Es ist bereits 14 Uhr, als wir durch die Türen den Krankenhauses treten. Dieser Geruch, der einem in Krankenhäusern entgegen schlägt, macht einen schon krank und ich könnte jetzt schon wieder heulen, weil ich an Fussel denken muss. Am liebsten würde ich schreiend wieder hinaus laufen, doch ich will ihn sehen und muss irgendwie wissen, dass es ihm einigermaßen gut geht.
Marc's Schritte werden immer schneller, als wenn es ihn schmerzt, wenn er nicht sofort bei seinem Freund ist. Schon den ganzen Vormittag war er sehr still und angespannt, hatte ständig den Blick auf die Uhr, bis wir endlich los gingen.
Den langen Flur bis zu seinem Zimmer, habe ich wirklich Mühe mit ihm Schritt zu halten. Außer Atem bleiben wir vor dem Zimmer 316 stehen, Marc hat die Klinke schon in der Hand und schaut mich noch einmal an. Er sieht schlecht aus. Seit ich ihn kenne, habe ich ihn noch nie so schlimm gesehen. Ich greife seine freie Hand und drücke sie, verschränke unsere Finger und nicke leicht.
»Na los, ich will zu unserem Freund«, sage ich leise und in Marc's Augen blitzt es auf und es scheint ihn zu erleichtern, dass ich das gerade gesagt habe. Natürlich ist Fussel ein Freund für mich geworden und es tut mir wahnsinnig weh, dass er jetzt in dieser Lage ist. Erst recht, weil ich weiß, was für ein lebensfroher Kerl er ist, der ständig Hummeln im Arsch hat und irgend einen Streich ausheckt.
Langsam drückt er die Klinke herunter und wir treten ein. Doch im nächsten Moment verkrampft Marc dermaßen, dass meine Hand schmerzt. Ich trete neben ihn und starre genauso wie Marc auf das leere Bett. »Nein!«, flüstere ich und sacke in mich zusammen, »Das darf nicht sein!«
»Moment, das hat nichts zu heißen«, murmelt Marc und geht zum Nachtschränkchen. »Der Zettel ist weg«, sagt er leise und stapft an mir vorbei aus dem Zimmer. Ich hebe verwirrt meinen Kopf, schaue mich um und laufe ihm schnell nach, »Aber den kann doch jeder«, beginne ich zu sprechen und stehe nun vor Marc und einer Krankenschwester.
»Dennis Lange, genau. Er war hier in Zimmer 316«, sagt Marc aufgeregt und stemmt seine Hände schnaufend in die Seiten. Die Krankenschwester überlegt, dreht sich um und geht. Verwirrt blicke ich auf zu Marc, der ihr hinterher schaut. »Na kommen sie... ich schaue eben nach«, winkt sie uns hinter sich her und wir atmen beide aus, während wir ihr folgen.
»Er wurde verlegt. Die Intensivstation konnte er verlassen. Er ist jetzt auf Station 4. Zimmer 408«, sagt sie lächelnd und zeigt mit dem Daumen nach oben. »Vielen Dank! Wir hatten eben ehrlich gesagt kurz Panik«, sagt Marc, nimmt meine Hand und läuft mit mir ins Treppenhaus, wo wir die wenigen Treppen ein Stockwerk höher nehmen.
Genauso wie eben, laufen wir den langen Flur entlang, bis wir vor Zimmer 408 stehen. Wieder nimmt er die Klinke in die Hand. Schaut zur Seite auf mich herab und atmet tief ein und aus, bevor er die Tür öffnet und wir langsam eintreten.
Das Zimmer ist lichtdurchflutet, denn die Sonne scheint herein. Nach ein paar Schritten erblicken wir um die Ecke sein Bett. Sein Bein ist in einer Schiene hochgelegt, die weiß-grün gestreifte Bettdecke liegt locker über seinen Körper und seine Arme liegen schlaff links und rechts an den Seiten. Marc geht langsam auf die rechte Bettseite und setzt sich auf den Stuhl, der noch dort steht. Ich stelle mich auf der anderen Seite neben das Bett und betrachte sein schlafendes Gesicht.
Er hat dunkle Augenringe und seine Lippen sind fast so blass, wie seine Haut. Die honigblonden Haare liegen strähnig am Kopf an und runden das traurige Bild ab. Ich berühre vorsichtig seine linke Hand vor mir und nehme sie in meine, als mir dabei etwas in meine Hand rutscht.
Geschockt blicke ich rüber zu Marc und kann es kaum fassen, atme stoßweise die Luft aus meinen Lungen. Ich weiß, was es ist, doch muss ich den kleinen Ball auseinander falten und schluchze einmal auf. Tief Luft holen verhindert, dass ich jetzt die Fassung verliere, denn es rührt mich so sehr, dass er wahrscheinlich die ganze Zeit, seit er wach ist, Marc's kleinen Zettel in der Hand hält - bis wir wieder da sind.
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Falsch gedacht! [1]
ChickLitNico, mein schwuler bester Freund und ich sind vor vier Monaten hierher gezogen, haben uns zusammen eine Wohnung in Neukölln angemietet und schlagen uns ganz gut. Die Großstadt ist aber nicht das Einzige, was mir unschuldigem Ding vom Lande den Kop...