Eine Frage des Vertrauens

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„Was sagt er?", fragte Hagen scharf. Der alte Berater hob den Kopf und unterbrach den Schwall von unverständlichen Worten, mit denen er auf Samir eingeredet hatte, aber er sah nicht aus, als wäre er sich dabei irgendeiner Schuld bewusst.

„Er drückte seine Sorge aus, in eine Sackgasse zu laufen", antwortete Samir ruhig. „Wir sind vom üblichen Pfad zum Schloss abgekommen und es ist unsicher, ob wir unseren Weg einfach finden werden."

Hagen brummte missmutig. Oh, das war ihm nur allzu bewusst.

„Hängt das nächste Mal ein ‚Der Wanderprinz sagt' davor, dann fühlt es sich fast an wie in alten Zeiten", sagte er. Es gefiel ihm nicht, wie schnell sie ins Morgenländische abfielen, jetzt, wo sie in der Überzahl waren. Er war zwar so weit, dass er nicht daran glaubte, dass sie sich vor seiner Nase gegen ihn verschworen, aber er mochte es nicht, als einziger aus den Gesprächen ausgeschlossen zu werden.

„Verzeiht mir, mein Prinz", sagte Samir. „Meine Begleiter sind in der abendländischen Zunge ungeübter und fühlen sich in ihrer Muttersprache wohler."

Er sah Hagen mit erhobenen Augenbrauen entgegen und Hagen seufzte.

„Nun, solange sie alles Wichtige in der Sprache sagen, in der ich es verstehen kann", lenkte er ein.

Samir warf Al-Hashid einen kurzen Blick zu.

„Das werde ich", sagte er knapp, fast widerspenstig, wenn es Hagen richtig einschätzte.

„Was ist Euer Problem mit mir?", fragte er scharf. „Ich habe mein Bestes getan, unsere Gruppe zusammen zu halten. Es war gewiss nicht mein Plan, uns vom Weg abzubringen."

Die Mienen von Al-Hashid und Iskandar blieben düster, nur Samir seufzte.

„Es gab viel Zwiespalt zwischen unseren Lagern, Prinz Hagen", sagte er. „Vergesst nicht, dass es wohl einer der Euren war, der unseren geschätzten Begleiter feige vergiftet hat."

„Keiner der gotundischen Soldaten hätte ...", begann er empört, doch Samir unterbrach ihn.

„In den Augen der meisten meiner Begleiter gibt es keinen Unterschied zwischen den Reichen der Abendländer", sagte er sanft. „Viele der Euren sahen uns als eine gleiche Masse, und so erwiderten wir den Blick. Ihr hattet Schwierigkeiten, Fremden zu vertrauen, aber bedenkt, dass uns die Abendländer genauso fremd waren wie wir Euch."

Hagen wusste darauf nichts zu erwidern. Samir hatte nicht nur Recht – genug seiner Männer und der anderen Abendländer waren den Morgenländern geschlossen von Anfang an mit Misstrauen begegnet und es war ihnen schwer nachzusehen, dass sie ihrerseits mit Misstrauen zu allen Abendländern reagierten – er hatte auch zwei Begleiter mehr bei sich als Hagen. Sollten ihre Spannungen in einem Streit ausarten, dann war er in der Unterzahl.

„Lasst uns vorangehen", sagte Samir ruhig, seine wachen Augen fest auf Hagen gerichtet. Er fühlte sich unangenehm ausgeliefert unter seinem Blick, als wüsste der Wanderprinz allein durch sein Äußeres, was in ihm vorging. „Solange uns die Sonne die Richtung anzeigen kann."

Sie mussten sich nicht weiter absprechen und verbrachten den Vormittag schweigend. Die Wege in den Dornen waren enger und verzweigter, aber wirklich passierbar war oft nur ein einzelner Pfad, die anderen zu sehr überwuchert, um sich durch die hängenden Dornenranken zu winden. Keiner von ihnen machte den Versuch, sich mit Schwertkraft hindurchzuschlagen – Hagen wusste, dass sie alle an die Worte der Wissenden im Dorf dachten, an ihre Warnungen. Die Dornen waren lebendig und sie würden sich jedem Angriff entgegenstellen. Wenigstens waren sie nur noch zu viert, sodass es vielleicht einfacher wäre, ihrem Hunger zu entgehen.

Dornen - Das verwunschene KönigreichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt