14. Malaise

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Ich errinere mich genau, es war vor etwas mehr als einem Jahr, als Ethan mir meinen ersten Kuss gab. Die Schule war hart, viele Tests und Arbeiten standen an und anstatt mich mit Freunden zu treffen, lernte ich in meinem Zimmer. Auch an diesem Abend. Das einzige Licht was an dem Abend noch schien, war die kleine Lampe auf meinem Schreibtisch und im Hintergrund lief leise Musik die mir dabei half, mich auf meine Hausaufgaben zu konzentrieren. Es klopfte an meiner Tür. Ich habe mich Tage lang in meinem Zimmer verkrochen also war es am wahrscheinlichsten, dass meine Mom mir Abendessen brachte, doch es war Ethan der die Tür öffnete. Er sagte, er hat eben noch mit meiner Schwester gelernt und wollte sich von mir verabschieden. Doch anstatt, dass er einfach nur Tschüss sagte, setzte er sich auf mein Bett und lächelte mich so lieb an, wie er es immer tut. Mir war damals schon aufgefallen, das dieses Lächeln nur mir galt.

"Ich habe noch viel zu tun, Ethan..." sagte ich zu ihm. Er nickte nur und schaute nervös auf seine Finger, die er zu diesem Zeitpunkt nicht ruhig halten konnte. Man sah ihm an, das ihm etwas auf dem Herzen lag, also klappte ich mein Textbuch zu und kam zu ihm rüber. Setzte mich direkt neben ihm auf das leicht quietschende Bett und fragte ihn, ob alles ok sei.
"Darf ich dir etwas erzählen, was bisher nur wenige wissen?" Zu dem Zeitpunkt war mir nicht einmal ansatzweise klar, was er wohl meinen könnte doch rückblickend war es so offensichtlich. Er sah mich an, mit seinen glasigen blauen Augen und fing an zu erzählen. Er erzählte von seinem Vater, der ihn nie mehr liebte als seine Kanzlei. Und das er der Grund sei, weswegen seine rebellische Ader überhand nahm. Wieso er Drogen nahm und sie verkaufte. Das ich das bereits von ihm wusste, überraschte ihn sehr, obwohl wir beide wussten, was für ein Plappermaul meine Schwester sein konnte, wenn sie etwas bedrückte. Sie war schon damals seine beste Freundin und wollte ihm so weit helfen, wie es nur ging, doch bei dem was er danach sagte, konnte sie nichts tun.
"Weißt du, Charlie..." sagte er beinahe flüsternd. Seine Hände schwitzen und er konnte mir dabei nicht in die Augen sehen, so schwer viel es ihm, das zu sagen.
"Ich denke schon an dich, seit ich dich das erste Mal gesehen habe." sagte er und sofort begann meine Brust zu kribbeln.
"Ich habe nie gedacht, dass ich fähig bin für solche Gefühle. Vorallem nicht gegenüber eines Jungen. Vor allem nicht gegenüber dir, doch ich..." Er hörte mitten drin auf und schaffte es endlich, mich anzusehen. Die Angst konnte man in seinen Augen ablesen, doch anstatt ihn abzuweisen, so wie er es von den meisten erwartet hatte, lächelte ich ihn an. Dann konnte er nicht mehr anders. Konnte seinen Gefühlen nicht mehr stand halten. Er grinste über beide Ohren, eine Träne der Erleichterung kullerte über seine Wange, dann lehnte er sich zu mir vor und kam mir so nahe, doch hatte noch immer nicht den Mut, mich zu küssen. Ich legte ihm also meine Hand an die Wange und legte meine Lippen auf seine. Ich küsste ihn, wischte mit meiner Hand die Träne des sonst so hart wirkenden Jungen weg.

Der Anfang war schwer. Ich hatte viel Stress in der Schule, auf die ich meine Konzentration setzen musste und er kämpfte mit der Sucht zu all den Giftstoffen, die ihn jahrelang definierten. Doch wir haben es geschafft.

Ein Jahr ist seit dem her vergangen. Nichts hat sich verändert, und dennoch ist alles anders. Neben mir saß der Mann, dem ich sagte, ich würde ihn lieben. Mit dem ich so viel durchgemacht habe. Und zwischen uns steht ein Mann, der all die Gefühle, die ich sonst so hegte, zu nichte macht. Ich errinere mich nicht mehr an das Gefühl der Liebe zu Ethan. Die ganze Zeit wünschte ich mir nur, hier alleine mit Alexander zu sitzen. Einem Mann, den ich gar nicht kenne. Einem Mann, den ich küsste und ich wünschte, ich könnte es wieder tun. Was ist nur passiert, das mein Herz jetzt für ihn schlägt?

"Das Essen war wundervoll." sagt der Anzug tragende Mann mit den zurück gegeelten Haaren und schluckt den letzten Bissen seines Essens hinunter. Sein Besteck legt er auf dem leeren Teller ab und sieht uns beide, Ethan und mich, mit einem zufriedenen Lächeln an.
"Wieso hast du nichts gegessen, Charlie?" fragt mich Ethan, der auch seine Pomfritt fertig aß. Ich zucke nur mit den Schultern.
"Ich habe einfach keinen hunger." sage ich und ignoriere das schlechte Gefühl in meinem Magen. Da ist ein undefinierbarer Druck in mir, der herrscht, seit wir hier drin sitzen und ich habe das Gefühl, mich jeden Moment übergeben zu müssen.

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