49. Nicht allein

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„Was haben wir eigentlich als nächstes?", frage ich gähnend.
Wir waren schon wieder viel zu lange wach und dann war mein Kopf auch noch voll mit Gedanken davon, wie der heutige Tag ablaufen würde. An Schlaf war gar nicht zu denken. Ich war einfach zu aufgeregt. Erst etwa eine halbe Stunde bevor wir aufstehen mussten, konnte ich einschlafen.
Das war ja mal wieder typisch. Es war schon immer so. Die ganze Nacht wach liegen und dann kurz vorm Aufstehen einschlafen, wenn es sich kaum noch lohnt. Und trotzdem bin ich überhaupt nicht müde. Im Gegenteil, ich fühle mich wie in Topform. Ich will das Gelände erkunden, mich mit Anderen unterhalten und Kontakte knüpfen.

„Keine Ahnung", antworten die anderen mit zuckenden Schultern.

„Volleyball", haucht jemand in mein Ohr und reflexartig drehe ich mich, meinen linken Arm zu einem Schlag ausgeholt, nach hinten. Mein Handgelenk wird von Ethan festgehalten.

„Machst du dich über mich lustig? Aber ja, das wäre als Unterrichtsfach in der Tat perfekt, dann könntet ihr wenigstens lernen, ordentlich zu spielen und vor allem zu werfen", keife ich und verdrehe die Augen.
Er lässt mein Handgelenk los und schiebt seine Hände in seine Hosentaschen, hinter ihm stehen seine vier Freunde.
Jetzt, wo ich ihm viel näher bin, stelle ich fest, dass seine Augen tatsächlich gelb sind und ihn wirklich wie ein Raubtier aussehen lassen. Sein stechender Blick ist irgendwie unangenehm, als könnte er direkt in meine Seele blicken. Das Gefühl erinnert mich daran, als ich Levi getroffen habe. Diese machtvolle Präsenz, die einen unweigerlich nach hinten weichen lassen will. Als würde man sich irgendwie... unterwürfig fühlen? Aber so schnell wie es kam, ist es auch wieder verschwunden. Ich schätze, dann ist er ebenfalls von der Elite.

„Woher kennst du ihn?", fragt Finn mit gehobener Augenbraue und mustert ihn und seine Freunde mit zusammengekniffenen Augen.
„Wir sind uns gestern zufällig am Strand begegnet", erkläre ich. Vom Rest zu erzählen wäre dumm, schließlich halten die Jungs und Sumiko schon wenig genug von den andern Keryno hier, da muss ich das nicht noch verschlimmern.

Wir gehen an ihnen vorbei und gehen in den Speiseraum, wo sofort lautes Tuscheln die Halle füllt.
„Was müssen die denn so starren", murmle ich.
„Nicht jeden Tag kommt so ein hübsches Mädchen wie du zu uns", schleimt Ethan und hat sich leicht zu mir heruntergebeugt.
„Halt bloß die Klappe", entgegne ich mit zuckender Augenbraue. Der braucht sich gar nicht einzuschleimen! Warum ist der überhaupt noch bei uns?!
Levi stupst mich von der Seite an und sofort verbeugen wir uns, ebenso wie der gesamte Speisesaal. Freundlich winke ich den fremden Schülern und Keryno zu und einige winken sogar zurück. Einige Mädchen stürmen zu Ethan und seinen Freunden, hängen sich wie Kletten an ihn, doch auch hier starren vor allem die Mädchen Levi an, himmeln ihn nahezu an. Ein Stich fährt durch mein Herz.
Was glotzen die denn so blöd?
Ihre Blicke regen mich auf, aber andererseits beeindruckt es mich, dass Levi innerhalb der Keryno-Organisation ein so hohes Ansehen genießt und jeder scheinbar sofort weiß wer er ist. Das war mir zwar durchaus bewusst, doch das ist noch krasser als ich gedacht hätte. Ist eigentlich kein Wunder.

Aber so wie die sich um Ethan versammeln, scheint er auch verdammt beliebt zu sein. Da fällt mir allerdings augenblicklich ein enormer Unterschied auf. Die Mädchen verhalten sich wie eine richtige Fanbase. Levi hingegen geht Zuhause mit allen um, als wären sie seine Kumpels. Zwischen Ethan und den Anderen herrscht eine gewisse Distanz.
Naja, vielleicht bilde ich mir das auch bloß ein. Wie könnte ich jetzt schon großartig urteilen?

Nachdem wir uns Essen geholt haben, setzen wir uns an einen Tisch an dem schon einige sitzen. Manche lächeln uns an, andere wiederum nehme keine Notiz von uns.
„Wie heißt ihr und woher kommt ihr?"
Das Mädchen mir gegenüber sieht mich neugierig an und ich kann nicht anders außer ihr breites Lächeln zu erwidern. Sie streicht sich eine schwarze Haarsträhne hinters Ohr ihre grün-orangenen Augen funkeln mich freundlich an.
„Ich heiße Sienna. Das hier sind Levi, Finn, Jonas und Sumiko", ich zeige jeweils immer auf denjenigen, „und wir kommen aus Lane. Und wer bist du?"
„Ich bin Laria", erwidert sie, ehe sie mit dem Daumen neben sich zeigt. „Und der mürrisch dreinblickende Typ ist Lars."
Der braunhaarige Junge nickt uns zu und zischt empört: „Was heißt hier bitte mürrisch?"
Ein leises Kichern entfährt mir. „Schön euch kennenzulernen."

Keryno - Die verborgenen VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt