Kapitel 8

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Nach dem Treffen mit Huntington, ging alles ganz schnell. Mister Blacks Mitarbeiter fanden alle nötigen Informationen und stellten dem Pharmakonzern ein Ultimatum. Huntington sollte gehen und Mister Black würde weiterhin das Unternehmen unterstützen oder der ganze Konzern würde den Bach runtergehen, denn so oder so, der besagte 'Vertragsbruch im schweren Sinne' beinhaltete Huntingtons sofortigen Ausschluss aus dem Unternehmen. Mehrere hunderttausend Dollar zu unterschlagen, ist schon ein gewaltiger Vertragsbruch, würde ich mal behaupten. Huntington wurde innerhalb weniger Tage seines Amtes enthoben und stand somit ohne Geld da.

Es ging Mister Black gar nicht um das Geld an sich, sondern um den Vertrauensbruch. Ich hatte ihn erlebt, als er dachte, ich hätte ihn hintergangen und ich habe seine Reaktion gesehen, als er Huntington eröffnete, dass er sehr große Probleme haben würde. Seine Wortwahl brachte mich noch Tage später zum Schmunzeln. Das hätte ich dem beherrschten Mann gar nicht zugetraut. Aber wenn man es sich einmal mit Adam Black verscherzt hatte, dann für immer. Mister Black hatte genug Geld. Er hat primär keinen Verlust gemacht, aber es ging ihm ums Prinzip und ehrlich gesagt, wer würde Huntington nicht Feuer unterm Hintern machen und ihn in hohem Bogen rauswerfen?

Am Wochenende berichteten dann auch die Nachrichtensender und Zeitungen von dem großen Krach in der Pharmaindustrie, aber es wurde alles irgendwie noch weiter aufgeputscht. Das zeigte mir wieder einmal, dass man den Medien wohl doch lieber nicht alles glauben sollte, aber das war nichts Neues. Vor sechs Jahren hieß es teilweise, dass meine Schwester und Eltern sich umgebracht hatten aufgrund von Drogenproblemen, Geldschulden oder Ähnlichem.

Mister Black und ich hatten das Gespräch vom Dienstag nicht mehr aufgegriffen. Was ich einerseits gut fand, weil ich nicht herausfinden wollte, was hinter all diesen Worten steckte, auf der anderen Seite aber doch. Meine Arbeit und Susen die mich fast täglich angerufen hatte, lenkten mich von dem Wirrwarr in meinem Kopf, dass mein Boss hinterlassen hatte, ab. Ich konnte noch immer nicht herausfinden, warum dieser Mann mir einfach nicht aus dem Kopf gehen wollte.

Ich saß seit ein paar Minuten an meinem Schreibtisch, als kurz nach sieben Mister Black, das zweite Mal nach mir das Büro betrat.

„April!", rief eine Kinderstimme und ich erkannte Nick, der hinter meinem Boss hervor gelaufen kam. Ich stand auf und ging um den Schreibtisch. Gerade rechtzeitig konnte ich mich hinhocken, da fiel er mir schon um den Hals.

„Nanu, womit habe ich denn diese stürmische Begrüßung verdient?", fragte ich ihn schmunzelnd. Nick kicherte. „Ich habe dich seit zwei Wochen nicht gesehen."

„Eine sehr gute Begründung", stellte ich ernsthaft fest. Dann blickte ich hoch zu meinem Chef.

„Er fragte mich heute mindestens hundertmal, ob er Sie heute sehen würde. Das hat er nebenbei erwähnt gestern auch schon getan", sagte Mister Black leicht tadelnd aber mit einem liebevollen Blick auf seinen Neffen.

„Ja, darum sind wir heute so früh da. Normalerweise kommt Onkel Adam erst gegen acht Uhr ins Büro, aber ich wollte vorher noch mit hochkommen, um dich zu sehen", erklärte mir Nick mit kindlicher Freude.

„Hm. Na dann wusste ich doch, warum ich das Kakaopulver heute früh eingesteckt habe."

„KAKAO?", rief er aus. Ich lachte nur. „Na komm, ich mache dir einen." Ich stand auf.

„Tee?", fragte ich an Mister Black gewandt.

„Ja."

„Wie heißt das?", fragte Nick langzogen, jede Silbe betonend.

„Bitte", seufzte Mister Black. Ich lachte nur, während Nick seinen Onkel angrinste. „Natürlich. Einen Augenblick." Ich nahm Nick bei der Hand und ging in die Küche.

„Sag mal wie alt bist du eigentlich?", fragte ich während ich Tassen und Kakaopulver und Teebeutel zusammensuchte.

„Fünf. Ich werde im Januar aber schon sechs", sagte er stolz. „Oh, dann bist du ja schon ein richtiger kleiner Mann."

„Ich möchte mal so ein Mann wie Onkel Adam sein", sagte er mit noch mehr Stolz in der Stimme. Ein Blinder konnte sehen, dass Mister Black die Rolle des Vaters für seinen Neffen einnahm, dass er das große Vorbild für den kleinen Jungen war. Dann hörte ich mein Bürotelefon klingeln.

„Wartest du hier kurz? Setz dich ruhig an den Tisch. Bin gleich wieder da", sagte ich und tätschelte beim Rausgehen seinen Kopf.

Im Flur sprintete ich zu meinem Telefon, blieb aber erschrocken stehen, als ich vor Colleens Schreibtisch William, Nicks Vater, stehen sah. Colleen, die sichtlich überfordert mit der Situation war, hielt den Hörer an ihr Ohr und schaute überall hin, nur nicht zu William. Ihr fiel ein Stein vom Herzen, als sie mich entdeckte. Ich blickte zu dem Mann neben meiner Kollegin. Wenn Mister Black ihn hier sah, würde das sicherlich nicht nett enden. Ich ging auf die beiden zu. William redete auf Colleen ein, während diese das Telefon wieder weglegte.

„Ich will meinen Sohn sehen", forderte Nicks Vater. Seine Stimme klang seltsam. „Tut mir leid Sir, aber ich darf niemanden durchlassen", antwortete Colleen verwirrt. Wusste sie, dass William Nicks Vater war? Sie drehte sich zu mir. „April?", fragte sie bittend. Ich schaute William ausdruckslos an. Da war sie, diese Wut einem Mann gegenüber, der seine Frau nicht behandelte, wie es sich gehörte. Ich konnte mir sehr gut zusammenreimen, warum er keinen Kontakt zu Doreen oder Nick haben durfte. „Geh doch bitte und hol unseren Chef, ja?", sagte ich Colleen, ohne sie anzuschauen. Diese ging langsam Richtung Chefbüro.

„Sie schon wieder", zischte William und sah mich hasserfüllt an. „Sie schon wieder", entgegnete ich fast gelangweilt. „Verschwinden Sie, bevor ich mich vergesse."

William lachte nur auf. „Sie drohen mir?"

„Nein ich verspreche Ihnen, dass Sie als ganzes Stück dieses Gebäude verlassen, wenn Sie jetzt gehen. Danach kann ich für nichts mehr garantieren", sagte ich ruhig. William machte einen schwankenden Schritt auf mich zu.

„Sie sind betrunken? Montagmorgen um sieben Uhr?", rief ich aus. Das war doch wohl nicht sein Ernst. „Und so wollen Sie Ihrem Sohn gegenübertreten?" Ich zeigte mit meiner Hand von oben bis unten auf ihn. „Das ist ein schlechter Scherz."

Für einen Betrunkenen war William überraschend schnell. Er griff nach meinem linken Handgelenk und zog mich gewaltsam zu sich heran, um mich zwischen ihm und Colleens Schreibtisch einzuklemmen. Meine Hüfte stieß gegen ihren Schreibtisch. Den Schmerz ignorierte ich. Wo blieb Colleen überhaupt?

„Sie." William kam meinem Gesicht ganz nahe „Sie halten sich mal schön zurück", sagte er drohend. „Oder?", fragte ich genauso drohend zurück. „Was wollen Sie tun?"

Er griff mit der freien Hand nach meinem Hals und drückte zu. Reflexartig legte ich meine rechte Hand um sein Handgelenk und versuchte meine linke aus seinem fester werdenden Griff zu entwinden. „Wenn Sie denken, dass Sie mir damit Angst einjagen, haben Sie sich geirrt. Sie sind nicht der erste, der mich so anfasst und der letzte, der mich so berührt hat, ist nicht gerade gut dabei weggekommen", zischte ich.

William lachte höhnisch auf und drückte fester zu. Vor meinen Augen tanzten auf einmal Sterne und mir fehlte die Luft, um klar denken zu können. Ich nahm die Bewegung links von mir zu spät wahr. Wann er mein Handgelenk losgelassen hatte, wusste ich nicht. Wo das Messer auf einmal herkam, auch nicht. Es ritzte sich seitlich in meinen Hals, dort wo seine Hand ihn nicht bedeckte. Ich schluckte schwer und versuchte seine Hände wegzuschieben. Mein Hals tat immer mehr weh. Ich sah das Gesicht meines Angreifers nicht mehr klar. Dafür erschien vor mir mein Selbstverteidigungslehrer und es folgten nur noch reflexartige Bewegungen. Ich ließ Williams Handgelenke los, legte meine Hände um seinen Hals und drückte zu. Ein Röcheln war seine Antwort und das Messer ritze tiefer in meine Haut. Den Schmerz nahm ich nicht mehr wahr. Es war alles eingehüllt in einen Nebel. Ich drückte noch fester zu. Er zog seine rechte Hand mit dem Messer von meinem Hals weg und ehe er sie in irgendeine Richtung bewegen konnte, holte ich mit meiner linken Hand aus und schlug ihm mit der Handseite auf den schon malträtierten Kehlkopf. William schrak zurück und ließ meinen Hals los. Ich holte aus und rammte ihm mein Knie in seinen Bauch, holte mit der rechten Hand aus und schlug mit der Faust in sein schmerzverzerrtes Gesicht.

William brach vor mir zusammen. Ich holte zum nächsten Schlag aus. Er würde bezahlen. Er musste bezahlen, aber ein Ruck ging durch meinen Körper und auf einmal legten sich zwei starke Arme um mich.

Reichst du mir deine HandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt