Kapitel 11

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Jawaads - Point of view.
Julie, Julie, Julie und nochmals Julie, ist alles was mir derzeit durch den Kopf geht. Ich mache mir Sorgen um sie. John hätte sie nicht sehen dürfen. Sie hätte gar nicht da sein dürfen. Und wo war Sienna gewesen? Sonst beschützt sie Julie immer wie ihren Augapfel, aber wenn es mal hart auf hart kommt ist sie nicht zur Stelle.
Es ist ja nicht so, dass sie dazu verpflichtet ist – bei Zayn und mir ist es schließlich auch nicht so – aber alte Gewohnheiten lassen sich normalerweise nicht so schnell ablegen. Normalerweise.
Irgendwie habe ich mich auf sie verlassen, dass sie für Julie da ist. Warum bin ich überhaupt so besorgt um sie? Sie ist genauso wie all die anderen Weiber. Wahrscheinlich liegt es daran, dass dieser Drogenmist von Zayn einfach nur beschissen ist und weder ich, noch irgendjemand anderes dort mit hineingezogen werden sollte.
Wütend greife ich neben mich nach ein paar Steinen aus dem Beet und werfe einen nach dem anderen frustriert wieder weg. Wieso habe ich mich nur bereit erklärt, an der Übergabe teilzunehmen? Bestimmt wird das nicht das letzte Mal sein, jetzt wo mein Bruder weiß, dass er sich auf mich verlassen kann.

Zayns - Point of view.
Gerade als ich mit dem blöden Text fertig bin, klingelt es. Meine Schrift ist unlesbar, aber die Schulleitung soll froh sein, dass ich überhaupt was gemacht habe. Ich sehe das Klingeln als Freifahrtschein und mache, dass ich aus dem Schulgebäude rauskomme. Lange genug hier gehockt für heute. Leider meint es das Glück heute nicht so gut mit mir. Der Direx kommt mir entgegen.
„Ah Mr. Malik? Wohin des Weges?“, fragt er munter. Meine Fresse, hat der denn nie schlechte Laune? Mich beglückt sie automatisch wenn ich seine Visage erblicke.
„Muss weg“, erwidere ich emotionslos und gehe an ihm vorbei.
„Und wo ist Miss Brook?“, fragt er weiter.
„Es gab einen Notfall und sie musste schon gehen. Den Text hat sie fertig“, rufe ich ihm über die Schulter zu. Warum zum Teufel nehme ich sie in Schutz? Ich könnte einfach petzten und sagen, dass sie einfach abgehauen war. Ihre Schwester war jedenfalls kein Notfall. Die Kleine soll mal lernen ohne Babysitter auszukommen.
„Oh, in Ordnung, dann einen schönen Nachmittag noch“, höre ich den Direx noch sagen, bevor die Tür des Schulgebäudes zuknallt.
„Bestimmt“, schnaube ich.
Wieder einmal an diesem Tag frage ich mich warum ich mich überhaupt um Sienna kümmere. Soll sie doch hingehen wo der Pfeffer wächst.
Aber … küssen kann sie, das muss ich zugeben. „Malik, du spinnst“, murmele ich zu mir selber.
Meine Gedanken werden durch niemand anderen als meinem geliebten Bruder Jawaad unterbrochen, der wie ein Bekloppter aus dem Beet vor der Schule Steine fischt und sie auf die Straße wirft.
„Wow, Junge was geht den hier ab? Hobbylos oder was?“, fahre ich ihn an.
„Lass deine schlechte Laune nicht an mir aus, Zayn“, erwidert er patzig. Ein weiterer Stein nimmt seine Reise. Ein Auto fährt vorbei und er verfehlt es nur knapp.
„Treffen muss man können“, kommentiere ich und schalte den Motor meiner Maschine an.
„Sei froh, dass ich überhaupt auf dich gewartet hab und nicht abgehauen bin“, gibt er sauer zurück.
„Warum?“, frage ich spöttisch. „Denkst du ich kann das Teil nicht ohne deine Hilfe steuern?“
„Nein, ich wollte einfach nur nett sein und dir Gesellschaft leisten“, knurrt er sarkastisch und steht auf. „Ich brauch eine Mitfahrgelegenheit du Idiot!“
Ich lache. Das war ja mal was Neues. Sonst würde er lieber laufen, als auf mein Motorrad zu steigen. Muss wohl ziemlich schlechte Laune haben, unser lieber Jawaad.
„Dann hör auf zu murren und steig‘ auf!“, sage ich zu ihm und halte ihm meinen Ersatzhelm entgegen. Ohne Worte schnappt er sich ihn und klammert sich an mir fest.

Julies - Point of view.
Sienna hat tröstend einen Arm um mich gelegt und wir sprechen uns aus. Über unsere Gefühle, über die Drohungen wegen Harry, einfach über alles, wie wir das sonst auch immer machen.
„Zayn … er meinte du hättest mir was verschwiegen. Was das mit heute Morgen angeht“, meint sie und schaut mich aus den Augenwinkeln an.
Krampfhaft denke ich nach. „Was hab ich dir denn erzählt?“, frage ich dann.
„Du meintest, dass du gesehen hast wie ein Typ was mit Jawaad ausgetauscht hat. Zayn hatte mich heute danach gefragt, weil er ein Video vom Skater Park bekommen hat, wo du mit John redest.“
„Ein Video?“, frage ich entsetzt. „Wer hat das denn gemacht?“
Sie zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung. Also, was hast du mir nicht erzählt?“
Ich zögere. Warum zögere ich? Sie ist meine Schwester. Ich kann ihr alles erzählen. Sie zwar ein bisschen impulsiv, aber so schlimm ist das ganze ja eigentlich nicht. Eigentlich.
„Ich … der Typ hat mich gesehen.“
Sie springt auf und sieht mich mit großen Augen an. „Er hat bitte was?“ Wie gesagt: Impulsiv.
„Weißt du, das ist eigentlich gar nicht so schlimm“, versuche ich sie zu beruhigen. „Wenn das tatsächlich John war, kennt er mich ja eh schon.“
„Es ist doch egal, ob er dich erst jetzt kennt oder schon vorher! Du weißt über seine Geschäfte Bescheid! Nachher erpresst er dich oder so und du wirst zum Dealer!“
„Du weißt, dass ich da nie mitmachen würde. Außerdem will ich lernen mich zu verteidigen, schon vergessen? Das ist doch schon mal eine kleine Probe.“
Sie stöhnt. „Dein Ernst Juls? Das ist eindeutig ‘ne Nummer zu groß für dich. Wie wär’s wenn du erst einmal lernst mit Harrys kleinen Schlampen fertig zu werden? Die sind schon nicht ohne.“
„Es sind nicht seine Schlampen“, erwidere ich.
„Nehm ihn nicht auch noch in Schutz, sondern sorg dafür, dass du sie loswirst!“
Ich seufze. „Okay in Ordnung.“
Sie seufzt auch. „Wie viel einfacher das alles wäre, wenn du die Selbstverteidigungsstunden mit Dad nicht geschwänzt hättest“, sagt sie leise und ich höre die Trauer in ihrer Stimme.
„Ich vermisse ihn und Tyler“, murmele ich und eine Träne läuft über meine Wange. Sofort setzt Sienna sich zu mir aufs Bett und schließt mich in eine Umarmung.
„Ich auch. Weißt du, manchmal träume ich von ihnen“, murmelt sie in meine Halsbeuge. „Vom gemeinsamen Fußballgucken, den Trainingsstunden und den Familientagen, so nervig sie auch manchmal waren. Ich hab sogar davon geträumt wie wir Fahrradfahren lernen sollten und du stattdessen Tylers Skateboard geklaut hast.“
Ich lächele bei der Erinnerung. Damals war noch alles gut gewesen. Wir waren eine Familie mit den typischen Höhen und Tiefen, aber jetzt haben wir nur noch uns, auch wenn unsere Mutter versucht für uns da zu sein, ist sie ziemlich eingespannt bei der Arbeit und wir kriegen sie nur noch selten zu Gesicht.
„Ich wüsste nicht was ich noch tuen soll, wenn ich dich nicht hätte“, gestehe ich. Sienna sagt nichts, sondern umarmt mich noch fester. Ich spüre wie ihre Tränen auf meine Schulter tropfen. Mit einer Hand streiche ich ihr über den Rücken und murmele beruhigende Worte, die genauso mir gelten wie ihr.

The Malik Twins™Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt