15 Jahre später...
„Miss April Young?"
Ich schaute von meinen vor Nervosität verschlungenen Händen, die auf meinem Schoß lagen, auf und blickte die Frau hinter dem schwarzen Glasschreibtisch an. Hätte man mich gefragt, so vertrat sie optisch das perfekte Klischee einer Sekretärin. Helle, lange, blonde Haare, die hochtoupiert waren, eine weiße, leicht durchscheinende Bluse und ein enger Bleistiftrock, der knapp über den Knien endete mit einem Schlitz auf der Hinterseite. Abgerundet wurde das alles von zehn cm schwarzen Stilettos.
Aber ich wusste besser als viele andere Menschen, dass das Aussehen nie einen Menschen hundertprozentig beschreiben konnte, dass uns Vorurteile schnell fehlleiten konnten, wenn wir uns nur darauf verließen, und dass die Person in einer bestimmten Kleidung nur dies oder das verkörpern konnte. Wenn aber auf einmal ein Rocker seine Lederjacke ablegte, gegen einen Arztkittel tauschte und dabei die ganzen Tattoos verdeckte, dann hatten wir es doch eigentlich mit zwei Personen zu tun... Eigentlich, aber letztlich war er doch ein und dieselbe Person. Irgendwie müssen Rocker ihr Geld verdienen, um Ihr Hobby zu finanzieren. In diesem Fall war der Rocker Arzt.
Ich stand von dem weißen Sofa auf und ging zu der lächelnden Blondine herüber. Richtig, Kate war ihr Name. Schon als ich eingetroffen war, hatte ich ihren Namen auf dem Schild, dass über der linken Brust an ihrer Bluse befestigt war, gelesen. In Normalfällen vergaß ich das nicht wieder, aber heute stand ich so unter mentalem Stress, dass heute nichts normal war.
„Miss Young" Kate lächelte mir aufmunternd zu „Mister Rickson, unser Personalleiter erwartet Sie jetzt. Bitte gehen Sie durch diese Tür." Sie machte eine ausladende Geste in Richtung einer dunklen Doppeltür.
„Vielen Dank." Ich versuchte es mit einem Lächeln und ging dann zu der Tür. Einatmen. Ausatmen. Komm schon April. Das bekommst du hin. Du musst das hinbekommen. Du brauchst diesen Job. Ich versuchte mich zu motivieren, denn bei so vielen Absagen, die ich erhalten hatte, musste ich versuchen, weiter positiv zu denken. Nach einem kurzen Anklopfen hörte ich ein 'Herein' und öffnete die rechte Tür, um in den Raum zu treten.
Das Büro war schlicht und nicht allzu groß. Die große Fensterfront, die sich über die ganze gegenüberliegende Seite zog, gab dem Raum nicht nur mehr Größe, sondern auch einen phänomenalen Ausblick. Vor dieser Fensterfront stand ein Schreibtisch, hinter welchem Patrick Rickson saß – Personalleiter von Blacktronic, der größten IT-Firma der ganzen Westküste.
Blacktronic hatte sich in kürzester Zeit zu einem der erfolgreichsten, gewinnbringendsten Unternehmen entwickelt. Der Gründer und CEO Adam Black hatte mit gerade einmal 19 Jahren das Unternehmen gegründet. Jetzt zehn Jahre später war er einer der reichsten Jungunternehmer ganz Amerikas. Und genau für diese Person wollte ich arbeiten. Na, wenn das kein hochgestochenes Ziel war, dachte ich und mein Mut sank gleich ein gutes Stückchen mehr.
„Miss Young. Patrick Rickson mein Name." Er stand von seinem Stuhl auf und kam um den Schreibtisch herum, auf den ich zuging. Er reichte mir seine Hand und ich schüttelte sie lächelnd.
Patrick Rickson sah aus wie Ende 20 Anfang 30, hatte kurzes, dunkelblondes Haar und dunkle Augen. Er war gut durchtrainiert und hatte für einen Mann sehr feine Gesichtszüge, was ihm aber nicht im Geringsten die Männlichkeit nahm. Er war attraktiv. Das musste man ihm lassen. Was nicht zuletzt durch seinen perfekt sitzenden Anzug untermauert wurde.
„Es freut mich sehr, Mister Rickson", sagte ich. Rickson ging wieder zu seinem Stuhl und deutete mir, mich ebenfalls auf einen der Besuchersessel gegenüber von ihm hinzusetzen.
„Sie sind die letzte Bewerberin, die wir für die Stelle als persönliche Assistentin von Mister Black eingeladen haben. Ich habe gesehen, dass Sie an der University of Los Angeles Business Administration studiert und mit Bestnote abgeschlossen haben."
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Reichst du mir deine Hand
Romance„Wenn du dich hier wohlfühlst, warum zum Henker willst du dann kündigen?" „Ich will nicht, ich muss. Ich werde alles, was mich umgibt mit mir runterreißen. Das kann ich dir und deiner Firma nicht antun." „Dumme Ausreden. Nenn mir einen Grund, waru...