~POV Stegi~
Während der Umarmung von Tim über kam mich ein komischer Schauer. Was war das? Es fühlte sich angenehm an, aber so ein Gefühl hatte ich noch nie. Ich hätte ihn gerne noch länger umarmt, doch er ließ viel zu schnell wieder los. Am liebsten hätte ich noch Stunden da einfach so mit ihm stehen können. Er war so warm und roch gut. Warte? Was hab ich für Gedanken? Ist man so drauf, wenn man verliebt ist? War ich denn verliebt? Ich würde doch so die Freundschaft zwischen Tim und mir aufs Spiel setzten, die zwischen uns entstand. Und das wollte ich definitiv nicht. Er war mein einziger und bester Freund und das durch Liebe zu verlieren? Nein. Es wäre vielleicht am Besten wenn wir uns erstmal nicht mehr sehen. Ich werde einfach auf die andere Hälfte der Stadt gehen für ein paar Wochen. Vielleicht tut uns ein wenig Abstand gut und diese Gefühle und dieser komische Schauer verschwinden. Ich geb es ja zu, ich mochte ihn wirklich gerne. Sogar sehr gerne. Ja, ich war verliebt und genau das wollte ich nicht. Nicht in meinen besten Freund. Gesagt, getan. Ich packte meine paar Sachen zusammen, also eigentlich nur meine Decke, ein Kissen und den Rucksack indem ich aber meistens nicht wirklich etwas habe und machte mich auf den Weg zur andere Stadtseite. Meine Matratze werde ich einfach in dem Haus lassen. Ich konnte die ja schlecht durch die halbe Stadt schleppen. Außerdem hatte ich vor in ein paar Wochen wieder zu kommen und es geht sowieso nie jemand in dieses Haus. Nach ungefähr einer Stunde zu Fuß, war ich endlich an meinem Ziel angekommen. Es war eine Brücke unter der viele Obdachlose schliefen. Die Brücke war ein wenig abgelegen von der Innenstadt, doch das war mein kleinstes Problem. "Hallo.", holte mich eine weibliche Stimme aus meinen Gedanken. Es war eine etwas ältere Frau. Ich schätze sie auf ungefähr 50-60 Jahre."Hallo.", gab ich zurück. "Bist du neu hier? Ich habe dich noch nie zuvor gesehen." "Ich war sonst immer auf der anderen Seite der Stadt." "Achso. Du scheinst aber noch recht jung zu sein und machst einen frischen Eindruck auf mich. Kann es sein, dass du einfach von zu Hause weggelaufen bist?" Ich schüttelte mit dem Kopf. Keine Ahnung warum, aber irgendwie vertraute ich dieser Frau, weswegen ich ihr dann auch meine Geschichte erzählte. "Ich bin eigentlich auf der Straße aufgewachsen. Meine Eltern und ich sind obdachlos geworden, als ich 3 Jahre alt war. Wir wurden aus der Wohnung raus geworfen. Und seit ich 16 bin, bin ich auf mich allein gestellt. Meine Eltern meinten ich würde es alleine schaffen, da ich schon genug Verantwortung übernehmen kann. Ich kann es den beiden auch nicht wirklich übel nehmen. Sie waren halt einfach überfordert mit ihrer Situation und dann auch noch mit einem Kind. Sie wollten nur das Beste für mich. Und das weiß ich." Die ganze Zeit über hörte die Frau mir aufmerksam zu. "Dann hast du es ja wirklich nicht einfach. Aber da du mir, deine Geschichte erzählt hast, will ich dir auch meine erzählen. Es war eigentlich ganz einfach: Ich habe mit 16 Jahren die Schule abgebrochen, habe einen Jungen kennen gelernt der damals meine große Liebe war, dann bin ich abgestützt und wurde Alkoholsüchtig. Ich lebte damals noch bei meinen Eltern, die haben mich dann aber irgendwann raus geschmissen. Und ab da wusste ich erst, dass ich einen Fehler begangen hatte. Zu meinem Glück konnte ich mich irgendwie aus dieser Sucht befreien. Nur lebe ich jetzt seit guten 40 Jahren auf der Straße. Ich bin mal hier, mal dort. Man könnte sagen, ich habe schon ganz Deutschland gesehen. Eigentlich bin ich meinen Eltern dankbar, dass sie diesen Schritt gemacht haben. So hat sich ein Schalter in meinem Kopf umgelegt und ich kam aus dieser Sucht raus. Ich glaube, wäre ich in der Situation von meiner Mutter gewesen, hätte ich nicht anders gehandelt. Von meinem damaligen Freund, habe ich nichts mehr gehört. Genauso wenig wie von meinen Eltern. Aber wer weiß ob die beiden überhaupt noch leben. Sie sollen nur wissen, dass ich ihnen dankbar bin und ihnen nie wirklich böse war." Ihre Geschichte ließ mich kurz still werden. Die Frau war nicht nachtragend, sondern dankte ihren Eltern. "Ich bin übrigens Diana. Und du?" "Stegi." "Freut mich. Aber Eines musst du mir erklären. Wie kommt es, dass du trotz den vielen Jahren, die du jetzt auf der Straße lebst noch so frisch aussiehst?" "Naja, ich habe jemanden kennen gelernt, er hatte mich mit zu sich genommen, nachdem wir uns länger unterhalten hatten. Ich konnte dann bei ihm duschen und habe neue Klamotten von ihm bekommen." "Darf ich fragen, warum du dann nicht mehr bei ihm bist? Du musst nicht darüber reden, wenn ich zu aufdringlich bin." "Nein, das ist schon okay. Ich brauchte im Moment einfach ein wenig Abstand." Diana nickte nur verständlich. Ich mochte sie und sie tat mir schon leid. "Du darfst die Hoffnung nie aufgeben. Irgendwo gibt es jemanden der dir helfen und mit dem du es aus deiner Situation rausschafftst. Ich will ehrlich zu dir sein, alleine schaffst du es schlecht von der Straße in das Berufsleben. Du brauchst jemanden der dir hilft. Jemand der hinter dir steht und dich mag. Vielleicht solltest du einfach nicht zu lange auf Abstand gehen mit deinem Freund. Er will dir bestimmt nur helfen. Aber es ist immer noch deine Entscheidung und ich will dir nichts einreden. Aber damit du es weißt: Ich bin erstmal länger hier und wenn etwas ist, kannst du zu mir kommen." "Danke." Diana war wirklich eine liebevolle Person. Bei ihren Sätzen musste ich an Tim denken. Bestimmt hatte sie Recht damit, aber sie wusste nun mal nicht was für Gefühle ich für ihn hatte. Ich wollte ja nicht den Kontakt mit ihm abbrechen, nur für ein paar Wochen auf Abstand gehen in der Hoffnung, dass es klappen wird. Den Rest des Tages verbrachte ich eigentlich nur damit über meine Gefühle, Tim und die Sachen die Diana mir erzählt hatte nachzudenken. Durch das ganze denken bemerkte ich gar nicht wie schnell es schon wieder Abend wurde und sich unter der Brücke langsam Obdachlose an sammelten.
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Zwischen Arm und Reich
FanfictionTim lebt in einer sehr wohlhabenden Familie und hat ein einigermaßen sorgloses Leben. Im Gegensatz zu Stegi. Er ist arm und wurde von seiner Familie im Stich gelassen. Er lebt von dem Geld was er auf der Straße bekommt. Doch als Tim ihn zufällig sie...