16. Embarrassed

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Kaum habe ich die Augen geschlossen, klingelt auch schon der Wecker. Mit schmerz verzerrtem Gesicht halte ich mir den Kopf. Er brummt wie verrückt. Wäre ich gestern einfach wie Chester bei Cola geblieben, hätte ich dieses Problem jetzt nicht. Aber rumheulen ist auch keine Lösung.
Schwer schleppend und mit nur halb geöffneten Augen, gehe ich rüber zu meinem Kleiderschrank und betrachte mich in dem dort hängenden Spiegel. Ich sehe aus wie ausgekotzt. Doch das tue ich die ganze Woche schon. Die Augenringe sind noch dunkler geworden und meine Schultern hängen müde nach unten. Die Haare sind inzwischen so lang geworden, dass sie mir ins Auge pieksten und ich bin so blass wie Schneewittchen. Diesen Morgen braucht es wohl mehr als einen Kaffee. Vielleicht google ich mal einen von diesen ekelhaften Smoothies gegen den Kater.

Mit dem letzten, frischen Hemd, das ich in eine schwarze Jeans gestopft habe, laufe ich die Treppen hinunter. Claire, meine Heldin des Tages, hat bereits den Kaffee aufgesetzt und zwei Gläser stehen auf dem Tisch. Doch dass das zweite Glas nicht mir gehört, erkenne ich erst, als ich die Küche betrete und Ethan in der hintersten Ecke sitzen sehe.

"Guten Morgen." begrüßt er mich kühl. Langsam hebt er den Becher mit der schwarzen Flüssigkeit zu seinem Mund und nippt daran.
"Morgen." erwiedere ich, kratze mich am Kopf und setze mich ans andere Ende des Tisches.
"Wo warst du gestern?" fragt er, als wäre er meine eifersüchtige Ehefrau. Claire setzt sich beschämt auf ihren Stuhl und betrachtet Stumm den Blickaustausch zwischen mir und Ethan.
"Ich war mit einem Kollegen etwas trinken." gestehe ich wahrheitsgemäß und nehme dankend die Tasse entgegen, die mir Claire eingeschenkt hat. Ich fülle sie mit ein wenig Zucker und Milch, rühre es dann mit einem Teelöffel um.
"Ich habe gestern vor der Firma auf dich gewartet. Vier Stunden lang." hält er mir vor doch ich gehe nicht drauf ein. Nippe an dem Kaffee und schütte noch ein wenig Zucker dazu.
"Wieso hast du nicht angerufen?"
"Habe ich! Und geschrieben habe ich dir auch. Mehrmals." Seine Stimme wird lauter. Er ist wütend. Doch ich bin zu müde, um mich aufzuregen.
"Dann muss mein Handy wohl aus gewesen sein." Auch an dem Müsli, was auf dem Tisch steht, bediene ich mich. Ich leere den letzten Schluck Milch und hole dann eine neue Flasche aus dem Kühlschrank. Ethan sieht mir bei jedem Schritt hinterher. Ich kann förmlich sehen, wie sein Wut-Termometer in die Höhe geht.
"Du wusstest, das ich dich abholen wollte und du bist anscheinend einfach an mir vorbei gegangen!" sagt er.
"Sorry." ist das Einzige, was ich darauf erwiedere und stopfe mir einen gehäuften Löffel Kellogs in den Mund. Ein wenig sticht es sich noch mit der Zahnpaster, doch davon lasse ich mich nicht abhalten, weiter zu essen.
"Sorry?" Nun ist Ethan richtig aufgebracht.
"Ich habe dich nicht darum gebeten, mich abzuholen, Ethan." sage ich gefasst. Nun weiß Ethan nicht mehr, was er erwiedern soll, ohne rum zu schreihen. Genervt rauft er sich durch die blonden Haare.
"Es war eine scheiß Idee, dich in diese Firma zu stecken. Du benimmst dich, seit du da arbeitest, wie ein totales Arschloch." sagt er und auf einmal bin ich es, der anfängt, rot zu werden. Ich springe vom Stuhl auf, der daraufhin fast umkippt und stütze mich auf dem Tisch ab. Ich sehe Ethan direkt in die Augen.
"Diese Firma ist die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe, Ethan. Und du kannst nicht erwarten, dass ich noch genauso viel Zeit für dich haben werde, wie früher. Ich arbeite jetzt, und es macht mir spaß. Und keine deiner blöden Vorträge werden mich davon abhalten, weiter zu machen, hast du das kapiert?"
So habe ich noch nie mit Ethan geredet. Doch es tut gut. Er hat es verdient.
Wütend laufe ich die Treppen hinauf und stürme in mein Zimmer. Die Schuhe und die Jacke, die ich gestern Nacht einfach in eine Ecke geworfen habe, ziehe ich mir schnell über und setze meinen Rucksack auf die Schultern. Zurück in der Küche sehe ich Ethan, der sich die Hände vors Gesicht hält und Claire, die ihm über den Rücken streicht und mir beim vorbei Gehen einen wütenden Blick zuwirft. Ich schnaufe sie nur grimmig an, nehme mir eine Flasche Mauntain Dew aus dem Kühhlschrank und stecke sie mir in den Rucksack, bevor ich ohne Rücksicht auf die Anderen zur Tür hinaus schreite und mich mit einem lauten Knall verabschiede.
Grade mal den Fließweg konnte ich entlang schreiten, bevor sich die Tür öffnet und Ethan mir hinterher läuft. Mein Schritt wird schneller doch er holt mich ein, packt mich an der Schulter und dreht mich zu sich um. Seine Augen sind feucht und einzelne Venen ragen durch seine Stirn.

"Ich will den alten Charlie zurück!" sagt er.
"Den, mit dem ich jeden Tag nach der Schule spatzieren gegangen bin. Um den ich mir nicht laufend Sorgen gemacht habe. Der-" Er will noch mehr aufzählen doch mir wird es zu viel und ich unterbreche ihn.
"Stopp, es reicht." Sofort wird er still. Er lässt seine Hand von mir ab und sieht mich einfach nur mit seinen großen, grauen Augen an.
"Ich liebe diesen Job, und ich mache ihn gut!.. Es tut mir leid." Das is mein letztes Wort. Ich drehe mich um, umfasse die Träger meines Rucksackes so fest, das meine Handknöchel weiß werden und laufe. Der Wind weht mir ins Gesicht und ich gebe ihm die Schuld, das meine Augen anfangen zu brennen und eine heiße Träne sich über meine Wange bahnt. Ich wische sie mir mit dem Handrücken weg und setze, ohne einen weiteren Blick über meine Schulter zu werfen, den Weg fort.


Wieder wurde ich von Ethan abgehalten, etwas zu essen und genug zu trinken und wieder bin ich zu früh an meinem Arbeitsplatz. Dieses Mal jedoch steuere ich auf den Becker zu, der der Firma schräg gegenüber steht. Ein kleiner, nett eingerichteter Laden mit kleinen Tischen die so hoch ragen, dass man nur mit Barhockern davor sitzen kann. An den Wänden hängen Gemälde von Michelangelo und Van Gogh und der Tresen ist reich belagert von Muffins und Donus, die pyramidenförmig aufgetafelt wurden. Mit grummelndem Magen stelle ich mich ans Ende der kleinen Schlange aus Büromännern und überlege mir, wieviel ich hier kriege für den Fünfer, den ich in der Jackentasche habe.
Grade habe ich mich für einen Vanilla Latte und ein belegtes Sandwitch entschieden, als das Windspiel über der Tür klingelt und der brünette Mann mit Schlips und Kragen das Café betritt. Sofort erblickt er mich und kommt mir mit einem Lächeln entgegen. Die Tresendame stellt mir meine Bestellung hin und bevor ich mein Geld zücken kann, hat er es schon in der Hand und bezahlt damit mein Frühstück.
"Das geht auf mich." sagt Alexander, ohne mich dabei anzusehen. Er lächelt der Dame zu und bestellt sich dazu einen Espresso und einen Blaubeermuffin.
"Danke." sage ich und setze mich mit meiner Beute an einen der wenigen, freien Plätze an der Wand. Ohne weiteres setzt Alex sich neben mich und pustet in seinen Kaffee.
"Frühstücken sie immer hier, bevor die Arbeit anfängt?" beginne ich ein Gespräch und sehe dabei zu, wie er vorsichtig an der bitteren Brühe nippt.
"Ja. Jenna macht es mir unmöglich, in Ruhe Zuhause einen Kaffee zu trinken." lächelt er.
"Mein Freund in letzter Zeit auch." setze ich fort, ohne über meine Worte nachzudenken und beiße genussvoll ein großes Stück von meinem Sandwitch ab.
"Gibt es Ärger im Paradies?" fragt er. Ich ignoriere es.
"Oh mein Gott, dieses Sandwitch ist der Wahnsinn." schwärme ich. Sogleich nehme ich einen weiteren, großen Bissen.
"Die haben hier den besten Becker vor Ort." bestätigt er und beißt in seinen fluffigen Muffin.
"Darf ich, um auf sie und ihren Freund zurück zu kommen, fragen, was denn vorgefallen ist?" will er ohne triftigen Grund wissen. Und da ich zu müde bin um mir klar zu machen, das er mein Chef ist und kein Freund, erzähle ich es ihm.
"Er ist sauer, weil ich nicht mehr jede Minute meines Lebens mit ihm teile."
"Das ist schade." sagt er. "Der Job verlangt eben eine Menge von ihnen ab."
"Das habe ich ihm auch gesagt." Das Sandwitch ist halb aufgegessen. Ich sehe auf die Uhr und stelle fest, das es nur noch zehn Minuten sind, bevor ich mich auf meinem Arbeitsplatz befinden muss.
"Darf ich sie denn heute zu einem Essen in der Mittagspause einladen?" fragt er und überrascht höre ich auf zu kauen.
"Ehm.." stammle ich. Er grinst.
"Letztes Mal hatte ich gar keine Chance, mich mit ihnen zu unterhalten. Und gegessen haben sie auch nichts. Ich will ja nicht, dass sie verhungern, nur wegen ihrem Freund."
Auf einmal habe ich so viele schöne Bilder im Kopf. Wie ich und Alex uns eine Pizza teilen in einem noblen Restaurant und mit Champanger anstoßen. Begeistert von diesem wirren Gedanken, nicke ich ihm zu.
"Ja, ok. Sehr gerne."

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