° 27 °

4.2K 288 70
                                    

Marc POV

Wo bleibt sie nur? So lange braucht sie doch sonst nicht auf dem Klo. Ich habe ein komisches Gefühl und gehe ins Häuschen, um sie zu suchen. Schon als ich im Wohnbereich stehe, rufe ich schnell über meine Schulter nach draußen nach Julian und lasse mich neben sie auf die Knie fallen. Sie liegt bewusstlos auf dem Boden, ihre Lippen sind ganz blass, so wie ihr ganzes Gesicht. Panik steigt in mir auf und ich kann vor Angst kaum atmen. Was ist mit ihr passiert? Ihr Haare kleben verschwitzt an ihrer Stirn und ihre Atmung ist schnell und flach.

»Josie verdammt! Was ist mit dir!«, rufe ich, während ich ihre Wange tätschele und Julian sich gegenüber von mir neben sie kniet. »Was ist mit ihr?«, fragt er sofort und ist schlagartig blass. »Ich habe keine Ahnung, sie lag hier einfach, als ich rein kam. Was... Moment... Sarina!«, rufe ich ihren Namen laut und sie kommt kurz darauf zu uns gelaufen. »Was ist denn?«, fragt sie in der Tür stehend. »Weißt du, was sie haben kann? Du warst als letzte hier drin mit ihr«, frage ich hektisch und sie bekommt große Augen, beginnt den Raum abzusuchen.

Während sie irgend etwas sucht, prüfe ich ihren Puls. Er rast und das ist wohl auch der Grund für die beschleunigte Atmung. Ich habe solche Angst um sie und wähle fast abwesend Sven's Nummer. »Was gibt es, dass du mich um diese Zeit anrufst?«, fragt er verschlafen. »Sven, es ist ein Notfall. Es geht um Josie. Sie liegt hier bewusstlos auf dem Boden und ihr Herz rast. Sie hechelt und schwitzt«, spreche ich fast panisch in den Höhrer. »Was hat sie genommen? Sie muss ins Krankenhaus! Wo seid ihr denn? Hat jemand ihr etwas ins Getränk getan?«, plappert er aufgeregt und ich höre im Hintergrund die aufgeregte Stimme von Nico.

»Sie hat mein Speed genommen. Das war noch über ein Gramm. Hier ist der Beutel«, sagt Sarina plötzlich und hält geschockt die leere Folie in die Luft. »Sven - es ist Speed. Ich hab keine Ahnung warum, aber sie hat es selbst genommen. Allein... keiner hat es mitbekommen. Wir können keinen Krankenwagen rufen. Dann sind wir doch alle dran!«, plappere ich hektisch. »Marc! Du packst sie jetzt in ein Auto und fährst mit ihr zu ihr nach Haus. Ich bin schon bei Nico! Bis gleich!«

Es ist mir völlig egal, ob ich getrunken habe oder nicht, ich bin jetzt so unter Spannung, außerdem geht es um Josie. »DU!!! Verschwinde bloß, sonst klatsche ich dir eine. Und du kannst dir sicher sein, passiert ihr noch mehr als das hier, dann glaub nicht, dass ich deinen Arsch rette!«, schreie ich Sarina entgegen, während ich mit Julian Josie's Körper anhebe und sie in meine Arme nehme.

»Es tut mir leid, ich wusste doch nicht, dass sie dort einfach ran geht«, verteidigt Sarina sich weinend. »Geh' jetzt endlich! Bevor ich mich vergesse! GEH'!!«, brülle ich und laufe mit Josie auf dem Arm zu Fussels Wagen. Julian hat Bowen und Fussel im Schlepptau und folgt uns im Laufschritt.

Ich missachte jegliche Verkehrsregeln und bin froh, dass die Straßen nachts so leer sind. Julian und Fussel versuchen immer wieder, sie wach zu bekommen und ihr etwas zu trinken zu geben, doch sie murmelt immer nur etwas und sackt dann wieder in sich zusammen.

Keine fünfzehn Minuten später sind wir bei ihnen vor der Tür. Ich packe sie und hebe sie aus dem Wagen, während Fussel bereits klingelt und die Tür auf hält. Im Laufschritt nehme ich die Treppe und werde von Nico und Sven gleich ins Wohnzimmer geschickt. Dort lege ich sie auf die Couch, wo Sven mir gleich die Anweisung gibt, ihre Beine hoch zu halten.

Josie kommt kurz zu Bewusstsein und fasst sich hechelnd an die Brust und den Hals, öffnet schnell atmend ihre Lippen und bekommt Panik. Sofort schiebt Sven ihr T-Shirt hoch. »Was wird das, Sven?«, fauche ich und halte ihn auf. »Sie braucht Luft. Sie fühlt sich eingeengt.« Zusammen ziehen wir ihr das Shirt aus und Sven fühlt ihren Puls und redet ruhig auf sie ein. »Marc, rede ruhig mit ihr. Sie braucht das Gefühl, dass alles in Ordnung ist. Sie muss sich sicher fühlen.«

Dann steht er auf und geht in die Küche und kommt mit einer Flasche Saft und seinem Rucksack wieder. »Hier, sie muss trinken, gib' ihr etwas Traubenzucker. Und wenn das nicht bald besser wird, dann fahren wir ins Krankenhaus. Eine Geschichte denken wir uns dann aus«, sagt Sven ernst.

Ich setze mich zu ihr auf die Couch, nehme ihren Kopf auf meinen Schoß und streiche über ihre Wange und ihre Stirn. Sie atmet immer noch schnell, doch ich kann sie dazu bringen, etwas zu trinken. Und ich fühle mich jetzt nicht mehr ganz so hilflos, wo Sven bei mir ist. Nico ist wie ohnmächtig vor Sorge und sitzt auf dem Sessel neben uns und beobachtet, was sein Freund macht.

»Hey, können wir noch etwas tun?«, fragt Julian und beugt sich über sie. Sofort reißt sie ihre Augen auf und atmet wieder hektischer. Ringt nach Luft und schluckt schwer. Ich bin erschrocken über ihre Reaktion auf ihn. »Ich glaube es ist besser, wenn du gehst. Und nimm' die anderen mit. Ich mache das hier schon mit Sven.« »Ich bleibe. Ich kann eh nicht schlafen, weil ich mich um sie sorge«, sagt Fussel und krallt sich wippend in der Couch neben mir fest.

Die anderen beiden gehen mit hängenden Köpfen, doch das ist mir egal. Ich habe meinen Blick auf sie gerichtet. Achte auf jede Regung und jeden Atemzug, den sie tut und streiche liebevoll über ihre Arme und ihre Stirn, um ihr zu zeigen, dass alles in Ordnung ist - auch wenn es das nicht ist.

»Es tut mir leid«, flüstert sie plötzlich und schreckt mich aus meinem Sekundenschlaf. »Josie, was... was machst du für Sachen? Warum hast du das genommen?« Sofort laufen ihr die Tränen und sie schluchzt leise in sich. »Marc«, wispert sie wimmernd. Ich streiche ihr die Tränen von den Wangen und küsse ihre Stirn. »Schhh, meine Kleine. Es ist alles gut«, sage ich ruhig und drücke ihre Hand. »Nichts ist gut.... ich habe euch gehört. Julian hat gelogen. Es war alles gelogen«, schluchzt sie und will sich gar nicht mehr beruhigen.

»Mann Marc, das ist langsam echt scheiße«, flüstert Fussel und ich weiß sofort, was er meint, aber ich kann es ihr nicht sagen. Jetzt sowieso nicht. Wenn sie wegen Julian jetzt diesen Mist baut, was macht sie dann erst?

»Da musst du etwas falsch verstanden haben. Er meinte alles, was er zu dir gesagt hat ernst«, versuche ich sie zu beruhigen. Es stimmt ja auch. Er mag sie, doch er ist der Ansicht, dass sie zur falschen Zeit in mein Leben getreten ist. Ich sehe das nicht so, denn ich liebe sie und für die Liebe gibt es nun mal keinen Plan - keinen guten oder schlechten Zeitpunkt. Deshalb sehe ich das alles anders als er.

»Marc... bitte sei ehrlich«, fleht sie mit Tränen in den Augen, die ihr über die Wangen laufen. Ich streiche sie ihr vorsichtig weg, küsse ihre Wangen und ihre Mundwinkel. Fussel beobachtet uns. Er ist sauer und irgendwie erinnert er mich gerade an Julian. Nur Fussel denkt bei seiner Wut an Josie, das weiß ich. Er krallt seine Finger in die Couch und schnaubt verachtend, während er langsam seinen Kopf schüttelt und mich sauer anfunkelt.

»Julian hat nichts gegen dich... nur... wie soll ich sagen? Er denkt, ich vernachlässige meinen Job. Nimm' ihn nicht so ernst. Es ist mir egal, was er denkt«, sage ich leise. Fussel hat mich trotzdem gehört und lässt seinen Kopf in seine Hände sinken.

»Aber du gehst doch arbeiten. Was sollst du denn noch machen? U-und ich schreibe dir nichts vor... Marc... was meint er denn? I-ich« »Josie beruhig dich. Wie gesagt, er nervt mich damit. Ich sehe es anders und es ist doch wichtig, was ich denke. Und was das wichtigste ist, dass ich dich liebe, Josie. Ich liebe dich. Vergess' das nicht. Nie - egal was passiert«, sage ich liebevoll und streiche über ihre Stirn.

»Ich dich auch, Marc. Aber deine Freunde sind auch wichtig«, flüstert sie und will aufstehen. »Das klären wir später. Jetzt muss es dir erst mal besser gehen«, sage ich und schaue zu Fussel, der sich gerade zu ihr herüber beugt. Es passt mir zwar nicht, dass er sie jetzt obenhin nur in Unterwäsche sieht, aber es geht nun mal nicht anders.

»Hey... Kleine«, sagt er leise und streicht über ihren Arm, »Mach dir keinen Kopf. Ich bin auch sein Freund und ich denke nicht so wie Julian«, sagt er und presst traurig seine Augen zusammen. Sie kann es nicht sehen, wofür ich ihm dankbar bin. Auch für seine Worte, denn er hat sie damit wieder etwas beruhigt.

Sven kontrolliert noch einige Male ihren Puls und stellt zum Glück fest, dass er sich langsam normalisiert. Doch sie hat immer wieder kleine Momente, in denen sie tief durchatmen muss. Sie erklärt, dass es dich anfühlt, als wenn ihr Herz stolpert. Sven meint, das ist normal, hört aber auch bald auf.

Erst früh morgens komme ich zum Schlafen, als sie schon einige Zeit fest schläft. Ich konnte nicht schlafen. Musste mich immer wieder vergewissern, dass bei ihr alles in Ordnung ist und eines ist sicher - so etwas darf nie wieder passieren!

Falsch gedacht! [1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt