Ritter und ihre Nachkommen träumten denselben Traum wie Albin, und dass hin und wieder einer eifersüchtig darauf bedacht war, seine Konkurrenten zu schwächen, blieb nicht aus.
Nur hatte Albin gedacht, dass die Freundschaft des Königs genug sein wurde, um die Gefolgschaft des Wanderprinzen zumindest hier in Gunderfort zu schützen.
Der Zauberer drehte sich um und zu seinem großen Erstaunen konnte er nicht viel älter als er selbst sein. Sein aufgeweckter Blick erinnerte ihn an Lore, und sein Gesicht kam ihm blass bekannt vor – er war Teil der Gruppe gewesen, über die er vor kurzem erst im Schloss gestolpert war. Er war also nicht nur ein Zauberer, er war noch dazu ein enger Vertrauter des Wanderprinzen.
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Dornen - Das verwunschene Königreich
FantasíaJeder kennt die alten Geschichten über die verfluchte Prinzessin, die in ihrem Schloss tief im Dornenwald zu ewigem Schlaf verdammt ist, bis ein würdiger Held sie und ihr Königreich erlöst. Viele sind über die Jahre ausgeritten, um dieser Held zu...