07. Confessions

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Ich muss mir eine Ausrede einfallen lassen. Ich weiß nicht wieso ich lüge, doch alles sträubt sich dagegen, meinem Freund die Wahrheit zu sagen. Das ich meinen Chef in einem Schwulenclub getroffen habe und ihn nun nach Hause bringen werde. Ich beschließe einfach, es für mich zu behalten. Verunsichert über das, was ich wohl als nächstes sagen werde, drängle ich mich durch die tanzenden Männer und finde irgendwann den Tisch, an dem eben noch alle saßen. Doch von meiner Mom und meiner Schwester fehlt jede Spur. Wahrscheinlich sind sie zusammen auf der Tanzfläche. Nur Ethan sitz auf der Bank und starrt in sein hell aufleuchtendes Handydisplay. Erst, als ich mich direkt neben ihn setze, bemerkt er mich und sofort erscheint ein Lächeln in seinem Gesicht.
"Du warst lange weg." merkt er an.
"Ich, ehm..." Noch immer bin ich auf der Suche nach einer Ausrede. Eine, die ihn nicht dazu bringt, mitkommen zu wollen.
"Ich habe draußen gesehen, wie sich zwei Männer prügelten." Überrascht wendet sich Ethan mir zu, mustert meinen Körper. Wahrscheinlich auf der Suche nach blauen Flecken.
"Keine Sorge." beruhige ich ihn.
"Ich habe nichts abbekommen. Ich wurde nur Augenzeuge und deshalb muss ich jetzt los." Verwirrt zieht er seine Stirn in Falten.
"Wie, du musst jetzt weg?" fragt er.
"Na ja, die Polizei ist gekommen und ich soll mit auf's Revier um eine Aussage zu machen." lüge ich wie gedruckt und besorgt drückt der blonde Schönling meine Hand.
"Etwa jetzt? Dann komm ich mit." Meine Hand legt sich auf seine Schulter.
"Nein, brauchst du nicht. Ich würde mich mies fühlen, wenn du den restlichen Abend auf einer Polizeistation verbringst. Ich gehe allein."
"Das ist deine Party. Ich möchte ebenso wenig, dass du dort hin gehst. Lass mich dich begleiten." Er lässt nicht locker.
"Ethan, bitte. Ich kriege das schon hin. Ich fahre dann nachher einfach mit dem Bus nach Hause, ok?" Meine einzige Möglichkeit ist es, ihn mit meinem Dackelblick direkt in die Augen zu sehen, bis er nachgibt. Es funktioniert jedes Mal.

"Nagut. Schreib mir, wenn du was brauchst. Und wenn du wieder Zuhause bist natürlich." Er streichelt mit seinem Daumen meinen Handrücken und ich kann nicht anders, als zu lächeln. Doch den Triumpf darin versuche ich zu verstecken.
"In Ordnung. Pass du gut auf die Mädels auf." Und mit einem letzten, innigen Kuss löse ich mich von meinem Freund und gehe wieder richtung Ausgang, wo Alexander auf mich wartet. Das Taxi ist bereits gerufen und grade, als ich durch die Tür nach draußen komme, hält es vor uns am Bürgersteig an. Ich greife Alexanders Arm und lege ihn mir um die Schultern, damit er eine Stütze bekommt. Am Taxi angekommen lade ich ihn auf der Rücksitzbank ab und steige selbst vorne ein.

"Wohin soll es gehen?" fragt mich der Taxifahrer und stellt schon mal sein Navi ein. Mein Blick geht durch den Rückspiegel nach hinten zu Alexander, der wage seinen Kopf hebt, als er es bemerkt.
"Neunte ecke sechsundzwanzigste." sagt er an und direkt drückt der Fahrer auf's Pedal. Merkwürdige, indische Musik schallt aus der Radioanlage, wärend wir die Straßen überqueren. Eine unwohle Stille überkommt mich und immer wieder schweift mein Blick nach hinten. Alexander kauert auf dem Sitz und umfässt schmerzerfüllt seinen Arm. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist das nicht die einzige Körperstelle, die etwas abbekommen hat. Oft wurde er in den Magen getreten und ins Gesicht geschlagen. Ein kleiner Riss ziert seine Unterlippe und sein rechtes Auge ist blau angeschwollen. Rote Linien ragen über seine Linse. Es sieht aus, als hätte er Tage lang nicht geschlafen.

"Sollen wir für sie die Sitzheizung an machen?" fragt der Taxifahrer, der wohl auch einen Blick nach hinten geworfen hat. Erst jetzt bemerke ich das Zittern seines Beines und seiner Lippe. Er kann nicht einmal verneinen sondern schüttelt nur sachte den Kopf. Ich quäle mich durch die Minuten, die wir in diesem Auto, anstatt in einem Krankenhaus verbringen. Alexander sieht aus, als würde er leiden und diese Ansicht ist kaum zu verkraften. Doch bald haben wir es geschafft und das Navi gibt zu verstehen, das wir angekommen sind. Der Wagen hält und ich zücke mein Portmonait. Mit einem glatten Zwanziger öffne ich die Beifahrertür und sprinte direkt zu Alexander rüber. Sein Arm legt sich erneut um meine Schulter und ich hebel ihn aus dem Auto. Zusammen laufen wir die paar Meter bis zu der Haustür eines riesigen Apartments, mitten in der Stadt. Es ist ein großes Backsteingebäude und ich bin gespannt, wie es von innen aussieht. Doch da es ein Altes ist, gibt es hier keinen Fahrstuhl, was ich erst bemerke, als Alexander die Tür aufschließt und uns die Treppe entgegen sticht. Direkt überkommt mich Lustlosigkeit. Ich werde ihn die ganzen Stufen herauf tragen müssen. Doch als ich zur Seite gucke und sein Gesicht sehe - sein demuliertes, müdes Gesicht - ignoriere ich meinen Schweinehund und gehe den ersten Schritt auf die Treppe zu. Zwei Stockwerke später sind wir wohl endlich vor seiner Haustür. Er löst sich von mir und die komische Wärme, die eben noch meinen Körper berührte, verschwindet.

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