24. Bitteres Herz

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Mit pochendem Schädel schalte ich den Kontrollschalter an und stelle die Kampffunktion ein, mache alles genauso, wie Levi es mir vorhin gezeigt hat. Ich bin in einem der separaten Trainingsräume in einer der Hallen. Gestern ist mir beim Kampf gegen die Vampire mal wieder bewusst geworden, wie unfassbar gut die Anderen sind und dass ich noch mehr trainieren sollte.

Ich muss stärker werden.

Noch viel stärker.

Also gut, wie funktioniert das Teil noch mal? Wenn ich den blauen Knopf drücke, auf dem ein Strichmännchen abgebildet ist, wird ein Gegner manifestiert. Als nächstes muss ich ein metallartiges Armband um mein Handgelenk befestigen.

So kann mir eine Tafel anzeigen wie oft und gut ich getroffen habe, ob die Verletzungen tödlich wären und viele andere Daten zu meinem Kampf. Levi hat mir außerdem erklärt, dass ich zwar keine Schäden davontrage und nur ein Kribbeln bei den Angriffen des manifestierten Gegners spüre, aber dennoch angezeigt wird, wie viel Schaden ich in einem echten Kampf bekommen hätte.

Sechs Meter vor mir befindet sich eine Wand, die nun aus drei Punkten blau leuchtet. Würde man sie mit Linien verbinden, würden sie gemeinsam ein Dreieck bilden. Die blauen Strahlen leuchten geradewegs in meine Richtung und langsam bildet sich ein bläulich schimmernder Körper, der eine Verbeugung andeutet. Die Wand, wo der Kontrollkasten steht, wackelt kurz und macht Platz für eine Art Bildschirm.

Das soll also die Tafel sein? Das ist ein Fernseher, so groß wie der Bildschirm ist! Nein, selbst für einen Fernseher ist das Ding zu klein, es nimmt beinahe die Hälfte der Wand ein.

Zunächst bestätige ich, den Kampfmodus ohne Waffen. Beim Schwierigkeitsgrad entscheide mich lediglich für ‚mittel', da die Kopfschmerzen von vor einigen Tagen wieder zurückgekehrt sind und mir der schwere Grad nicht viel bringen wird. Ich drücke auf Start und schon fängt ein Countdown an von Zehn herunter zuzählen, ehe der Kampf beginnt.

Doch schon nach nicht einmal dreißig Sekunden breche ich wieder ab.

Mit der rechten Hand halte ich mir den Kopf und stütze mich mit der linken auf dem Kontrollkasten ab. In meinem Schädel brummt und surrt es, als habe sich ein Bienennest in ihm festgesetzt.

Urgh, dass ich kaum Schlaf bekomme, macht die Sache auch nicht wirklich besser.

Ich schalte die Geräte wieder aus und verlasse leicht wankend die Trainingshalle.

Draußen kneife ich quälend die Augen zusammen und versuche sie mit meiner Hand abzuschirmen. Die Sonnenstrahlen sollten sich auf meiner Haut warm anfühlen, aber ich spüre nichts weiter als unerschöpfliche Kälte.

Früher habe ich die Sonne geliebt, nun ist sie nur ein ekliges Übel für mich. Wie kann sie so grell scheinen, wo doch meine Freunde tot sind?

Plötzlich wird mir für einen kurzen Moment schwarz vor Augen und fast drohe ich das Gleichgewicht zu verlieren. Gerade so kann ich mich auf den Beinen halten. Wie eine alte Oma ducke ich mich leicht nach unten ab, in der Hoffnung so die Kopfschmerzen zu lindern.

Wie auf einem Boot hin und her schwankend komme ich schließlich in der Empfangshalle des Schulgebäudes an.

Von überall dringen lachende Stimmen an meine Ohren. Hier und dort stehen Grüppchen, die so ungehalten lachen, dass es wahrscheinlich im gesamten Gebäude zu hören ist.

Mit Freunden lachen... Späße treiben, sich necken...

Wie lange ist es nun schon her, dass ich nicht mehr gelacht habe?

Das Traurige ist, dass es mir egal ist. Alles ist mir egal. Ich fühle mich so unendlich taub. Als hätte sich eine Eisschicht um meinen kompletten Körper gebildet.

Keryno - Die verborgenen VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt