Ich fühle mich, als wenn ich innerlich zerreiße und es tut mir weh, zwei Freunde so miteinander zu sehen. Ich will zu Marc, möchte, dass er mir sagt, was Julian gegen mich hat und warum er ihm Vorwürfe macht, aber Fussel hält mich weiter in seinen Armen und versucht mich zu beruhigen.
»Josie bitte, komm' lass uns noch ein Stück gehen. Die kriegen sich schon wieder ein«, spricht er beruhigend auf mich ein und verschränkt unsere Finger, zieht mich hinter sich her und bleibt ein Stück weiter vor einer kleinen Holzbank stehen.
Ich setze mich neben ihn und heule einfach. Auch wenn es mir eigentlich peinlich ist. Ich weine nicht gern vor anderen - und vor Marc's Freunden schon gar nicht. Der Einzige, vor dem es mir nicht unangenehm ist, ist Nico.
»Warum sagst du mir nicht einfach, was die beiden haben?« Ich blicke zu Fussel. Seine Augen glänzen im Mondschein und er nestelt unbeholfen an seiner Jeans. »Das... Josie das geht mich nichts an. Im Grunde weiß ich es nicht mal wirklich«, verteidigt er sich und schaut immer wieder nervös den Weg hinauf, wo wir hergekommen sind.
»Dann beantworte mir nur eine Frage«, bitte ich ihn. »Josie ich weiß nicht«, blockt er gleich ab, ohne die Frage zu wissen. »Dennis, bitte«, flehe ich und er weiß - bei der Verwendung seines richtigen Namens, dass es mir total ernst und wichtig ist. »Ich versuche es, Josie«, sagt er leise und schluckt deutlich.
»Mag Julian mich wirklich? Also ist es wahr, dass er mich nicht hasst?« Fussel atmet erleichtert aus und ich sehe ihm nicken. »Ja das stimmt. Mann Josie, warum sollten wir dich nicht mögen. Spätestens nach seiner Einladung zum essen, haben wir dich geliebt, weil wir wussten, du bist okay. Also nicht wegen dem Essen, sondern weil wir dich dort kennengelernt haben«, antwortet er ehrlich und legt seinen Arm um meine Schultern.
Seine Antwort genügt mir erst einmal und ich lege meinen Kopf an seine Schulter und schließe kurz meine Augen. Die Aufregung hat den Alkohol in mir hervor gebracht und ich fühle mich, als dreht sich die Welt etwas schneller. »Fussel?«, frage ich leise, »Ja?«, antwortet er ruhig, »Du bist toll.« Er drückt mich näher an sich und streicht über meinen Rücken. »Du bist auch toll, Josie«, antwortet er fröhlich und entfernt seinen Arm von meinen Schultern.
»Komm', wir sollten zurück gehen, nicht dass Marc dich noch sucht.« Wir schlendern den Weg zurück und als wir durch das Gartentor treten, springt Marc bereits von der Bank auf und kommt erleichtert zu uns gelaufen. »Mann, wo ward ihr?« Sofort schließt er mich in seine Arme und küsst meine Stirn. »Ich dachte, es wäre vielleicht besser, wir gehen kurz ein Stück«, sagt Fussel besorgt und kratzt sich am Kopf. Marc versteht und nickt, während er mir über den Rücken streichelt.
»Wo ist Julian?«, frage ich auf einmal und blicke suchend umher. Ich hoffe nicht, dass er gegangen ist, weil das ist das letzte, was ich wollte. »Ich bin hier, Josie«, sagt er leise und tritt aus dem Dunkeln hervor. »Hey Kleine, können wir das alles nicht vergessen? Und du machst dir keine Sorgen mehr? Wir haben kein Problem mehr miteinander«, sagt er während er zwischen Marc und sich hin und her zeigt, »Und ich hab' wirklich nichts gegen dich. Okay?« Ich blicke zu Marc, der mich liebevoll anlächelt und dann zu Julian, der auf meine Antwort wartet.
»Okay. Vergessen wir das«, murmele ich und werde von Marc gleich in seine Arme gezogen. Er krault zärtlich meinen Nacken und setzt kleine Küsse an meinen Hals. »Ich liebe dich so sehr meine Kleine, bitte sei nicht traurig«, haucht er neben meinem Ohr und dreht meinen Kopf zur Seite, um mich zu küssen. Er ist stürmisch und fordernd, etwas das mir vor seinen Freunden unangenehm ist. So wie er sich gerade verhält, würde er mich am liebsten hinter den nächsten Busch ziehen. NO WAY!
»Marc, ich muss mal eben. Ich komme gleich wieder«, sage ich zwischen Küssen und drücke ihn etwas von mir. Brummend lässt er mich frei, »Ich kann auch mitkommen«, knurrt er verschmitzt grinsend, doch ich schüttele lächelnd den Kopf. »Ich bin schon groß, das schaffe ich schon«, antworte ich auf dem Weg zur Tür. »Pass' auf deinen Arsch auf! Bowen ist da immernoch mit seiner Ollen drin«, ruft Julian und ich öffne kichernd die Tür.
Meine Augen müssen sich erst einmal an das Licht gewöhnen. Es ist so hell, wenn man im fast dunklen draußen gesessen hat und plötzlich im Licht sitzt.
Bowen liegt ausgestreckt und nur mit Jeans bekleidet auf der Schlafcouch. Er hat also bekommen, was er wollte. »Wo ist Sarina?«, frage ich und schaue mich im Raum um. »Die ist im Bad«, antwortet er gähnend und schmatzend, streckt sich und steht auf, um sich sein Shirt über zu ziehen.
»Ich geh' wieder raus«, sagt er zufrieden und schleicht zur Tür. Ich gehe zum Bad. Hoffentlich ist sie bald fertig. Meine Blase drückt schon schmerzlich. Die Tür steht einen Spalt offen und ich kann ein wenig hinein schielen. Wie eine Katze schleiche ich näher und beobachte Sarina, wie sie weißes Pulver auf einen Handspiegel kippt und mit ihrem Perso bearbeitet, bevor sie sich das Zeug mit einem abgeschnittenen Strohhalm in die Nase zieht. Ich bin geschockt. Warum macht sie sowas? Ob Bowen das weiß? Ich bin so sauer, dass sie das hier macht und drücke schwungvoll die Tür auf.
»Wieso machst du das?!«, frage ich außer mir und blicke sie verständnislos an. Sie zuckt nicht einmal und packt ihre Utensilien wieder zurück in ihre Tasche. »Ach komm', stell dich nicht so an. Ein bißchen Spaß haben, alles vergessen, gute Laune haben und dafür brauch ich das halt. Sei mal nicht so spießig!« Mit den Worten schlängelt sie sich an mir vorbei und geht zu den anderen nach draußen. Noch immer fassungslos setze ich mich auf die Schüssel und lasse meinen Kopf in meine Hände fallen. Wieder dreht sich alles vor meinen Augen. Das war definitiv zu viel Alkohol. Ich bin sogar zu faul zum Aufstehen.
Auf dem Weg nach draußen höre ich schon wieder Marc und Julian, die vor einem Fenster stehen müssen, sonst könnte ich sie nicht so deutlich hören. Wieder diskutieren sie wütend miteinander. »Lass' mich damit in Ruhe, verdammt!«, höre ich Marc meckern. »Dicker! Wie willst du das machen? Wie stellst du dir das alles vor? Mit ihr!?«, bohrt Julian nach und bringt Marc damit schon wieder auf die Palme. »Hast du nicht gerade zu ihr gesagt, dass alles vergessen ist? Dann halte dich auch daran und lass' alles andere meine Sorge sein. Und nerv' mich heut nicht mehr, sonst drück ich dir eine!«
Ich lehne enttäuscht an der Wand neben dem Fenster. Stumm laufen mir wieder Tränen über die Wangen. Nichts ist vergessen. Es war alles nur gespielt? Sonst wäre Marc doch nicht so sauer auf Julian, dass er sogar gegen ihn die Hand erheben würde! Was haben die für ein Geheimnis und warum nervt Julian Marc immer damit? Und warum will mir keiner etwas sagen? Das ist doch alles Mist. Und noch weniger kann ich jetzt so raus gehen. Marc würde es sofort merken, dass ich wieder geweint habe und dann müsste ich beichten, dass ich gelauscht habe.
Alles vergessen, gute Laune, bißchen Spaß haben...
Wie ferngesteuert schaue ich mich in dem kleinen Raum um. Irgendwo muss doch ihre verdammte schicki Tasche sein. Neben der Tür auf einem Stuhl finde ich sie und wühle hektisch darin herum. Ich weiß ja nicht einmal, nach was ich genau suche.
Immer wieder blicke ich zur Tür, hoffe es kommt jetzt keiner rein und erwischt mich. Mein Herz rast, denn ich weiß selbst nicht, was ich hier mache. Ich habe noch nie so etwas getan, verabscheue es eigentlich, aber sehe gerade keinen anderen Ausweg, oder?
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Falsch gedacht! [1]
ChickLitNico, mein schwuler bester Freund und ich sind vor vier Monaten hierher gezogen, haben uns zusammen eine Wohnung in Neukölln angemietet und schlagen uns ganz gut. Die Großstadt ist aber nicht das Einzige, was mir unschuldigem Ding vom Lande den Kop...