DING-DONG
Müde gähnte ich und drückte mein Gesicht in mein Kissen. Nicht klingeln. Ich will schlafen.
„James", knurrte ich.
Er sollte gehen. Es klingelte wieder.
„Nein", murrte ich und umklammerte mein Kissen, als würde es mich irgendwie vor der Außenwelt bewahren.
Eine leise Stimme flüsterte: „Savannah? Savannah, es hat geklingelt."
Seltsam, es kam mir so vor, als könnte mein Kissen sprechen: „Save?"
Etwas berührte meinen Kopf und strich sanft ein paar Strähnen aus meinem Gesicht. Wegen der Berührung blinzelte ich ein paar Mal verschlafen und versuchte, meine Augen zu öffnen.
Und mit einem Schlag riss ich sie auf: „Kyle? Warum schlafe ich auf deinem Bauch?"
Hastig setzte ich mich auf und checkte mein Handy.
» 20:03 Uhr. Mist! Um 20 Uhr wollte ich mich doch mit Lola treffen!
Kyle erklärte sachlich: „Du bist während des Films eingeschlafen und ich wollte dich nicht wecken."
Oh Gott, wie konnte ich nur in der Gegenwart von Kyle einschlafen? Und ihn dann auch noch als Kissen benutzen? Weil Ihr Freunde seid. Richtig, wir sind Freunde.
Ich sammelte hastig ein paar leere Süßigkeitentüten zusammen und schmiss sie weg. Was würde Lola sagen, wenn sie Kyle hier sieht? Sollte ich Kyle rausschmeißen? Sollte ich Lola nicht aufmachen? Sollte ich ihr absagen? Was sollte ich nur machen?
In diesem Augenblick fing das Handy in meiner Hand an zu klingeln.
„Ja", meldete ich mich.
„Save? Warum machst du nicht auf?"
„Ich- ich.. warte kurz, sorry", antwortete ich etwas unbeholfen.
Okay, durchatmen Savannah!
„Weißt du, wer klingelt", fragte Kyle hinter mir.
Ich seufze: „Lola."
„Oh", entfuhr es Kyle.
Ja genau. Oh.
Ach was solls, Kyle und ich waren schließlich Freunde. Und Lola war meine beste Freundin. Das würde schon gehen.
So ging ich auf die Tür zu und öffnete sie.
„Na endlich, das hat aber lange gedauert, was hast du denn solange gemacht? War besagter Freund da", sie wackelte anzüglich mit ihren Augenbrauen.
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals runter: „Nein, nicht ganz. Ich- er- es-"
„Schon gut, solange ich ihn nicht nackt sehen muss, wobei das bestimmt kein schlechter Anblick ist, oder", kicherte sie vergnügt und schob sich an mir vorbei, ohne dass ich es irgendwie hätte verhindern können.
Mein Kopf folgte ihr doch ich stand noch immer in dem Türrahmen und dann traf es mich abrupt. Lola ging geradewegs in das Wohnzimmer. Zu Kyle. Ich schloss mechanisch die Tür und hielt die Luft an.
„Save hast du auch etwas zu essen", hörte ich ihre Stimme, „ich habe nämlich einen Mordshunger. Da hat meine Tante doch wirklich drei Stunden in diesem Laden verbracht und ich konnte sie nicht dazu umstimmen, die Obstschale nicht zu nehmen. Jetzt steht sie im Flur wie ein Heiliger Gral und- Kyle?"
Mit dem Allerschlimmsten rechnend kniff ich meine Augen zusammen.
Ich hörte Lolas klare Stimme vermischt mit einem huch von Argwohn und Wut: „Was machst du hier?"
Ich atmete alle Luft aus und beschloss, zu den beiden zu gehen. Na das konnte etwas werden.
Ich betrat das Wohnzimmer und sah Lola und Kyle voreinander stehen. Lola hatte ihre Hände in ihre Taille gestemmt und Kyle stand dort wie ein nasser Hund und hatte seine Hände in den Hosentaschen.
„Es tut mir leid, Kyle", sagte ich zerknirscht, „ich hätte dir davor sagen sollen, dass Lola um Acht kommt."
Warum entschuldigte ich mich jetzt bei Kyle? Warum entschuldigte ich mich nicht bei Lola?
„Kein Problem, Savannah. Wirklich. Ich sollte eh besser gehen. Ich habe nämlich noch.. Hausaufgaben", bedröppelt und unbeholfen drehte sich Kyle um und nahm seine Sachen.
Währenddessen starrte Lola mich mit funkelnden Augen über ihre Schulter hinweg an. Ich verschränkte meine Arme vor meiner Brust und kaute unbehaglich auf meiner Unterlippe.
„Es war schön", lächelte ich Kyle an, als dieser an mir vorbeigehen wollte.
Er blieb stehen: „Fand ich auch. Danke, dass du mir die Chance gibst."
„Natürlich", antwortet ich, „wir sind Freunde!"
Ein Lächeln breitete sich auf Kyles Gesicht aus: „Danke, das bedeutet mir viel."
Eine Pause entstand und wir standen unbeholfen beieinander. Das Einzige, was man hörte war, wie Lola sich absichtlich laut in einen Sessel fallen ließ und den Fernseher einschaltete.
„Ich sollte dann mal", sagte Kyle mit einem Blick zu Lola und zeigte zu der Tür.
Ich nickte: „Okay."
Ich wusste nicht warum, aber wie sooft handelte mein Körper ohne meinen Verstand und ich umarmte ihn. Kyle schien sich wirklich zu bemühen. Und so fühlte sich die Umarmung mit Kyle so angenehm wie zuletzt vor einer sehr langen Zeit an. Er erwiderte die Umarmung und ging dann aus dem Haus. Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen. Es heißt, dass meine seine erste große Liebe nie vergessen konnte. Ich schüttelte meinen Kopf und verbannte Kyle aus meinem Kopf.
Ich ließ mich seufzend auf das Sofa fallen bis ich merkte, dass Lola mich skeptisch anschaute.
„Was", fragte ich harscher als mir lieb war.
Meine beste Freundin zog nur eine Augenbraue hoch und sagte: „Nichts."
Dann schaute sie wieder auf den Fernseher. Eine eisige Stille entstand zwischen uns. Es war keine angenehmen Stille. Ich merkte, dass sie irgendetwas störte.
„Bist du wegen Kyle sauer", versuchte ich es erneut.
Sie stellte den Ton des Fernseher aus: „Peanut, weißt du, was du da tust?"
„Er ist ein guter Freund von mir. Wir verstehen uns gut, aber auf eine andere Art und Weise wie damals bevor- Wir haben Geschichte. Er bemüht sich und ich mich auch. Er ist mir doch immer noch wichtig", redete ich, wobei ich mehr zu mir selbst, als zu Lola sprach.
„Aber du bist vorsichtig", fragte Lola.
„Ja", antwortete ich, „Kleine, es ist alles gut. Ich danke dir für deine Besorgnis, aber glaub mir. Er bereut es wirklich. Und endlich können wir wieder zu viert sein. Die drei Musketiere und d'Artagnan."
Lola lächelte mich an: „Wenn du ihm vertraust und ihm vergibst, dann werde ich das auch. Aber ich kann die Skepsis nicht ganz ablegen. Ich lasse ihn dir nicht nochmal wehtun!"
Ich ging auf sie zu und umarmte sie: „Ich habe dich lieb!"
„Ich dich auch!"
Ich ließ sie los: „Außerdem bin ich ja vergeben."
Vergnügt blitzten Lolas Augen auf: „Genau, ich möchte jetzt alle schmutzigen Details hören!"
Ich erzählte Lola alles. Von mir und Alex über meine Mutter und Tante Linda, über mein Alkoholkonsum, dem ich doch abdanken wollte, über Alex Vater. Die ganze Zeit hörte sie mir aufmerksam zu, nur ihre Mimik veränderte sich von Zeit zu Zeit. Mitgefühl, Stirnrunzeln, Lächeln. Es war gut, das alles loszuwerden. Eine Vertrauensperson zu haben. Jemanden, der immer zu einem halten würde. Und ich musste zugeben, dass es leichter war, meinen Schmerz mit anderen zu teilen. Ich kam schon ganz gut mit der Situation zurecht, aber doch fehlte etwas. Und dieses Gefühl der Leere würde wohl auch nie verschwinden. Niemals ganz.
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First Love, Last Love? - In Lehrer verliebt man sich nicht
RomanceSavannah hat kein einfaches Leben. Das Schicksal verpasst ihr immer wieder Schläge und lässt zu, dass sie an sich selbst zweifelt. Doch über alles hinweg versucht Savannah, positiv zu bleiben. Begleite Savannah auf eine Reise voll Verzweiflung, H...