Djadi war immer sehr schnell beleidigt. Allerdings blieb er das nie besonders lange, was es für seine Begleiter wieder mehr als wettmachte. So auch jetzt – obwohl der Wanderprinz ihn gebeten hatte, anders als die meisten aus dem engeren Kreis nicht vorne bei den Prinzen zu reiten, sondern ein Auge auf das Gefolge hinten zu haben, was in Djadis Augen eine klare Kampfansage war, hatte er sich inzwischen damit abgefunden.
Es gab auch viel zu viel zu sehen! Die Männer aus den anderen Königreichen hatten alle ihre eigenen, kleinen Traditionen, wenn sie marschierten. Die Rüstung der Melancer glänzte am edelsten, die Jötmarker kannten die unflätigsten Lieder und die Rotianer gefielen Djadi sowieso am Besten, weil sie wenig Wert auf Formation und Eleganz legten, sondern sich immer wieder nebenbei kleine Wettritte oder Armdrücken über die Lücke zwischen zwei Pferderücken lieferten.
Sie waren es auch am ehesten, die mit den Maraldurern zu reden versuchten und den ein oder anderen der Soldaten dazu überredeten, ihnen morgenländische Flüche beizubringen. Als sie vor wenigen Wochen der Weg durch Rotian geführt hatte, waren ihnen einige von ihnen schon begegnet, weshalb sich jetzt die ersten Bekannten wiederfanden. Auch Djadi erkannte einige Gesichter wieder, auch wenn er die beiden jungen Vettern des Prinzen Alaron vermisste, die ähnlich gern ihre Scherze getrieben hatten wie er. Dennoch, wären es nur sie und die Rotianer gewesen, es wäre ein wirklich spaßiger Ausflug geworden, da war sich Djadi sicher.
Die Blicke manch anderer Männer, besonders von Gotundern und den selten auftauchenden Melancern, bemerkte selbst er. Den Hinterhalt der Soldaten von Fürst Vitus am Abend zuvor hatte er nur halb verstanden und es hatte eine lange, angeregte Diskussion mit dem Wanderprinzen benötigt, um zu verstehen, dass tatsächlich Leute auf ihn böse sein konnten, ohne dass er ihnen persönlich etwas getan hatte. Er wollte nicht so recht begreifen, warum manche Leute so auf Hass versessen schienen – er selbst wünschte sich einfach eine ungezwungene Zeit mit ungezwungenen Leuten, und wenn sie nebenher ein paar magische Abenteuer erlebten war ihm das auch recht. Bösartigkeit, das hatte er noch nie verstanden.
Die anderen Begleiter des Prinzen nannten ihn gerne naiv deswegen, aber er fand es nur richtig, immer nett und freundlich zu den Menschen zu sein. Meistens waren sie das dann im Gegenzug selbst auch. Und wenn nicht, hatte er immer noch seine Freunde, die ihm aushelfen konnten, sollten sie zu grob werden. Es war traurig, wenn es manche Leute gar nicht erst versuchen wollten, nett zueinander zu sein.
Er winkte ein paar besonders misstrauisch dreinblickenden Königssoldaten von Gotund fröhlich zu und streckte die Nase in den schwachen Wind, sodass es ihm die Locken aus der Stirn wehte. Das Wetter war viel zu schön, um sich über Feindseligkeiten und Missmut Gedanken zu machen! Das Wetter war auch viel zu schön, um selbst missmutig oder beleidigt zu bleiben, nur weil man nicht bei seinem Prinzen war, wie eigentlich erhofft. Qamar hatte schon Recht, wenn sie ihn dafür schalt, dass er eigentlich nie so weit hätte mitkommen sollen. Er hatte manchmal das Gefühl, niemand verstand so recht, worum es ihm ging.
Sein Blick wurde von einem kleinen Zug Vögel über ihren Köpfen abgelenkt und er musste unweigerlich an seinen kleinen Freund aus Holz denken, der wegen Asifas plötzlichem Auftauchen fortgeflattert war und sich seitdem nicht mehr hatte blicken lassen. Es sollte ihm eigentlich nur Recht sein – die Fähigkeit war ihm nicht ganz geheuer, und er verstand wohl, dass es mögliche Abneigungen gegen ihn lenken könnte, wenn mehr davon erfahren würden - , aber er vermisste den Vogel als wäre es ein alter Freund. Das war ihm immer schon so gegangen, selbst als er beim Spielen früher die kleinen Soldaten zum Atmen gebracht hatte und jedes Mal, wenn er sich zusammen mit Samir in eine der verlassenen Kammern geschlichen hatte, um es an einem anderen Stück auszuprobieren.
Er konnte ihnen das Leben wieder entziehen, wenn er ein zweites Mal über ihre geschnitzten Körper strich und dann war es gut, aber hin und wieder entwickelte sein Spielzeug seinen eigenen Kopf und verschwand aus seiner Reichweite, so wie der Vogel. Nun, er würde sicherlich auf ihn warten, wenn er von dem Abenteuer zurückkam, da war sich Djadi sicher.
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Dornen - Das verwunschene Königreich
FantastikJeder kennt die alten Geschichten über die verfluchte Prinzessin, die in ihrem Schloss tief im Dornenwald zu ewigem Schlaf verdammt ist, bis ein würdiger Held sie und ihr Königreich erlöst. Viele sind über die Jahre ausgeritten, um dieser Held zu...