18. Neuigkeiten

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Völlig verschwitzt stelle ich mich unter die Dusche und heiße das warme Wasser willkommen, das meine angespannten Muskeln lockert.

Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass Levi und ich in ein Team passen, denn ich bin mir sicher, dass wir uns nur im Weg stehen würden.

Davon mal abgesehen bin ich gespannt, wie die anderen Teammitglieder sind.

Nein, die sollten mich nicht interessieren. Ich will eigentlich keine neuen Leute kennenlernen, denn das heißt meistens Menschen ins Herz zu schließen. Wenn das passiert, ist der Schmerz, wenn sie verschwinden, zu grausam. Außerdem – wie könnte ich neue Freundschaften schließen, jetzt wo meine kostbarsten Freunde wegen mir sterben mussten? Nein, das kann ich nicht bringen. Das wäre zu unfair, wenn ich wieder glücklich werden würde, obwohl meine Freunde das niemals wieder sein können. Ich will nie wieder jemanden verlieren müssen, also ist es das Beste alleine zu sein.

Nachdem ich mich wieder angezogen habe, schaue ich nach draußen. Mittlerweile erstreckt sich der Frühling über die gesamte Landschaft. Blumen kämpfen sich ihren Weg durch die harte Erde, recken ihre Knospen der Sonne entgegen. Stück für Stück öffnen sie sich, bis ihre wunderschöne Blüte vollends zum Leben erwacht und sie die trübe Winterlandschaft vertreiben. Doch so schön sie auch aussehen, ich kann mich nicht an ihnen erfreuen. Für mich erscheinen all die bunten Farben nach wie vor in Grautönen.

Gelangweilt und unwissend, was ich mit mir anfangen soll, spaziere ich über den kompletten Campus.

Kaum zu glauben, dass es erst wenige Wochen her ist, seitdem mein Leben eine so ruckartige Drehung gemacht hat. Auf der anderen Seite kommt es mir wiederum wie eine halbe Ewigkeit vor, die ich schon auf diesem Gelände verbringe und doch kommt mir alles noch so fremd vor, so unwirklich. Als wäre alles nur ein realwirkender Traum, aus dem ich, sobald ich die Augen fest zusammenkneife, wieder aufwache.

Am liebsten würde ich alles, was vor dem hier geschehen ist, vergessen. Bei dem Gedanken an meine Familie und meine Freunde bohren sich wieder abertausende Messer in meine Brust. Tränen steigen mir abermals in die Augen, während sich ein dicker Kloß in meinem Hals breit macht und mich zu ersticken versucht.

Warum mussten gerade sie so brutal ermordet werden?

Warum ausgerechnet sie?

Ich werde nie wieder mit diesen Chaoten oder mit meiner allerbesten Freundin lachen können. Nie wieder. Aber nicht nur der Kummer, sondern auch die Angst scheint mich zu zerfressen.

Ob es meiner restlichen Familie gut geht? Was ist, wenn sie auch noch angegriffen werden? Immerhin wussten Darian Gwadi und Liam Dirks meinen vollständigen Namen, aber woher? Weder ich noch meine Freunde haben ihn erwähnt und deshalb mache ich mir umso mehr Sorgen um meine Eltern. Was würde ich dafür geben zu ihnen nach Hause zu rennen, mich an der Schulter meiner Mutter auszuweinen und ihr zu erzählen, wie grausam diese Welt ist. Wie grausam die Wesen sind, die sich in der tiefen Dunkelheit verstecken.

Aber ich kann nicht.

„Lachst du?", holt mich eine Stimme aus meinen Gedanken.

Schnell wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht und setze einen möglichst genervten Blick auf. Ich bin mir sicher, dass meine Augen gerötet sind, deswegen schlägt er sicher kläglich fehl.

Ich räuspere mich, um den Kloß zu vertreiben. „Was willst du, Levi?"

Für einen Moment schwankt meine Stimme und ich befürchte, sie bleibt zittrig und brüchig, doch nach einem weiteren Räuspern ist sie wieder normal.

Der Innaby verschränkt die Arme und meint gelangweilt: „Ich soll dich holen, unsere anderen Teammitglieder sind da."

Ich drehe mich auf dem Absatz um und laufe los, halte aber inne, als Levi hüstelt. „Andere Richtung."

Keryno - Die verborgenen VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt