Er stand schon eine ganze Weile stumm da und betrachtete den Grabstein vor ihm. Sein Blick war getrübt und er umklammerte die Blumen, die er in der Hand hielt, fest mit beiden Händen. Immer wieder öffnete er den Mund, um etwas zu sagen, aber er schloss ihn dann doch wieder. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Die Emotionen schienen ihn zu übermannen.
Es war ein kalter und verregneter Tag und Adam zog seinen Mantel fester um sich. Wie lange schon hatte er still das Grab betrachtet? Irgendwann kniete er sich hin und legte die weißen Tulpen auf das Grab vor sich. Er blieb in der Hocke und schaute auf die Blumen, die er ihr mitgebracht hatte. Das Grab war gepflegt, aber die Tulpen bildeten zu dem grünen Sternmoos, mit dem das Grab bedeckt war, einen starken Kontrast. Links auf dem hellgrauen Grabstein befand sich ein ovales Bild. Ein schwarzweißes Gemälde der Frau, die hier begraben lag. Auch wenn das Bild keine Farbe hatte, wusste er, dass die Haare der jungen Frau braun waren und einen kupfernen Stich hatten. Ihre Augen waren grün gewesen und ihr Lächeln warm und herzlich. Sie war sehr jung gestorben, viel zu jung. Als hätte das Schicksal es so geplant und ihr den passenden Nachnamen gegeben.
Seine Gefühle gewannen die Oberhand. Man sah sie förmlich und konnte sie fast spüren. Er hatte gesehen, wie sie gestorben war. Er hatte ihren geschundenen Körper gesehen und ihr letztes Schluchzen gehört, bevor sie für immer die Augen geschlossen hatte. Vergessen würde er es wohl nie, aber das wollte er auch gar nicht. Nach einer Weile stand er wieder auf, blickte aber weiterhin zu dem Bild auf dem Grabstein.
„Immerhin kann dir niemand mehr etwas anhaben", flüsterte er. Sein Blick glitt ein Stück nach links zu dem Grabstein mit der Gravur „Eheleute Young". Er trat vor dieses Grab und schwieg eine Weile, bis er anfing zu sprechen: „Ich werde nie die Gelegenheit haben, Ihnen dafür zu danken, was für eine unglaublich schöne Tochter sie zur Welt gebracht haben. Ich weiß nicht, wie oft sie mich zum Lachen gebracht hat oder wie oft sie mich aufbauen konnte, wenn ich das Gefühl hatte, auf der Stelle zu treten. Ihre Tochter ist etwas ganz Besonderes und es hätte mich gefreut, auch Sie persönlich und ihre andere Tochter kennenzulernen."
Er holte noch einmal tief Luft und drehte sich um. Was auch immer ihn beschäftigte, trat nun in den Hintergrund. Er aufschaute auf und sich ein Lächeln bildete auf seinem Gesicht.
„Ich wusste nicht, dass dich das so mitnehmen würde, ihre Gräber zu betrachten", sagte ich entschuldigend. Ich hatte die ganze Zeit über hinter Adam gestanden und ihn still beobachtet. Er hatte mich gebeten, ihm die Gräber meiner Schwester und meiner Eltern zu zeigen. Ob das eine gute Idee gewesen war, konnte ich nicht genau sagen. Aber er hatte mich darum gebeten und letztlich wollte ich auch selbst mit ihm einmal herkommen, um November und meinen Eltern den wichtigsten Mann meines Lebens vorzustellen.
Adam kam auf mich zu. Ich hatte etwas Abstand gehalten, denn, auch wenn ich herkommen wollte, mochte ich Friedhöfe noch immer nicht. Ich hatte es nie wirklich gemocht hier her zu kommen. Ich war kein Mensch, der an dem Grab einer Person trauerte. Lieber dachte ich an die Menschen, wenn mich etwas an sie erinnerte. Das war nicht so deprimierend. Dennoch tat es gut, hier zu stehen. Das musste ich zugeben.
Adam schloss mich in seine Arme und vergrub sein Gesicht an meiner Halsbeuge. „Ich bin nicht aus Stein und der Gedanke, dass ich dich beinahe verloren hätte... April, ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn Robert es geschafft hätte, Matthews Arbeit zu beenden", murmelte er an meinem Hals.
Ich legte meine Arme um ihn und drückte ihn an mich. „Er wird mir nie wieder etwas tun können", entgegnete ich und strich über seinen Rücken.
„Ich weiß, aber ich versuche immer noch zu verarbeiten und zu realisieren, dass er es geschafft hat, an dich heranzukommen. Das letzte, was ich zu dir gesagt habe, war nicht, dass ich dich liebe, sondern, dass du mich nicht kennst und ich dir nicht vertraue."
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Reichst du mir deine Hand
Romance„Wenn du dich hier wohlfühlst, warum zum Henker willst du dann kündigen?" „Ich will nicht, ich muss. Ich werde alles, was mich umgibt mit mir runterreißen. Das kann ich dir und deiner Firma nicht antun." „Dumme Ausreden. Nenn mir einen Grund, waru...