25. Awkwardness

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Seit gefühlten Stunden schon versucht Mom verzweifelt, sich in eine Parklücke zu drängen während im Radio alte Musik aus den sechtzigern läuf. Die würde Alexander bestimmt auch gefallen, denke ich mir und schüttle den Gedanken sofort wieder ab. Ich habe noch eine Stunde, bevor ich ihm gegenübertreten und die nächsten vier Tage mit ihm verbringen muss. Und in dieser Stunde darf ich nicht einen Gedanken an ihn verschwenden. Es ist die letzte Stunde, die ich noch für mich habe.
Endlich zieht Mom dann die Handbremse an und schaut anschließend stolz zu mir herüber, bevor sie sich abschnallt und aussteigt. Gerade so schaffe ich es, mich durch den engen Spalt zwischen unserem und einem anderen Auto zu zwängen, lasse mir aber nichts vor Mutter anmerken. Sie hasst nichts mehr, als wenn man ihre Fahrkünste kritisiert.
"Ich bin ja so aufgeregt." grinst sie, als wir den Parkplatz entlang richtung Flughafen laufen.
"Deine erste Geschäftsreise. Und dann siehst du in dem Anzug auch noch so schnuckelig aus." quietscht sie, während mir die Frau, die einen halben Kopf kleiner als ich ist, am Jackett herum fummelt.
"Mom, lass das. Du machst noch Falten rein.." nörgele ich und nehme ihre Hand von mir.
"Tut mir leid, Charlie. Ich bin einfach stolz auf dich. Schade, das Claire nicht mitkommen wollte, um dich zu verabschieden."
Sie ist noch immer sauer, weil ich mit Ethan schluss gemacht habe. Und wenn Claire sauer ist, muss man ein passiv agressives Spektakel miterleben, indem sie einen ignoriert und nicht einmal das Salz rüber reicht, wenn man sie darum bittet. Und immer wieder schreibt sie mit ihm, wenn wir zusammen am Essenstisch sitzen oder läd ihn zu uns nach Hause ein. Dann darf ich mir die kalte Schulter von beiden ansehen, wenn sie die Treppe hoch rauschen ohne mich eines Blickes zu würdigen.

"Möchtest du noch etwas essen, Spatz?" fragt mich Mom, als sie die vielen Geschäfte im New York Airport erblickt. Ich lächle lieb auf sie hinab.
"Gerne. Ich sterbe vor hunger."
Sie ist die Einzige im Haushalt, die mich nach der Trennung nicht anders behandelte. Und weil sie weiß, das es mich belasten würde, hat sie mich auch mit keiner Silbe darauf angesprochen. Ich sehe ihr an, das sie es gerne würde. Mich auf die Trennung mit Ethan ansprechen und mich fragen, wie es mir geht, doch sie tut es nicht. Sie lässt meine Gedanken meine sein und dafür liebe ich sie.
Nach einer länger dauernden Diskussion darüber, ob wir nun lieber italienisch oder vitnamesisch essen, entscheiden wir uns schließlich für Frühlingsrollen und Chop Suey. Ein Platz am Fenster, mit der wunderbaren Aussicht auf gestresst umher laufende Touristen ist noch frei. Ich helfe meiner Mom dabei, ihren Mantel auszuziehen und zusammen setzen wir uns an den etwas zu kleinen Tisch.

"Weißt du schon, was du alles machen willst in D.C.?" fragt mich Mom während sie die Speisekarte mustert.
"Arbeiten und anschließend Free TV im Hotelzimmer genießen." antworte ich schlicht und höre nur das enttäuschte Schnaufen meiner Mutter.
"Da bist du mal aus Queens raus und du hast nichts weiter vor, als Fernsehen zu gucken? So habe ich dich aber nicht erzogen!" sagt sie spöttisch und gibt mir einen Klapps auf die Hand.
"Versprich mir, das du wenigstens ein mal zum Lincoln Memorial gehst. Für mich. Ich will wenigstens ein Foto davon sehen, wenn ich schon nicht selbst hin fahren kann." trägt sie mir vor und lässt ihre Augen wütend über die Bilder auf der Menükarte umher huschen. Um das nicht zu dem Letzten zu machen, was ich an Mutter sehe, bevor ich abreise, lege ich meine Hand auf ihre. Sie fängt meinen Blick auf und sieht mich lächeln.
"Ok." sage ich.
"Ich versprech's."
Erleichtert lächelt die Frau mit den braunen Locken.
Es vergeht nicht viel Zeit, da kommt der Kellner des kleinen Bistros an unseren Tisch und möchte unsere Bestellungen aufnehmen. Ich fange an und bestelle mir mein übliches Reis-Gemüse-Gericht und dazu eine Cola.
"Ich nehme auch eine Cola." unterbricht mich Mutter.
"Und, wenn sie so lieb währen: Füllen Sie in Beide doch bitte etwas Rum."
"Mom." will ich sie aufhalten.
"In nichtmal einer Stunde sehe ich meine ganzen Arbeitskollegen. Da kann ich doch nicht-"
"Es bleibt unter uns." zwinkert sie und mir bleiben die Worte im Hals stecken.
Sie ist meiner Mutter, also muss ich wohl oder übel auf sie hören.
"Und für mich eine Portion Nudeln mit Soja, bitte. Danke."
Es vergeht nicht viel Zeit, da schafft es Mom irgendwie unser Thema von Schokokeksen auf spirituelle Mächte zu lenken - eines ihrer Lieblingsthemen - als der Kellner mit den Getränken an unseren Tisch kommt. Ich will mich bei ihm bedanken, als ich über seine Schulter hinweg die Männer in Anzügen erspähe, die mich gleich erwarten werden. Darunter natürlich auch Alexander, der sich seinen heiß geliebten Scotch auf Eis an der Airport Lounch gönnt.
Mutter bemerkt natürlich meinen viel zu lange anhaltenden Blick, den ich gerade auf meinen Ex-Lover richte und will sich gerade umdrehen, als ich mein Cuba Libre hebe.
"Lass uns anstoßen."
Mit meiner etwas zu laut gewordenen Stimme errege ich sofort wieder ihre Aufmerksamkeit. Doch leider nicht nur ihre. Alexander hat mich entdeckt. Ich tue jedoch so, als hätte ich davon nichts bemerkt und grinse meine Mutter etwas zu breit an.
"Auf D.C." sage ich und ein Lächeln huscht über das Gesicht meiner Mutter.
"Nein, auf dich. Und deine aller erste Geschäftsreise." Und damit stoßen wir an. Direkt hebe ich mein Glas zum Mund und nehme ein paar große Schlücke, als die Männer aus meiner Firma sich alle zu uns her bewegen.
Ich hatte ja die leise Hoffnung, das sie nur an uns vorbei gehen wollen, doch zu meinem Pech bleiben sie direkt vor unserem Tisch stehen.
"Charlie Dunn, wie schön sie so pünktlich hier anzutreffen." begrüßt mich einer der Männer, von dem ich nur weiß, das sein Nachname Peters ist und er einer der hohen Tiere ist.
Meiner Mutter steht sofort erfreut auf, um ihm die Hand zu geben.
"Hallo! Ich bin Charlie's Mutter. Sie müssen Mister Jones sein." grinst sie und bemerkt gar nicht den Braunhaarigen, der mich mit den Händen in den Hosentaschen die ganze Zeit über still musterte.
Kurz räuspert er sich.
"Mh, nein. Das bin dann wohl ich. Alexander Jones." mischt er sich dazwischen und erregt somit die Aufmerksamkeit meiner Mutter, die vor peinlichkeit rot aufleuchtet.
"Oh, das tut mir leid. Ich bin Phillys, Charlie's Mom."
"Freut mich sehr, Ma'am."
"Ach, ich bitte sie. Nennen sie mich Phillys."
Ich kann mir das nicht weiter ansehen und mach mich weiter über den Longdrink her, als gerade unser Essen ankommt.
"Ich möchte ja nicht unhöflich sein, Gentleman, aber das ist die letzte Stunde die ich meinen Kleinen sehe." Vor Scharm schließe ich meine Augen. Ist es heiß hier drin?
"Und ich würde gerne noch einen Happen mit ihm essen, bevor der Flieger geht."
"Aber natürlich. Verzeihen sie die Störung." übernimmt Peters wieder das Gespräch.
"Wir sehen uns dann vor dem Flugzeug, Mister Dunn. Und sein sie Pünktlich."
"Klar doch." erwidere ich kleinlaut und nehme mein Besteck mit zittrigen Fingern entgegen. Ein letztes Mal streifen sich die Blicke von mir und Alex, bevor sie von Dannen ziehen.
"Das sind aber höfliche Männer." lächelt Mom und rollt sich ihre Nudeln auf der Gabel zusammen.
Ich nicke.
Das werden ganz sicher anstrengende vier Tage, die mir da bevor stehen.

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