31. Confessions

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Die noch immer anhaltende Schockstarre lässt meinen Körper leblos erscheinen. Fast so, als wäre ich aus Stein gemeißelt. Nur meine Finger zittern unkontrollierbar und verkrampfen sich. Erst, als Mutter mir eine heiße Tasse Kaffee vor die Nase stellt und ich sie mit beiden Händen umschließe, gewinne ich das Gefühl in meinen Adern wieder.

Vorsichtig hebe ich meinen Blick und sehe Mutter dabei zu, wie sie sich vor mich auf einen Stuhl setzt. Ihre Augen finden meine und für eine Sekunde verspüre ich ein Gefühl von wärme, doch genauso schnell fängt mich die unangenehme Realität wieder ein.

"Charlie?" spricht mich die brünette Frau mit der leicht faltigen Haut an.
"Möchtest du mir erzählen, was grade passiert ist?" fragt sie mit einer sanften Stimmenlage. Meine Schultern ziehen sich in die Höhe.
"Ich .. Weiß nicht." wispere ich. Ich sehe Alexander vor mir, der mit blutender Nase seine Faust hebt und den ehemals wichtigsten Menschen in meinem Leben ins Gesicht schlägt. Das verzerrte Gesicht von Ethan, das sich dem Boden nähert als er schließlich fällt.

Es war ein furchtbarer Anblick.

"Ich habe Ethan betrogen." wage ich es auszusprechen und hebe meinen Becher an, jedoch nicht mit der Absicht, daraus zu trinken.
"Wie lange schon?" fragt sie mich schließlich.
"Zu lange." antworte ich gehemmt und lasse die dunkle Flüssigkeit in dem Behälter hin und her schwappen.
"Charlie?" spricht sie mich wieder direkt an. Erneut hebe ich meinen Blick und sehe die Besorgniss, die sie umgibt.
"Liebst du diesen Mann?"
Trauriger Weise ist das die einzige Frage, auf die ich direkt eine Antwort weiß.
"Ja." antworte ich.
"Ich liebe ihn sehr."
"Weißt du, Charlie.." fängt sie an und nimmt einen Schluck aus ihrer Tasse.
"Ich weiß wie du dich fühlst." Überraschung legt sich auf mein Gesicht.
"Ich habe etwas ähnliches durchgemacht." gesteht sie mir und ein kurzes Zucken ihres Mundwinkels erscheint, als sie daran zurück denkt.

"Bevor ich deinen Vater kennenlernte, war ich in einer Beziehung mit einem Mann, der - ich weiß nicht wie ich es ausdrücken soll." unterbricht sie sich und überlegt.
"Er war nicht die Art Junge, die sich eine Mutter zum Schwiegersohn wünscht." lächelt sie.
"Doch er war lieb zu mir und wir hatten eine tolle Zeit. Dann lernte ich jedoch jemand neues kennen. Du musst wissen, zu der Zeit arbeitete ich in einem Café als Kellnerin. An einem Nachmittag im Juli kam ein Mann in dieses Café - ich weiß noch, er trug ein weißes Hemd und schwarze Hosen. Er hatte gepflegtes, blondes Haar und eine Ausstrahlung wie ein Filmstar auf dem roten Teppich. Ich war sofort von ihm hingerissen." erzählt sie und setzt eine Pause ein, in der sie in ihre Tasse schaut, als wäre dort ein Bild von ihm abgebildet.

"Er war charmant und ergeizig, hat nicht aufgehört mich um ein Date zu bitten. Es vergingen gerade mal ein paar Stunden, als wir auf dem Parkplatz auf seinem Auto saßen, Smoothies tranken und uns letzendlich auch küssten.
Doch ich vergaß, das mein Freund mich an diesem Abend von der Arbeit abholen wollte und er erwischte und inflagranti. Es endete mit gehobenen Fäußten und blutenden Nasen."

"Für wen hast du dich entschieden?" frage ich meine Mutter nach einer kurz anhaltenden Stille. Ihre Lippen formen sich zu einer schmalen Linie, bevor sie zu mir aufsieht.
"Ich habe mich gar nicht entschieden. Ich bin gegangen und blieb am Ende allein." antwortet sie und lässt mich mit einer undefinierbaren unzufriedenheit sitzen. Mutter bemerkt diese und legt ihre Hand auf meine.

"Doch meine Erfahrungen müssen nicht dein Schicksal sein." sagt sie, sucht den Blickkontakt und drückt dann meine Hand.
"Du solltest zu Ethan gehen und wenigstens versuchen, dich zu erklähren. Alles Andere entscheidet sich dann von selbst."
In diesem Moment wage ich einen Blick über meine Schultern und sehe durch die offene Haustür auf den Bürgersteig, wo Ethan mit dem Rücken zu mir gewandt sitzt und sich von meiner Schwester verarzten lässt.

Ein tiefen Atemzug braucht es, bevor ich meinen Mut zusammenpacken kann und aufstehe. Entschlossen laufe ich auf sie zu und als Claire mich bemerkt, tätschelt sie Ethan die Schulter und macht ihren Platz für mich frei.
Ohne, das Ethan aufsehen muss weiß er, das ich es bin. Sein Kopf dreht sich bemerkbar von mir weg, als ich mich langsam neben ihm nieder lasse.

"Hey." begrüße ich ihn ungekonnt, erhalte jedoch keine Antwort.
"Wie ... geht es deinem Auge?" frage ich im bezug auf die purpurrote Farbe, die sein Augenlied schmückt.
"Was glaubst du wohl?" stellt er eine Gegenfrage. Seine Stimme klingt dabei so rau und abweisend, das es mir einen Schauer über den Rücken jagt.
"Ich will ehrlich mit dir sein." sage ich.
"Das muss neu für dich sein." kontert er. Das hier wird schwerer als gedacht. Aber... ich habe es verdient.

"Es tut mir leid. Das musst du mir glauben." wispere ich in der Hoffnung, das er mir zuhört.
"Wie konntest du das tun?" fragt er mich schließlich und wendet sich mir endlich zu. Die Trauer und der Schmerz spiegelt sich deutlich in seinen grauen Augen ab.
"Ich..." fange ich an, weiß aber nicht mehr wirklich, was ich antworten soll.
"Es ist einfach passiert." sage ich letzendlich.
"Sowas passiert nicht einfach. Man schläft nicht einfach so mit einer Person, während dein Freund Zuhause auf dich wartet."
"Das meinte ich nicht..." erwiedere ich auf seine schmerzvollen Worte.
"Was dann?"

"Es war nicht nur eine Affäre. Ich ... habe mich in ihn verliebt." Bei diesem Satz zieht sich der blonde Junge ganz in sich zurück. Er schließt seine Augen und lässt seinen Kopf sinken.
"Ich habe dir niemals wehtun wollen. Du warst der wichtigste Mensch in meinem Leben - und bist es noch."
"Ich weiß." sagt er dann.
"Ich weiß nur nicht ... wie das passieren konnte." wispert er mit gebrochener Stimme.
"Ich weiß es auch nicht. Doch du musst mir glauben, wenn ich dir sage, das es mir wirklich leid tut. Es tut mir so.." ich kann den Satz nicht beenden, da sieht Ethan endlich wieder zu mir auf.
"Wir haben einfach die Kontrolle verloren."


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