26. Sufficient

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"Bis dann mein Spatz. Ich hab dich lieb." wispert Mutter, als ich sie in den Arm nehme. Gerade will ich meine Hände von ihrer Taille lösen, doch sie lässt mich nicht gehen.
"Mom, ich muss jetzt los.." ermahne ich sie unter einem Lächeln. Letztendlich gibt sie mich frei, streichelt noch einmal meine Wange und sieht mir mit einem stolzen Blick in die Augen. Mit einem Kuss auf ihre Wange verabschiede ich mich von ihr und jogge zu dem Flugzeug, welches bereits von den Kollegen bestiegen wird. Alexander steht unten und scheint nach Etwas oder Jemandem zu suchen. Und als er mich erblickt, verlangsame ich meinen Schritt und streiche meinen Anzug glatt. Ich versuche mit aller Macht, seine Blicke nicht zu erwiedern, als ich an ihm vorbei gehe und vor ihm die Treppe hinauf steige. Ich spüre ihn in meinem Rücken. Fühle die Wärme und weiß, das er mir ganz nahe ist, doch ich ignoriere es.

Das Innere des Fugzeuges sieht aus, als wäre es ein reiner Erste Klasse Flug. Die sitze sind aus dickem, weißen Leder und ein roter Teppich ziert den Boden. Über jedem Sitz hängen kleine Monitore mit Kopfhörern und in der Mitte des Abteils befinden sich Tresen mit Stewardessen dahinter die uns falsch freundlich anlächeln.
Nur zögerlich gehe ich den schmalen Weg entlang, als ich meinen besten Freund erblicke. Die Männer, die vor mir laufen scheinen alle den Platz neben ihm zu meiden. Also ergreife ich die Chance und setze mich neben den stroh Blonden, der Zähne knirschend mit seinem Game Boy spielt. Erst, als ich mich neben ihn setze, scheint Chester mich zu bemerken und begrüßt mich mit einem Handschlag, den wir vor Tagen schon einstudiert haben.
"Hey Mann. Meinst du, die heiße Stewardesse da hinten mixt mir schon vor dem Start einen Drink? Ich habe echt schiss vor dem Fliegen, Mann." flüstert er angespannt und versucht, Blickkontakt mit der Brünette aufzunehmen, die auf Aufforderung seines penetranten Augenspieles auf uns zukommt.
"Darf es was sein, Sir?" fragt sie.
"Ich brauche Alkohol." sagt er schlicht und greift sie am Arm, als sie sich gerade umdrehen will.
"Undzwar was Starkes." fügt er noch hinzu und lässt sie, nach einem bestätigenden Nicken zum Tresen laufen.
Aufeinmal überkommt mich eine Gänsehaut. Ich weiß nicht warum, bis ich den Rücken von Alexander sehe, der gerade an mir vorbei gelaufen sein muss. Ich hoffe, das hört irgendwann auf. Dieses ständige Unterdrücken von Gefühlen in seiner Nähe. Es macht ich fertig.

Das Flugzeug startet und es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, die wir in der Luft verbringen. Ich hätte mir keinen schlimmeren Sitzpartner aussuchen können und immer wieder musste ich zu Alexander herüber schmulen, der die ganze Zeit über irgendwas an seinem Laptop machte. Doch nach etwas mehr als einer Stunde im Flugzeug, kommen wir endlich wieder auf festem Boden an. Ich muss Chester zwar halb heraus tragen, weil er seine Augen kaum aufhalten und seine Beine kaum bewegen kann, doch es tut trotzdem gut.

Selbst vom Airport aus sieht Washington schön aus. Nicht alles ist zugekleistert mit Werbung und die Menschen hier scheinen irgendwie viel sympathischer. Kultivierter. Der Eindruck bleibt auch, als wir im Hotel ankommen. Unsere Geschäftspartner begrüßen uns mit einem Mittagessen - von dem ich nichts anrühre, weil ich noch völlig satt bin - und kostenlosen Getränken. Nachdem ich Chester den Flug über betrunken erleben und ihn von seiner Flugangst beruhigen musste, ist es nun für mich an der Zeit, mir etwas zu gönnen. Die Kellnerin serviert mir einen schicken, blauen Cocktail mit einem lustigen Namen und einer der Angestellten begleitet mich auf mein Zimmer mit Einzelbett.

Laut Tagesplan ist heute nicht viel zu tun. Die Geschäftsleiter halten ein Begrüßungskomitee ab, während die Anderen den Rest des Tages und des frühen Abends genießen können und Zeit haben, sich ein wenig einzuleben, bevor es dann am nächsten Tag an die Arbeit geht. Ich spreche von Sitzungen um halb Sieben, Nachbesprechungen um halb Zehn und Führungen durch die Stadt und die auf uns bezogenen Firmen bis zum frühen Abend.
Und das Schöne ist, das ich danach noch genug Zeit habe, um mich an den Pool zu setzen, Hummer zum Abendbrot zu essen und mit einem Sekt in einem schicken, weichen Bademantel in meinem Bett zu lümmeln und Fernsehen zu gucken. Und bei all diesen Aktivitäten kann ich Alexander perfekt aus dem Weg gehen.

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