Die Dunkelheit um sie herum war verflogen und Samir wäre vielleicht glücklich darüber gewesen oder zumindest erleichtert, wenn sie sich nicht dafür fest in ihn hineingefressen hätte und seinen Kopf und sein Herz vergiften würde.
Er sah aus den Augenwinkeln, wie die letzte der brennenden Holzfiguren erlosch und stürzte, im selben Moment, indem Djadi in seinen Armen das letzte Mal zuckte und still wurde. Mit fahrigen Bewegungen tastete er nach seinem Handgelenk, aber noch bevor er es gefunden hatte war ihm klar, dass er keinen Puls mehr finden würde.
„Djadi", wisperte er verzweifelt, als könnten die Worte ihn zurückbringen, „Djadi, Djadi, Djadi!"
Samir beugte sich vor zu seinem regungslosen Gesicht und küsste ihn, kurz und sanft auf die ungewöhnlich heißen Lippen, salzig von den Tränen, die ihm ungehindert aus den Augen rannen. Das hier war zu groß, um es zu erfassen, aber sein Körper wusste, wie er zu reagieren hatte, er lenkte den Schmerz in Bahnen noch bevor er ganz zu ihm vorgedrungen waren.
„Djadi", sagte er wieder und zog ihn hoch, so fest an sich wie er konnte. Sein Arm war ihm im Weg dabei, sperrig und fremd und unnütz und er hörte das Aufkeuchen um sich, als der Ärmel darüber zurückfiel und offenbarte, wie sich der Stein schon über seinen Ellenbogen hinweg vorangefressen hatte. Samir hätte in diesem Moment allerdings schwören können, dass er längst sein Herz erreicht hatte. Wenn er jetzt erstarrt wäre, es hätte keinen Unterschied gemacht.
„Was für ein dummer, dummer Junge", murmelte Asifa dumpf irgendwo in der Nähe und er wollte hochfahren und sie zurechtweisen, aber er klammerte sich nur noch fester an Djadi. Er sah so friedlich aus, glücklich fast. Nicht wie ein Mann, der sich gerade selbst in Brand gesteckt hatte, um sie zu retten. Ihn.
„Wie konnte das passieren?", fragte Hagen fassungslos.
„Er hat ihnen sein Leben geliehen", antwortete Samir. Es strengte ihn an, seine Stimme ruhig zu halten. Seine Tränen wischte er sich nicht vom Gesicht. „Mit ihnen hat er sich selbst geopfert."
Er hörte sie tuscheln, aber er hatte keine Kraft ihren genauen Worten zu lauschen oder darauf zu reagieren, solange sie nicht direkt an ihn gewendet waren. Djadis Körper war immer noch warm, als könnte er doch noch die Augen aufschlagen, einen frischen Atemzug tun ...
„Wir müssen weiterziehen", sagte Sharif dumpf. „Er ... er hat uns weit gebracht, aber den Rest des Weges dürfen wir nicht vergessen."
Samir wünschte sich, Sharif wäre stumm geblieben. Er wünschte sich, sie würden ihn einfach hier sitzen lassen, während er Djadi hielt und versuchte zu begreifen, was geschehen war, warum es geschehen war. Warum sein dunkelster Albtraum wahr geworden war, nach all den anderen Verlusten, so kurz vor ihrem Ziel.
„Prinz Samir ...", begann Hagen vorsichtig, als er nicht auf Sharif reagierte.
„Es gibt keine Eile mehr", sagte er und war erstaunt darüber, wie ruhig seine Stimme klang. Viele Entscheidungen schienen so viel einfacher jetzt, einfacher und grausamer. „Mein oberstes Versprechen war, ihn nicht zu verlassen."
„Das kann nicht Euer Ernst sein", entfuhr es Hagen entgeistert und Samir vollbrachte es, aufzusehen, zu ihm hin. Sie warteten alle mit einigen respektvollen Schritten Abstand, all ihre Blicke auf ihn gerichtet. Fürstin Mathilda hatte mit einem Arm Zacharie an sich gezogen und den anderen um Lore gelegt, während ihre eigenen Augen feucht schimmerten.
„Ich werde bei ihm bleiben", beharrte Samir und merkte, dass die Ruhe seiner Worte sich auf ihn selbst übertrug. Es war so einfach. Ihm war nie klar gewesen, wie viel von alldem er für Djadi getan hatte.
Er sah, wie Hagen ungehalten das Gesicht verzog und zu einer Antwort ansetzte, aber es war Asifa, die ihrer Wut freien Lauf ließ. Sie schoss mit langen, stechenden Schritten zwischen Lore und Hagen hervor, wo sie bereits einige Längen weiter nach vorne gegangen war, ignorierte sein unangenehm berührtes Zucken, als sie ihm näher kam, als es alle anderen gewagt hatten und baute sich nur wenige Handbreit vor ihm auf.
DU LIEST GERADE
Dornen - Das verwunschene Königreich
FantasíaJeder kennt die alten Geschichten über die verfluchte Prinzessin, die in ihrem Schloss tief im Dornenwald zu ewigem Schlaf verdammt ist, bis ein würdiger Held sie und ihr Königreich erlöst. Viele sind über die Jahre ausgeritten, um dieser Held zu...