Es war, als machten sie sich zu einer Beerdigung auf.
Die meisten der verletzten und getöteten Männer waren bereits auf die Karren geladen und die Kutscher losgezogen, nur die letzten Beutel und Truhen wurden noch verladen. Von mehreren hundert Pferden, mit denen sie gekommen waren, nahmen sie nur dreißig mit, für die vier übrigen Wagen, die Adeligen und eine kleine berittene Vorhut, die ihnen auch nach oben den Weg freimachen sollte, damit tiefhängenden Ranken die Adeligen nicht von oben zerkratzen konnten.
Die Maraldurer nahmen mehrere bepackten Kamele und zwei niedrige Eselskarren mit und waren auch dieses Mal wieder schneller fertig, als der Rest der Gruppe. Sie sammelten sich bereits am Rand des Lagers in die Richtung des Dornenwaldes, während Diener und Soldaten überall sonst noch emsig damit beschäftigt waren, alles gut zu verpacken und zu verladen, oder sich Anweisungen von ihren Anführern zu holen.
Mathilda hatte wenig Energie, um sich um die anderen zu kümmern. Ihre zehn Soldaten waren alle da und bereit, Elowin ging zu Fuß mit anderen Beratern und Mitgliedern der königlichen und fürstlichen Stäbe hinter ihnen. Sie hatte ihm das Schwert nicht gezeigt, das sie gefunden hatte und es war als könnte sie seine Klinge verräterisch surren hören, obwohl es gut umwickelt zwischen ihren Klamotten versteckt war, die keiner ihrer Diener anzurühren wagen würde. Mit einem letzten Blick auf das Gepäck, das sie verluden, trieb sie ihr Pferd sanft davon, um sich zu Hagen zu gesellen.
„Bist du bereit?", fragte sie ihn leise. Er sah nicht einmal auf, sondern behielt seine Augen unverwandt nach vorne gerichtet, wo die Morgendämmerung den Wald gerade so erhellte, dass man die Soldaten sehen konnten, die sich in einer schmalen Reihe vor ihnen sammelten.
„Bis wir hier an der Reihe sind, die Dornen zu betreten, ist die Vorhut schon gänzlich in ihnen verschwunden", murmelte er. Es war schwer zu sehen, wie er sich dabei fühlte. Sein Gesicht blieb regungslos und neutral. „Lewin ist nicht zurückgekehrt."
„Ich weiß", sagte sie vorsichtig. „Während dem Frühstück hat es jeder umhererzählt."
Sie wollte ihn gerne beruhigen und ihm sagen, dass sich Lewin und seine Männer sicher nur verlaufen und in der Zeit geirrt hatten, dass sie schon wieder auftauchen würden wenn erst ihre lange und wahrscheinlich sehr laute Prozession die dornigen Ranken niederschlagen würde. Aber sie hatte selbst vergessen, wie Hoffnung schmeckte, nicht nur des Überfalls wegen, der sie so erschüttert hatte, sondern auch wegen jenem so bekannt erscheinenden Schwert, das mit den Banditen irgendwo aus den Dornen gekommen war.
Mathilda hatte auch nicht vor, Hagen davon zu erzählen. Sie kannte sich nicht so gut mit den Waffen ihrer Familie aus, um sofort zu wissen, wem das Schwert einmal gehört hatte. Wahrscheinlich könnte sie Belgert fragen, der schon ihrem Vater als Waffenbruder zur Seite gestanden hatte und auch ihren Brüdern und ihr die ein oder andere Kampfeslektion erteilt hatte, aber so genau wollte sie es auch nicht wissen. Das Schwert war alt und rostig, es mochte einem der unzähligen Vorväter gehören, die in den letzten Jahrzehnten aufgebrochen waren und die sie selbst nie kennengelernt hatte. Der ein oder andere war gewiss den Banditen zum Opfer gefallen, oder hatte einfach sein Schwert verloren, und jetzt hatte es durch einen seltsamen Zufall zurück in ihre Hände gefunden. Ein Zufall, nichts weiter, sagte sie sich immer wieder während Hagen neben ihr grimmig schwieg und nur hin und wieder knappe Anweisungen an vorbeieilende Soldaten erteilte.
Alaron preschte auf seinem Pferd einmal quer durch das halb abgebaute Lager und lachte herzhaft, als die Männer zu allen Seiten davonsprangen um den wirbelnden Hufen auszuweichen.
„War das nötig?", fragte Hagen seufzend.
Der andere Prinz grinste ihn nur breit an. „Im Dornenwald wird es wohl keine Gelegenheit mehr für viel Geschwindigkeit geben", meinte er. „Da will ich doch ein letztes Mal schön schnell reiten, bevor wir uns Tage des langweiligen Trottes aussetzen müssen."
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Dornen - Das verwunschene Königreich
FantasyJeder kennt die alten Geschichten über die verfluchte Prinzessin, die in ihrem Schloss tief im Dornenwald zu ewigem Schlaf verdammt ist, bis ein würdiger Held sie und ihr Königreich erlöst. Viele sind über die Jahre ausgeritten, um dieser Held zu...