Keryno - Die verborgenen Vampire

19. Erste Patrouille Teil 1

Ein letztes Mal schaue ich in den Spiegel, um zu überprüfen, ob meine Uniform auch richtig sitzt. Schnell hänge ich mir noch den schwarzen Umhang um, der wohl Pflicht ist, da dieser eine Illusion hervorrufen soll, sodass alle Nicht-Keryno, sowohl Mensch als auch Vampir, denken, wir hätten normale Kleidung an. Vor dem Schulgebäude treffe ich auf Levi, Finn und Jonas die nur noch auf mich zu warten scheinen. Wir überqueren das halbe Gelände, um anschließend eines der Tore zu passieren und uns auf den Weg zur Stadt zu begeben.

Mit gemischten Gefühlen blicke ich Lane entgegen.

Der unruhige Sturm in mir macht nicht den Anschein, als wolle er sich niederlegen. Es kommt mir wie tausende von Jahren vor, seit ich das letzte Mal in meiner Heimatstadt war. Das letzte Mal wurde mir alles genommen und ich habe Angst, unheimliche Angst, durch die Stadt zu gehen, denn alles wird mich an Sam, Dominik und Justin erinnern. Einfach alles. Jedes Gebäude, jede Straße, jede Ecke, selbst die kleinste Sackgasse. Und was mache ich, wenn ich Derek, Leute die ich kenne oder gar meinen Eltern begegne?

„Finn und Jonas waren zwar bereits schon auf Patrouillen, aber für dich ist das noch alles Neuland, Sienna. Deswegen werde ich dir jetzt ein paar Dinge erklären und ich möchte, dass du mir ganz genau zuhörst und den Regeln Folge leistest, denn ich bin der Leader dieses Teams, also hast du auf meine Worte zu hören."

Als er sieht, wie ich meine Augen verdrehe, bleibt er augenblicklich stehen. „Ich weiß, dir passt das nicht und dass du mich nicht leiden kannst, aber das ist verdammt wichtig. Sowas ist kein Spaziergang zu McDonalds, sondern eine Mission, bei der es um Leben und Tod geht. Wenn du nicht sterben und weiterhin die Kampferlaubnis behalten willst, dann füge dich. Ansonsten drehen wir sofort wieder um und die Sache hat sich erledigt. Ich mache das nicht, weil ich dich provozieren oder nerven will, ich möchte dich einfach nur vor dem Tod bewahren, genauso wie Jonas und Finn. Wir sind jetzt ein Team, der kleinste Fehler von einem von uns kann den Tod aller bedeuten."

Dass ausgerechnet Levi den Ton angibt, passt mir gar nicht, aber er hat mit der Aussage, dass ich ihn nicht leiden kann, unrecht. Ich weiß, ich habe das schon einige Male behauptet, aber es ist nicht so, dass ich ihn nicht mag. Irgendwie...

Ach keine Ahnung, ich will besser als er sein und er regt mich einfach auf! Aber nur deswegen meine Kampferlaubnis zu riskieren, will ich dann doch nicht und Levi hat ja gesagt, dass er das nicht mit Absicht macht. Tatsächlich haben seine Worte nicht so bestimmerisch geklungen, wie ich es mir zuerst gedacht hatte, sondern merkwürdigerweise sehr einfühlsam.

„Ich hab's verstanden. Ich werde auf deine Befehle hören", seufze ich resigniert.

Ich möchte den Anderen keine Probleme verursachen und schon gar nicht, dass sie wegen mir in Lebensgefahr geraten.

Während wir unseren Weg endlich fortsetzen, beginnt Levi also mit seinen Regeln und Erklärungen.

„Regel Nummer Eins: Entferne dich niemals von deinem Team und mach keine Alleingänge, tritt Vampiren niemals allein gegenüber. Regel Nummer Zwei: Befolge die Befehle des Anführers, egal wie sie lauten. Regel Nummer Drei: Wenn keine Aussicht auf einen Sieg besteht, dann ziehen wir uns sofort zum Wohle des Teams zurück. Das Gleiche gilt, wenn der Leader feststellt, dass wir dieser Situation nicht gewachsen sind. Regel Nummer Vier: Verlier niemals dein Ziel aus den Augen. Das Ziel, Vampire mit so wenig Schaden an deinem Team, deinen Partnern wie möglich zu töten. Denke immer an deine Mitmenschen, sei nicht egoistisch und vergiss niemals das Wichtigste. An oberster Spitze stehen deine Teamkameraden und ihre Gesundheit und vor allem ihr Leben, nicht das Töten der Vampire. Blutsauger können wir immer töten, aber verstorbene Menschen können wir nicht zurück ins Leben holen."

Ein giftiger Stich fährt durch mein Herz und augenblicklich hab ich wieder das Szenario von der Ermordung meiner Freunde vor meinen Augen. Gequält verziehe ich den Mund, als habe ich in eine Zitrone gebissen.