Vater und Sohn

328 60 12
                                    


 „Er muss dazu nicht dabei sein", sagte Mathilda leise, die nicht anders konnte als Zacharie zu betrachten, der das Gesicht vor Anstrengung verzogen hatte in dem Versuch, mit dem König und ihr mitzuhalten. Sie konnte verstehen, dass der König ihn bei sich haben wollte, nachdem er ihn für verloren gehalten hatte, aber hinten bei den Soldaten und bei Albin wäre er genau so sicher. Und würde sich eindeutig wohler fühlen.

Sie musterte den kleinen Jungen die ganze Zeit über aufmerksam, unfähig ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie es nun um die Beziehung zwischen ihm und seinem Vater stand. Der König zeigte seine Erleichterung oder gar Freude nicht allzu offen, auch wenn Mathilda merken konnte, dass er sie fühlte und auf dem Gesicht des Jungen spiegelte sich ein ganz ähnlicher Zwiespalt wider.

„Er ist mein Erbe", erwiderte der König knapp. „Solange wir in diesen verfluchten Dornen sind, kann er auch lernen, wie man ein Volk führt. Wer weiß schon, was uns hier noch erwartet ..."

„Aber es wird Jahre dauern, bis er alt genug ist", widersprach sie vorsichtig. „Es wird genug Zeit bleiben."

„Nicht, wenn mir etwas zustoßen sollte", schnaubte der König. „Meinst du, drei Schwestern werden dafür sorgen, dass er zu einem tauglichen, standhaften König heranwächst?"

Mathilda hob die Augenbrauen, wollte ihm aber nichts dazu sagen.

„Ich will nicht König werden", sagte Zacharie ungehalten. „Ich will auf einem Bären reiten und auf die andere Seite vom Meer schwimmen."

„Rede keinen Unsinn", fuhr ihm der König ins Wort. „Wer soll sonst König werden? Ivelle?"

„Eure älteste Tochter, nicht wahr?", fragte Mathilda leise und hoffte, damit von dem kleinen Jungen abzuwenden. Sie verstand nicht, warum dem König sein Erbe so wichtig war, dass er sich selbst von den Dornen nicht davon abbringen ließ. „Ist sie nicht volljährig?"

„Das schon", schnaubte der König. „Und hässlich wie die Nacht, sodass nirgendwo ein vernünftiger Schwiegersohn aufzutreiben ist. Ihr kann ich ganz bestimmt nicht die Zukunft meines Königreichs überlassen."

Mathilda verkniff sich das Seufzen, aber sie begann tatsächlich, zu verstehen. Der König war so besessen damit, einen männlichen Thronfolger zu haben, dass er darüber kaum darauf achtete, was sein einziger Sohn selbst wollte. Es war nicht, dass er sich nicht um Zacharie kümmerte, aber er war zu geblendet von seinen Vorstellungen von der Zukunft um es ausdrücken zu können.

„Sie sind verknüpft", sagte sie stattdessen. „Frauen, die uns helfen und die Monster, die uns angreifen. Es ist alles ein Geben und Nehmen."

Sie hätte lieber mit Hagen darüber gesprochen, er hätte bestimmt gewusst, was man aus ihren Erlebnissen herauslesen konnte. Beim König war sie sich unsicher, wie viel sie ihm tatsächlich erzählen wollte. Seine Miene war verschlossen, als müsste sie ihn erst überzeugen, dass sie tatsächlich vertrauenswürdig war.

„Wir wurden von einer Frau, die sich die Wachende nennt, unterstützt", sagte sie, ohne auf die näheren Umstände einzugehen. Es war genug Zeit, von ihren Verwandten und den Höhlen zu berichten, wenn all das hier vorbei war. „Ihre Schwester ist die Donnerkönigin, die Euch begegnet ist."

„Woher wisst Ihr davon?", fragte der König mit erhobenen Augenbrauen.

„Djadi hat es mir erzählt", antwortete sie und merkte fast sofort daran, wie sich seine Schultern strafften und seine Züge erhärteten, dass es keine gute Antwort gewesen war.

„Wisst Ihr, was er ist?", fragte er kalt. „Ein Zauberer – wie Fürst Vitus von Anfang an sagte. Er hat einen ganzen Schwarm von Holzfiguren unter Kontrolle, die dort draußen irgendwo herumschwirren, während er hier unschuldig und unwissend tut. Er könnte sie uns jederzeit auf den Hals hetzen."

Dornen - Das verwunschene KönigreichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt