48. Verbeugungen

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Mein linker Arm hängt schlaff neben meinem Körper herunter und wird hinter meinem Rücken von der rechten umschlossen, während ich in die Ferne hinausschaue. Der Mond und die abertausenden Sterne spiegeln sich im Wasser und lassen es auf irgendeine Art und Weise mysteriös, verwunschen wirken. Es würde mich nicht wundern, wenn auf einmal kleine Feen herumfliegen oder Meerjungfrauen auftauchen würden. Oder als würde das Meer nun als ein Portal zu einer anderen Welt dienen, würde man tief genug hineingehen.

Wie so oft in letzter Zeit muss ich über den Urlaub nachdenken. Mir kommt es so vor, als würden Levi, Jonas, Finn, Sumiko und ich uns schon immer kennen und schon seit Ewigkeiten hier wohnen. Alles kommt mir in ihrer Nähe einfach so unfassbar vertraut vor, als wäre es nie anders gewesen. Als hätte mein gesamtes Leben aus solchen Tagen bestanden.

Es fühlt sich an, als hätten die ganzen Kämpfe, das ganze Leid, das ich bis vor kurzem noch ertragen musste, nie stattgefunden und wären bloß ein langer, schlechter Traum gewesen, doch die Realität sieht anders aus. Ein mattes Lächeln liegt auf meinen Lippen. Nicht, dass ich es bereuen würde gegen die Vampire zu kämpfen und die Menschheit somit im Geheimen zu beschützen. Im Gegenteil – es fühlt sich unglaublich gut an, zu wissen, dass man gebraucht wird und gutes in der Welt bewirken kann. Auch, wenn ich es ziemlich bitter und traurig finde, dass die Keryno schon seit Jahrtausenden von Jahren gegen die Vampire kämpfen, dabei immer wieder Opfer bringen müssen, so oft wichtige Kameraden verlieren und die Menschen dennoch nichts von ihrer vielen, harten Arbeit wissen. Keryno müssen zu viel aufgeben, strengen sich unfassbar an und doch gibt es niemanden, der ihnen wirklich dafür dankt. Aber so ist das Leben der Keryno nun mal. Sie leben stets im Schatten der Welt, ohne, dass die Menschheit auch nur eine Ahnung hätte, was hinter ihrem Rücken passiert und wofür die Keryno kämpfen.

Umso komischer ist die friedliche Zeit hier und immer wieder erwische ich mich dabei wie ich Angst habe, dass dieser Urlaub bloß ein Traum ist oder dass diese schöne Zeit durch einen plötzlichen Angriff zerstört wird. Meine Hand schließt sich noch enger um meinen Arm. Ein Teil von mir wünscht sich, dass diese Zeit niemals enden wird, aber das sollte ich nicht hoffen, immerhin ist es unser Job die Vampire zu töten und die Menschen zu beschützen, nicht wahr? Außerdem bin ich mit diesen Blutsaugern noch lange nicht fertig, sie haben noch längst nicht das bekommen was sie verdienen.

„Schnappst du auch frische Luft?"

Ich zucke heftig zusammen, zu sehr war ich in meine Gedanken vertieft. Neben mir taucht Levi auf und stützt seine Arme auf das Geländer.

„Jap. Kannst du wieder nicht schlafen?", kommt es von mir.

„Ach Quatsch, es ist doch erst halb Zwei. Aber mir ist im Zimmer so warm geworden, da brauchte ich frische Luft."

„Kein Wunder, wenn ihr da wie so 'ne Affenarmee am Brüllen seid", schmunzle ich und mustere ihn von der Seite. Der Mond und das Meer aus Sternen wird von seinen Augen reflektiert und so wirken sie, als befünde sich in ihnen ein ganz eigenes Universum.

„Eine heiße Affenarmee", erwidert er mit einem verschmitzten Grinsen.

„Wenn du meinst."

Unsere Blicke richten sich auf eine Gruppe Jugendlicher, die am Strand offenbar eine Party feiern und deren Gebrülle bis hierher dringt.

„Mein Gott, wie kleine Kinder", seufze ich genervt und verdrehe die Augen. „Man müsste seine Grenzen mit Alkohol doch kennen. Und dann rumheulen, wenn peinliche Schnappschüsse gepostet werden."

Levi schüttelt jedoch seinen Kopf.

„Es sieht nicht danach aus, dass sie betrunken sind. Ey, die fangen sich an zu schubsen."

Keryno - Die verborgenen VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt