Spuren

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„Eure Hoheit."

Hagen zog sich die Decke über den Kopf und drehte sich zur Seite weg.

„Mein Prinz!"

Er stöhnte und schlug ungehalten in die Richtung aus, aus der die unbequem laute Stimme an seinem Ohr kam.

Hagen, wach endlich auf!"

Erst jetzt drang es langsam zu ihm durch, dass das Ganze mehr war als nur eine unliebsame Störung. Die Helligkeit hinter seinen Augenlidern war nicht stark, es musste noch furchtbar früh sein. Noch ohne die Augen ganz zu öffnen, antwortete er: „Hatte ich nicht gesagt, ich will erst geweckt werden, wenn das Lager gänzlich zusammengepackt ist und wir fast aufbruchsbereit sind?"

Sie hatten lange am Feuer gesessen, gestern, um sich über alles zu unterhalten was bisher geschehen war, alles was sie wussten. Prinz Willehad hatte sich elendig lange mit alten Kindergeschichten aufgehalten, um die Natur der gestrigen Attacke besser zu verstehen, und der Wanderprinz hatte sie einmal mehr zutiefst beschämt damit, wie besonnen und weise er sprach und wie viel durchdachter seine Vorschläge wirkten als die eilig formulierten Gedanken der übrigen Hoheiten. Es war eine viel zu lange Nacht gewesen. Einig darüber, wie schwer sie die gestrigen Ereignisse nehmen sollten, waren sie sich dennoch nicht.

Norwin seufzte.

„Es tut mir Leid", sagte er, „Aber ich fürchte, du solltest wissen, was mir zugetragen wurde."

„Sag schon", grummelte Hagen und richtete sich endlich auf. Was brachte es schon, ein Prinz zu sein, wenn man ihn nicht einmal mehr länger schlafen ließ?

Norwin hockte schräg neben ihm auf dem Boden, nur halb eingekleidet und das Gesicht bedrohlich ernst.

„Die Fürstin ist verschwunden", sagte er stockend.

Hagen war sofort hellwach.

„Wie bitte?", zischte er.

„Einer ihrer Diener berichtete mir, dass sie heute Morgen nicht im Zelt war, aber dem Wachtposten ist nichts aufgefallen und auch sonst scheint sie bisher niemand im Lager gesehen zu ..."

Hagen packte ihn am Kragen und zog ihn zu sich runter, bis Norwins Gesicht direkt an seinem war.

„Wer hatte die letzte Wache inne?", knurrte er leise.

„Dankwart. Ihr kennt ihn, mein Prinz ...", begann Norwin vorsichtig, Verwirrung in seine Augen geschrieben, aber Hagen war nicht in der Stimmung, sich weiter mit ihm darüber zu unterhalten. Er rollte sich rasch nach oben, drückte sich an Norwin vorbei und zog sich die Schuhe an, während er schon halb aus dem Zelt herausstieg, ungeachtet der uneleganten Figur, die er so abgeben musste. Seinen Waffenrock und den Gürtel ließ er ganz zurück, als er mit harten Schritten zwischen den Zelten davon eilte.

„Mein Prinz!", rief Norwin ihm hastig hinterher, „Haltet ein, bitte!"

Alle Männer in der Nähe drehten sich irritiert nach ihnen um, egal wie beschäftigt sie waren. Hagen hatte Mathildas kleines Nachtzelt schon nach der ersten Biegung fest im Blick und steuerte zielgerichtet darauf zu. Den gotundischen Soldaten, der mit ernster Miene davor stand und mit Mathildas Berater sprach, sah er ebenfalls fast sofort.

Ohne dass seine Schritte langsamer wurden, hielt er direkt auf ihn zu, hob den Arm und schlug ihm so kräftig ins Gesicht, wie es ihm kurz nach dem Aufstehen nur möglich war.

Dankwart, der Soldat, ging mit einem überraschten Aufstöhnen zu Boden und mit merkwürdiger Befriedigung sah Hagen, dass ihm Blut aus der Nase rann.

Dornen - Das verwunschene KönigreichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt