22. Alex View

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Die Sonne ist gerade unter gegangen. Recht spät für den Winter. Und wieder hockt er, wie fast jeden Abend nach der Arbeit, vor seinem Laptop und beantwortet die vielen, ungelesenen Mails in seinem Postfach. Die Meisten sind von Firmen, die Interesse an Werbung haben. Andere sind von Journalisten die ihn ausfragen über sein Privatleben. Ob er eine glückliche Ehe führt oder ihm der Job zu Kopf steigt und ihm den Boden unter den Füßen weg reißt et cetera. Und während er versucht, möglichst professionell auf diese dummen Fragen zu antworten, trinkt er aus dem mit rotem Wein gefüllten Glas.
Aus dem Augenwinkel sieht er seine Frau Jenna aus dem Schlafzimmer zurück kommen. Sie hat sich ihr Nachthemd übergezogen und stolziert geradewegs auf ihn zu. Über seine Schulter hinweg, schaut sie auf seine schnell tippenden Finger und legt ihre Hände auf seine Schultern, um sie sanft zu massieren.
"Du überarbeitest dich noch, wenn du so weiter machst, Schatz." sagt sie und legt ihr Kinn auf seinem Kopf ab.
"Wenn ich das nicht fertig kriege, habe ich morgen nur umso mehr zu tun." redet er sich heraus, um den Abend nicht mit seiner Frau verbringen zu müssen.
Was das wohl über ihn aussagt, dass er lieber Journalisten doofe Antworten schreibt, als sein Bett mit seiner Frau zu teilen. Ganz klar: Es ist Charlie, der ihm nicht aus dem Kopf geht. Charlie ist der Grund, warum es sich merkwürdig anfühlt, die Hände von Jenna auf seinem Körper zu spühren.
Ohne Nachfrage lehnt sie sich gegen seinen Rücken, küsst seinen Hals und klappt vorsichtig den Laptop zu.
"Lass uns ins Bett gehen." haucht sie an sein Ohr.
Wütend darüber, dass sie seine Arbeit aus egoistischen Gründen unterbricht, lässt er von ihr ab, greift sich seinen Computer und geht damit in die Küche.
"Verstehst du nicht, dass ich arbeiten muss?" fragt er sie empört und fährt den Rechner am Küchentisch wieder hoch. Beleidigt stämmt sie ihre Hände in die Hüften.
"Nein, ich verstehe es nicht! Ich verstehe nicht, wie du nur an die Arbeit denken kannst und keine Zeit mehr für deine Frau hast!"
"Wenn ich meinen Job nicht so ernst nehmen würde, könnte ich meiner Frau nicht die teuren Seidenmäntel kaufen, die sie so gerne trägt." antwortet er ihr zynisch und sieht ihr mit leichter belustigung dabei zu, wie sie sich den besagten Seidenmantel noch fester um ihre Oberweite zieht.
"Wir haben seit vier Wochen nicht miteinander geschlafen, Alexander." spricht sie nun wieder dieses Thema an.
"Wie soll ich schwanger werden, wenn du mich nichtmal mehr berührst?" Bei diesem Satz kann Alexander nicht anders, als sich gestresst die Haare zu raufen. Ihr Kinderwunsch ist das letzte, was er will.
"Bin ich dir nicht mehr schön genug?" fragt sie nun.
"Oh Gott, Jenna." stöhnt Alex aufgebracht und sieht zum ersten Mal zu seiner Gattin auf.
"Du bist schön und das weißt du."
"Wieso willst du dann nicht mit mir schlafen?"
"Ich.." fängt er an und unterbricht sich selbst. Er hat nämlich keine Ahnung, wie er darauf antworten soll.
"Es ist einfach gerade viel zu tun. Die Zusammenarbeit mit Heart's Inc und die Reise nach Washington-"
"Zu der du mich nicht einmal mitnimmst." unterbricht sie ihn und kreuzt ihre Arme vor der Brust. Alex Lippen formen sich zu einer Linie und er schließt für einen kurzen Moment seine Augen, um jetzt bloß nicht die Gedult zu verlieren und ihr sonst was für Beleidigungen an den Kopf zu werfen, so wie er es gerne würde.
"Du weißt, das Budget hätte für eine weitere Person nicht gereicht." antwortet er schließlich, nachdem er einmal ruhig ein- und ausgeatmet hat.
"Und da kann man nicht einfach einen Praktikanten von der Liste streichen?"
"Nein, kann man nicht!"
Sie will grade etwas erwiedern, als es an der Tür klingelt. Überrascht darüber, richten sie beide ihre Blicke auf den Eingang. Mit einem deutlich hörbaren, genervten Schnauben nimmt Jenna die Füße in die Hand und hält sich den Hörer der Anlage ans Ohr.
"Hallo?" fragt sie. Keine Sekunde später setzt sie ihre Stirn kraus.
"Wie bitte? Hallo?... Wer ist denn da?" keucht sie empört.
"Hallo?" Und nach Sekunden des Schweigens legt sie den Hörer wieder ab.
"Wer war das?" fragt Alexander sie unsicher.
"Keine Ahnung. Irgendwer hat einen Klingelstreich gemacht. Diese einfallslose Jugend von Heute." meckert sie und ohne ihr eben abgebrochenes Gepräch fortsetzen zu wollen, begibt sie sich in Richtung Schlafzimmer.
Alexander nimmt sich den Mut heraus, aufzustehen und einen Blick aus dem Fenster zu werfen, welches sich in der Nähe der Türe befindet. Kaum steht er vor dem glänzenden Glas und lässt seine Augen nach unten schweifen, bleibt für einen Augenblick sein Herz stehen, als er Charlie mit den Händen in den Jackentaschen versunken die Straße überqueren sieht. Ohne groß darüber nachzudenken, schlüpft er in seine Schuhe und nimmt sich wahllos eine Jacke von dem Kleiderständer.
"Ich gehe mir eben schnell Zigaretten kaufen!" ruft er seiner Frau zu und schreitet durch die Tür, ohne auf ihre Antwort zu warten.
Schnellen Schrittes läuft er die zwei Stockwerke herunter, als würde ihn etwas verfolgen. Es ist jedoch lediglich die Angst, die ihn verfolgt, Charlie nicht mehr zu erwischen und ihn verpassen zu können. Die kühle Abendluft pustet ihm entgegen, als er endlich aus dem Eingangstor heraus schreitet und sich in der Gegend nach dem Jungen umsieht. Leicht in der Ferne sieht er ihn und ohne sich sicher zu sein, ob er es überhaupt wirklich ist, joggt er ihm hinterher.
Sein Herz fängt an zu rasen und das nicht nur, weil er seit einer weile nicht gerannt ist. Der Gedanke, Charlie ein weiteres Mal an diesem Abend berühren und in die Augen sehen zu können, versetzt ihn in undefinierbare Freude.
Doch die Kenntniss, dass seine Frau ihn fast hätte sehen können, reißt alles um.
Es hätte vorbei sein können. Alles hätte auffliegen können, hätte Jenna nur seine Stimme erkannt.
"Charlie." ruft Alex dann, als er glaubt nahe genug bei ihm zu sein und apprupt dreht sich der braun-haarige Junge zu ihm um. Ein unkontrolliertes Lächeln legt sich auf die Lippen des Jungen und er mindert den Abstand zwischen den zwein, indem Charlie ihm entgegen kommt.
"Alex, was.."
"Das hättest du nicht machen dürfen." unterbricht ihn Alex, während er nach verlorener Luft ringt. Er bleibt stehen und packt den Kleinen an den Oberarmen.
"Was machst du hier, Charlie?" fragt er ihn.
"Ich, eh -.." stottert er überfordert.
"Ich wollte dich sehen." sagt er schließlich. Völlig perplex sieht Alexander zwischen seinen Augen hin und her.
"Du.." fängt er an, weiß jedoch nicht genau wie er den Satz fortsetzen soll.
"Es ist was Anderes, wenn ich dich mit hier her nehme. Du kannst nicht einfach nach Lust und Laune bei mir klingeln, wenn meine Ehefrau daheim ist."
Charlie beißt sich verlegen in die Wange und starrt zu Boden, anstatt sich dem intensiven Blick von Alexander auszusetzen.
"Ich habe es für einen Moment vergessen." gesteht er wahrheitsgemäß und sieht dann wieder in die blauen Augen, die ihn pausenlos mustern.
"Ich und Ethan haben schluss gemacht." spricht er es endlich aus. Wortlos lässt Alexander seine Arme fallen, hält den Blickkontakt dennoch stand. Doch anstatt freudig zu strahlen und ihn zu küssen, so wie Charlie es sich erhofft hatte, setzt sich nur seine Stirn in Falten und Verständnisslosigkeit spiegelt sich in seinen Augen wieder.
"Dachtest du sein Freund sei der Grund, warum wir nicht gesehen werden dürfen?" spricht Alexander es aus.
"Dachtest du, es wäre alles leichter, nur wenn du ihn verlässt?" setzt er fort und versetzt dem Jungen einen tiefen Stich in die Brust.
"Ich habe mehr zu verlieren als du, Charlie. Ich habe mir Jahre lang ein Leben aufgebaut. Habe einen hohen Posten in einer der größten Firmen von New York. Ich habe eine Frau geheiratet die ich nicht liebe, um den Geschäftsmann wiederzuspiegeln, den sie von mir erwarten. Und du erwartest, dass ich das alles hinwerfe wegen einer Affäre mit dir?"
Es braucht keine Worte um zu beschreiben, was Charlie jetzt gerade fühlt. Seine Augen füllen sich ungewollt mit Tränen und er kann es nicht aufhalten - er hebt seine Hand und schlägt sie dem erfolgreichen Geschäftsmann direkt ins Gesicht. Für eine Sekunde sieht er in das Schmerz verzerrte Gesicht von Alexander, dann dreht er sich um und geht.
Alexander hält ihn nicht auf. Er hält sich nur seine warm gewordene Wange und sieht Charlie mit Reue hinterher. Doch es fehlt ihm die Kraft, jetzt nochmal mit ihm zu reden. Ihm in die tränenden Augen zu sehen. Also tut er das, was er seiner Frau gesagt hat und geht in einen Spätkauf um sich Marlboro zu kaufen.
Innerlich bestaft er sich selbst dafür, Charlie soetwas an den Kopf geworfen zu haben.
Einerseits meint er es nicht so, andererseits doch.
Es ist zu viel, was Alexander verlieren könnnte und der Junge hätte besser Acht geben und die zwei nicht in so eine Lage bringen sollen.
Und doch hätte er ihn nicht so anschreien sollen. Das letzte, was er will, ist ihm weh zu tun und damit hat er die Ohrfeige von seinem Geliebten mehr als verdient.
Es ist wahr - er könnte vieles verlieren, wenn das mit Charlie raus käme. Doch nichts davon wäre es wert, Charlie dafür zu verlieren. Sein Puls rast nur bei dem Gedanken, den Jungen nicht mehr küssen zu können. Seine Luft wird dünner bei dem Gedanken, dass Charlie ihn jetzt vielleicht hasst. Er will nicht, dass er ihn hast. Schließlich liebt er ihn.
Und zum ersten Mal gesteht er es sich selbst ein.
Er hat sich in den Jungen verliebt und wird nun alles dafür tun müssen, um ihn wieder für sich zu gewinnen.


Ich bin zwar sehr unzufrieden mit dem Kapitel, aber es ist besser als nichts.
Bestimmt werde ich es im Laufe der Tage nochmal überarbeiten, also wundert euch nicht :)
Freue mich über jeden Like und Kommentar!

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