Kapitel 49

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Wann weiß man, dass man an dem Ende angelangt ist? Wann weiß man sicher, dass die Entscheidung, die man getroffen hat, auch wirklich die richtige Entscheidung war? Was, wenn man sich einander ein Versprechen gegeben hat, welches man niemals brechen könnte?

Doch ist das Ende wirklich immer das Ende? Ein Ende ist zugleich auch ein Anfang. Wenn etwas endet, dann ist man als Mensch gewachsen, man hat gelebt. Man wurde geliebt. Ein Ende mag das Leben beenden, den letzten Vorhang fallen lassen, aber es mag auch nur ein Kapitel des Lebens abschließen und ein neues aufschlagen.

So war es mit dem Schicksal. Es war unergründlich.

*****

Fuß vor Fuß setzend lief ich über den kahlen, grauen Weg. Ich hörte fernab meine leisen Schritte, welche gedämpft, durch die flache Sohle meiner Schuhe, erklangen. In meiner Hand hielt ich zwei Blumensträuße. Schließlich hatte ich mein Ziel erreicht.

Ich holte tief Luft: „Hey Mom. Hey Dad."

Ich schaute hinunter auf die Grabsteine, welche nebeneinander standen. Ich erinnerte mich noch genau, wie wütend ich damals war, als ich erfahren habe, dass mein Dad meine Mom betrogen hat. Und als er kurz danach sofort abgehauen war, dachte ich mir, dass ich ihm das niemals verzeihen könnte. Doch meine Mom hat es all diese Jahre geschafft, weiter an seiner Seite zu leben. Sie würde nicht wollen, dass ich mich ihretwegen von meinem Dad abwende. Wobei es eigentlich seine eigene Schuld gewesen wäre.

Als er irgendwann wiederkam, sprachen wir uns aus und als er mir einige alte Tagebücher von meiner Mom zeigte, kam ich nicht umhin, diese zu lesen. Meine Mom wusste ganz genau, was mein Vater getan hat, doch sie hat ihn nicht einfach verurteilt. Sie hat auch Fehler an sich selbst gesucht und hat darüber geschrieben, dass sie ihm viel zu wenig Zuneigung gegeben hätte, weil sie ständig mit ihrem Job unterwegs gewesen war und diesen über meinen Dad gestellt habe. Plötzlich war meine Mom in ein anderes Licht gerückt, doch trotzdem konnte ich meinem Dad nicht vergeben. Eine Affäre zu haben, war für mich fast das Schlimmste, was man einer geliebten Person antun konnte.

Es war eines Abends, als ich mit Lola, James, Matt, Joshua und Kyle bei Lucas in dem Café seiner Mutter waren und beisammen saßen. Ich erhielt einen Anruf, dass mein Dad einen Herzinfarkt gehabt hat und in das Krankenhaus gebracht wurde. An jenem Abend, saßen wir alle im Krankenhaus. An jenem Abend konnte ich Alex nicht erreichen. An jenem Abend schlug die Reanimation fehl und mein Dad starb. Die Ärzte teilten James und mir mit, dass mein Dad anscheinend einen Herzfehler gehabt hatte, doch davon hat er uns nie erzählt. Bis heute fragte ich mich, warum er das nicht getan hat.

Ich seufzte und stellte die beiden Blumensträuße jeweils in eine Vase an die Gräber meiner Eltern.

Ich faltete meine Hände und starrte für einige Minuten wortlos hinunter, bis ich meine Stimme wiederfand: „Ihr seid beide zu früh gegangen. Obwohl ihr selten da wart. Ich musste nun praktisch ohne euch erwachsen werden."

Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter: „Ich bin jetzt verheiratet. Glücklich verheiratet."


- Flashback -

„Was machst du eigentlich, wenn du nicht in dem Café deiner Mom aushilfst", fragte ich Lucas, welcher neben mir auf einer Bank in einem Park saß und sein Cookieseis aß, während ich Mango hatte.

„Ich studiere Jura", antwortete er und ich zog überrascht eine Augenbraue hoch.

„Und dann hilfst du noch so viel in dem Café aus", fragte ich überrascht nach.

„So verdiene ich nebenbei Geld", sagte er grinsend, „und sobald meine Noten richtig schlecht sein sollten, würde meine Mom mich auch sicher feuern, das kannst du mir glauben."

First Love, Last Love? - In Lehrer verliebt man sich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt