Kapitel 27

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►Eine Woche später◄
Julies - Point of view.
Die ganze letzte Woche ist nervenraubend gewesen. Das Wochenende habe ich hauptsächlich damit verbracht, Jawaad im Krankenhaus zu besuchen und Sienna irgendwie aufzuheitern. Das heißt, ich habe sie mitgeschleppt, damit sie nicht in unserem Zimmer vergammelt. Sie benimmt sich als wäre jemand gestorben. Allerdings hat sie damals, als es tatsächlich passiert war, mehr Ruhe bewahrt.
Alle Zeichen stehen auf Liebeskummer – heftigen Liebeskummer. Und ich weiß genau wie scheiße das ist, also versuche ich ihr so viel Aufmerksamkeit zu schenken wie möglich, damit sie sich nicht einsam vorkommt.
Allerdings behindert Zayn meine Mission. Er ist der, den sie am wenigsten sehen möchte, aber er hat scheinbar das ganze Wochenende bei Jawaad verbracht, der mich gefragt hat, ob ich ihn nochmal besuchen würde. Ich habe natürlich bejaht und dementsprechend geguckt, als sich Sienna und Zayn gegenüber gestanden haben.
Diese zehn Stunden auf zwei Tage verteilt sind vermutlich für alle Beteiligten die Hölle gewesen. Ich wäre gerne mit Jawaad alleine gewesen, aber wir konnten Zayn und Sienna nicht zusammen wegschicken. Man sollte meinen sie seien erwachsen genug, aber scheinbar ist das Täuschung.
Zayn wollte – warum auch immer – bei seinem Bruder bleiben und ich wollte Sienna nicht von der Seite weichen, sodass diese einverstanden gewesen ist etwas Zeit im Krankenhaus zu verbringen.
Es war zugegebenermaßen ziemlich egoistisch von mir dort bleiben zu wollen, aber sobald ich Jawaad in die Augen sehe, ist mir das egal. Also habe ich an seinem Bett gesessen, habe mit ihm geredet und gelacht, während meine Schwester und sein Bruder Seite an Seite – aber  mit Sicherheitsabstand – am Fußende des Bettes wie zu Salzsäulen erstarrt waren. Man konnte die Anspannung beinahe riechen.
In der Woche durfte Jawaad dann wieder nach Hause und zur Schule, also verbringen wir alle die Pausen zusammen. Niall ist ebenfalls mit von der Partie um das neutrale Gebiet zu imitieren und man sieht ihm an wie unwohl er sich zwischen Sienna und Zayn fühlt.
Die zwei sollten miteinander reden und die Missverständnisse aus dem Weg räumen, aber sie sind zu stur.
Sienna hat diese Woche so wenig geredet wie noch nie und ist entweder total niedergeschlagen oder extrem reizbar. Es ist kaum auszuhalten, aber ich kenne sie zu gut, um mich einzumischen und sie zu irgendetwas zu überreden, was sie partout nicht will.

Siennas- Point of view.
Julie tut mir leid. Vor allem weil es meine Schuld ist, dass sie sich solche Sorgen macht. Endlich haben sie und Jawaad es mal geschafft etwas Zeit zu verbringen ohne sich zu streiten und dann komme ich mit meiner schlechten Laune.
Und Zayn das Arschloch konnte sich noch nicht einmal verpissen solange wir bei ihnen waren. Ich hätte ebenfalls gehen können, aber wohin? Julie hat Recht: Ich wäre in Selbstmitleid versunken. Dennoch sieht Zayn seinen Bruder den ganzen Tag, da hätte er uns auch mal für kurze Zeit allein lassen können oder? Sonst kümmert er sich auch nicht was Jawaad macht oder nicht macht.

Zayns - Point of view.
Ich wache an Jawaads Seite, Tag und Nacht gewissermaßen. In den Schulstunden geht es nicht, aber dann ist wenigstens Julie da und ich weiß dass Harry in ihrer Gegenwart nichts anstellen würde. Er hat auf eine gruselige Art und Weise Respekt vor ihr entwickelt.
Ich ärgere mich, dass nicht ich es war, der eingegriffen hat, als Harry seine dreckigen Finger an meinen Zwillingsbruder gelegt hat. Es ist irgendwie albern, aber ich kann nicht anders als mich darüber aufzuregen.
Ich rede mir ein, dass ich in den Pausen nur bei ihm bin, um ihn zu schützen, da es mit seinen zwei geprellten Rippen schwer sein würde, aber tief im Inneren weiß ich, dass ich nur Scheiße labbere. Genau wie an dem Tag, an dem Sienna mit mir Schluss gemacht hat. Ich weiß nicht mal ob man das, was wir hatten überhaupt als Beziehung bezeichnen kann, aber ich hab es auf jeden Fall ruiniert.
Eigentlich spiele ich nur den Anstandswauwau meines Bruders, da ich weiß, dass Sienna dort sein wird. Warum kann ich mir nicht erklären, aber eins ist sicher: Während ich sie am liebsten durchschütteln und ihr sagen möchte, was ich wirklich fühle und denke, möchte sie mir am liebsten die Fresse einschlagen.
Verdammt scheiße aber auch.

Jawaads - Point of view.
Ich genieße Julies Nähe und versuche gleichzeitig den Stress mit Harry und der Polizei zu vergessen, was mir dank ihr auch gut gelingt. Was ich allerdings nur schlecht ignorieren kann sind die zwei Turteltauben, die sich scheinbar ihre Schnäbel zerschmettern wollen – wenn sie wenigstens das tun würden. Niall akzeptiere ich nur, weil er sich nicht an Julie ranmacht, sondern versucht ihr zuliebe die Situation aufzulockern. Wahrscheinlich will er am liebsten die Flucht ergreifen.
Mir geht’s genauso. Julie schnappen und rennen. Sollen Zayn und Sienna sich doch selber um ihre Probleme kümmern.

Siennas - Point of view.
Das Ertönen der Schulglocke bedeutet für mich Erlösung. Fluchtartig verlasse ich den Klassenraum als erste. Einerseits damit die Schnepfe, die sich doch tatsächlich Lehrerin nennt, mich nicht zurückpfeift und zur Schnecke macht und andererseits, damit ich wenigstens ein paar Minuten Ruhe vor Zayn Blicke habe.
Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen als stundenlang mit meinem „Ex-Freund“ – wenn man ihn wirklich so bezeichnen kann – in einem Raum eingesperrt zu sein und seine Blicke ertragen zu müssen. Obwohl … wenn er auch noch anfängt aktiv mit den Mädchen aus unserer Klasse zu Flirten, dann würde ich ernsthaft das Kotzen kriegen und höchstpersönlich dafür sorgen, dass er das Krankenhaus zum zweiten Mal in dieser Woche von innen sieht.
„Sienna!“, ruft der Vollidiot mir hinterher. Ach, hat er endlich sein Mundwerk auseinander bekommen? Nicht das ich mit ihm reden will, aber das ständige Geglotzte ging mir schon auf den Geist.
„Warte bitte!“
„Fick dich“, murmele ich und strecke ihm den Mittelfinger nach hinten. An der Schultür stoße ich auf Jawaad.
„Wo ist Juls?“, frage ich als ich sie nicht entdecke.
„Schon vorgegangen“, erwidert er und deutet mit einem Nicken zur Jungentoilette. Ah, er musste mal für kleine Jungs. Hätte mich nicht gewundert wenn er sie für eine kleine Make-out-session mitgenommen hätte, aber das Risiko von Zuschauern und Zuhörern ist ihnen wohl zu groß gewesen. Sein Bruder bleibt glücklicherweise wenige Meter hinter uns stehen und nebeneinander schlendern Jawaad und ich zu unserem üblichen Platz auf dem Schulhof, werden aber von Harry aufgehalten. Zayns Schritte hinter uns beschleunigen sich, sodass er wenige Sekunden später sich neben seinem Bruder aufgebaut hat.
„Was willst du Harry?“, frage ich genervt und bemühe mich um einen freundlichen Tonfall.
„Öhm … ich …. Öhm“, beginnt er und kratzt sich am Hinterkopf.
„Wenn du so weiter machst und keinen vernünftigen Satz auf die Reihe kriegst, könnte man dich glatt mit ‘nem Affen verwechseln“, fahre ich ihn an.
Zayn macht noch einen Schritt weiter auf ihn zu. „Komm zum Punkt“, blafft er.
Harry zieht die Augenbrauen zusammen und kaut auf seiner Unterlippe. Meine ich das nur oder ist die Situation ihm peinlich?
„Ich öhm … wollte mich entschuldigen“, nuschelt er. Oh ja, es ist ihm definitiv peinlich. Jawaad zieht eine Augenbraue hoch und Zayn weicht überrascht zurück. Ich verdrehe die Augen. Jungs.
„Klärt das unter euch“, weise ich sie an. „Ich bin bei Julie.“
Zügig entferne ich mich von ihnen. Wenn sie jetzt schon wieder anfangen sich zu prügeln, werde ich mich nicht einmischen. Einmal reicht vollkommen.
Verwirrt blicke ich mich um, als ich Julie nicht entdecke. Jawaad hat doch gesagt sie sei schon vorgegangen. Wo war sie denn nur?

Julies - Point of view.
Seufzend verlasse ich den Klassenraum, um in die Pause zu gehen. Niall ist schon mit einem Typen, den ich nicht wirklich kenne, vorausgegangen und Jawaad deutet an das er noch auf Toilette geht bevor wir uns auf dem Schulhof treffen.
Ich lasse mich auf eine kniehohe Mauer fallen, auf der ich die Pausen der ganzen Woche verbracht habe. Jemand setzt sich neben mich und ich sehe auf, mit der Erwartung Sienna zu sehen.
Ich liege allerdings komplett daneben.
Es ist John.
„Was willst du?“, frage ich und versuche selbstsicher zu klingen.
„Nichts weiter“, erwidert er und lächelt leicht, fast unschuldig. Aber natürlich ist er alles andere als das und dieses winzige Lächeln bestärkt das noch einmal.
„Und warum glaub ich dir das nicht“, zische ich.
Er legt den Kopf schief und seine Mundwinkel zucken noch ein Stück weiter nach oben. „Nicht gleich frech werden.“
Ich schnaube. „Verpiss dich einfach, dann muss ich mir keine Sorgen machen, frech rüberzukommen!“
Sofort wird seine Mimik emotionslos und er kneift seine Augen zusammen. „Vielleicht sollte jemand dafür sorgen, dass du den Mund gar nicht erst aufmachst!“
Ich bemühe mich mutig zu wirken. „Und wer?“
Schneller als ich reagieren kann steht er auf und hält mir etwas über Mund und Nase. Es riecht chemisch und mein ungutes Bauchgefühl mischt sich mit Übelkeit. Meine Sicht verschwimmt und ich muss mich bemühen die Augen offen zu halten. Ich spüre seine Arme unter meinen Kniekehlen und um meine Schultern. Er trägt mich weg, durchs Schulbeet, hinter die Schule. Dort wartet ein Van.
Ich bekomme nur noch halb mit wie er mich an jemanden überreicht und flüstert: „Hätte deine Schwester sich doch nur von Zayn ferngehalten, dann würde es dir jetzt nicht so ergehen.“
Was? Nein, sie hat nicht … dann wird alles schwarz.

The Malik Twins™Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt